Das spricht für und gegen die Alternative Recyclinghof
Grüne wollen den Nahverkehr weiter ausbauen und den Betriebshof dorthin verlagern - Stadt sieht darin vor allem Nachteile

Der Recyclinghof (rot umrandet) am Oftersheimer Weg liegt auf Kirchheimer Gemarkung zwischen Speyerer Straße und dem ehemaligen US-Militär-Flugplatz. Für die Grünen ist es ein optimaler Standort für den RNV-Betriebshof, da es dort noch Erweiterungsmöglichkeiten gibt. Foto: Stadt/RNZ-Repro
Von Timo Teufert
Heidelberg. Ist der Recyclinghof am Oftersheimer Weg ein echter Alternativstandort für den Betriebshof der Rhein-Neckar-Verkehr GmbH (RNV), oder ist er es nicht? Im Vorfeld des Bürgerentscheids am 21. Juli wird darüber hitzig diskutiert, nachdem die Grünen ihre Kampagne "3 x Ja" vorgestellt haben: Ja zum Erhalt der Ochsenkopfwiese, ja zur Verlagerung des Betriebshofes an die Speyerer Straße und - so die Vision der zukünftig stärksten Gemeinderatsfraktion - ja zu einer klimafreundlichen Straßenbahn-Anbindung des Patrick Henry Village (PHV).
Hintergrund
Kritik an Plänen der Grünen
Die Pläne der Grünen stoßen in den betroffenen Stadtteilen auf wenig Gegenliebe: Die Stadtteilvereinsvorsitzenden von Kirchheim, Jörn Fuchs, und vom Pfaffengrund, Heinz Schmitt, wehren sich gegen die Verlagerung des
Kritik an Plänen der Grünen
Die Pläne der Grünen stoßen in den betroffenen Stadtteilen auf wenig Gegenliebe: Die Stadtteilvereinsvorsitzenden von Kirchheim, Jörn Fuchs, und vom Pfaffengrund, Heinz Schmitt, wehren sich gegen die Verlagerung des Betriebshofs auf das Gelände des Recyclinghofs und verweisen auf den fehlenden Gleisanschluss.
Beide stellen sich die Frage: Wo sollen die Schienen entlang geführt werden, um den Betriebshof an das bestehende Netz anzuschließen? Die Kirchheimer favorisieren für eine Erschließung von Patrick Henry Village (PHV) eine Trassenführung durch Kirchheim. Fuchs erklärt: "Einfach die Straßenbahn entlang der Speyerer Straße zum Airfield oder Recyclinghof zu verlegen, funktioniert nicht, weil dabei mehrere Biotope mit - tatsächlich - geschützten Pflanzen- und Tierarten und bewirtschaftete Flächen in Anspruch genommen werden müssten." Zudem dient das Gelände direkt neben dem Recyclinghof als ökologische Ausgleichsflächen. "Allein für die Erschließung brauchen wir so viel Platz wie am Großen Ochsenkopf für den Betriebshof", hat er ausgerechnet.
Fuchs und Schmitt ärgern sich aber auch darüber, dass das Areal an der Speyerer Straße für etwas genutzt werden soll, das man an anderswo in der Stadt nicht haben will: "Wir sind nicht der Lückenbüßer für die Stadt", sagt Schmitt. "Mich ärgert, dass man in Handschuhsheim nicht einmal darüber nachdenken darf, eine Wiese für einen "Park & Ride"-Parkplatz zu schottern, um die Handschuhsheimer vom Verkehr zu entlasten. Aber hier kann man einfach alles hinschmeißen. Das ist eine Missachtung der Kirchheimer", so Fuchs.
Er ist sicher: "Kein Landwirt wird für die Straßenbahn freiwillig Flächen abgeben." Schmitt erinnert in diesem Zusammenhang an den Bau des Pfaffengrunder Friedhofs, bei dem bis zu 15 Jahre Überzeugungsarbeit zu leisten waren, bevor die Bauern Flächen verkauft haben. "Die Grünen gehen über die Interessen der Landwirtschaft einfach hinweg", ärgert sich Fuchs. Sollten die Gleise von der Bahnstadt quer durch das Feld geführt werden, "wird damit die Lebensgrundlage der Bauern zerstört", so Schmitt.
"Wenn wir den Klimaschutz ernst nehmen - und der Oberbürgermeister hat ja erst vor kurzem den Klimanotstand ausgerufen -, dann müssen wir darüber nachdenken, wie wir den Nahverkehr weiter ausbauen", sagt Derek Cofie-Nunoo von den Grünen. Nur mit einem Ausbau könne man auch die Verkehrsprobleme in den Griff bekommen.
"Wir müssen das Thema aber regional denken, weil das Problem vor allem durch die Einpendler verursacht wird", so der zukünftige Stadtrat. Deshalb engagiere man sich für den Alternativstandort Recyclinghof, weil der als einziger ausbaubar sei, wenn es zu Netzerweiterungen komme. Am Ochsenkopf stehen 3,4 Hektar zur Verfügung, am Recyclinghof 4,2 Hektar.
Am Großen Ochsenkopf sieht die Planung nur eine Kapazitätsreserve für die Erweiterungen des Straßenbahnnetzes ins PHV und ins Neuenheimer Feld vor. Das reicht den Grünen nicht. "Wir wollen die Netzerweiterung nach Süden mit einer Ringbahn von Leimen über Wiesloch, Walldorf und Sandhausen, die Bahn ins Neuenheimer Feld, in die Altstadt und nach Weinheim, um die Probleme in den Griff zu bekommen", so Cofie-Nunoo.
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Und wenn man den Nahverkehr nicht mehr nur auf Heidelberg zentriert betrachte, habe der Standort auf dem Areal an der Speyerer Straße eine ganz andere Zentralität, sagt Grünen-Stadtrat Manuel Steinbrenner. Die Stadtentwicklung werde nach Südwesten voranschreiten.

"Wir wollen nicht am faulen Kompromiss Großer Ochsenkopf festhalten, der nicht zukunftsfähig ist. Wir gehen jetzt in Vorleistung und überlegen eine Alternative, um einen Ausweg aus dem Dilemma zu haben, wenn im Bürgerentscheid eine Verlagerung auf den Großen Ochsenkopf abgelehnt wird", so Steinbrenner.
Experten hätten seiner Partei bestätigt: Der Recyclinghof sei eine Alternative, auch wenn der nicht sehr tragfähige Untergrund Zusatzkosten verursachen würde, da er ein spezielles Fundament nötig mache.
Von der Montpellierbrücke bis zum Recyclinghof sei die Strecke einen Kilometer lang: "Wir sind überzeugt, dass ein Betriebshof dort schon 2025 in Betrieb gehen kann", sagt Steinbrenner. Nur wenn man dieses Projekt so schnell anpacke, könne man auch garantieren, dass PHV mit den ersten Bewohnern einen Straßenbahnanschluss habe.
Anders sieht man das bei der Stadt: Dort geht man davon aus, dass Planung und Bau einer Trasse mindestens zehn Jahre dauerten - sollte man Grundstückseigentümer enteignen müssen, auch länger. "Und wohin verlagern wir den Recyclinghof?", fragt Erster Bürgermeister Jürgen Odszuck.
Durch die Lage am Stadtrand entstünden außerdem rund 150.000 Leerkilometer pro Jahr. "Das Airfield ist aus klimatologischer Sicht ein schlechter Standort", meint Odszuck. Selbst der BUND sei gegen eine Ansiedlung im Kirchheimer Feld, da sich der Umweltverband schon aus Artenschutzgründen gegen den geplanten Landwirtschaftspark ausgesprochen habe.
Hintergrund
> Der Recyclinghof am Oftersheimer Weg befindet sich auf dem Gelände einer ehemaligen Kiesgrube. Betrieben wird er von den Heidelberger Diensten und hieß in den 1980er Jahren Altstoffsammelstelle. Zuvor war er als Materiallagerplatz der Stadt auch
> Der Recyclinghof am Oftersheimer Weg befindet sich auf dem Gelände einer ehemaligen Kiesgrube. Betrieben wird er von den Heidelberger Diensten und hieß in den 1980er Jahren Altstoffsammelstelle. Zuvor war er als Materiallagerplatz der Stadt auch Zentralsammelstelle für Kleinsperrmüll. Vor dieser Nutzung wurde die Kiesgrube als Kehrichtplatz genutzt und zwischen "1955 und 1981 überwiegend mit Hausmüll, Erdaushub und Bauschutt verfüllt", so ein Stadtsprecher. Kirchheimer erinnern sich, dass dort zum Beispiel die alten Pflastersteine der Rohrbacher Straße entsorgt wurden.
Die Heidelberger Dienste betreiben auf dem Gelände auch eine Möbelhalle. Als diese 2015 erneuert wurde, musste vorher eigens ein spezielles Fundament gegossen werden, weil der Boden sonst keine ausreichende Tragfähigkeit gehabt hätte. In den 1990er Jahren gab es auf dem Areal eine Altlastenerkundung: "Die Ablagerungshöhe im Boden ist zwischen sechs und 14 Metern hoch. Von der Altablagerung geht keine akute Umweltgefährdung aus", so der Sprecher der Stadt. (tt)
Als Nachteil für den Standort Recyclinghof führt Odszuck auch mögliche Altlasten im Boden an: "Am Ochsenkopf wissen wir genau Bescheid. Am Recyclinghof hat keiner untersucht, was sich im Boden befindet." Es handele sich um ein aufgefülltes Gelände - früher war dort eine Kiesgrube, die anschließend mit Hausmüll und Bauschutt verfüllt wurde. "Das lässt mich an der Standfestigkeit des Untergrundes zweifeln", so Odszuck.
Auf Luftbildern sei zudem zu erkennen, dass nur 25 Prozent der Gesamtfläche des Recyclinghofs versiegelt seien, man müsse für einen Betriebshof auch dort in die Natur eingreifen. "Zudem wissen wir nicht, ob es für einen Standort am Airfield eine Mehrheit im Gemeinderat gibt", sagt Odszuck.
Vor dem Beschluss zur Verlagerung des Betriebshofes von der Bergheimer Straße auf den Ochsenkopf waren die Grünen mit einem Antrag gescheitert, den Recyclinghof genauso gründlich wie die anderen beiden Standorte zu prüfen. Insgesamt hatte die Stadt zwölf Orte daraufhin untersucht, ob ein Betriebshof dort theoretisch möglich wäre - und nur einmal fiel diese Prüfung positiv aus: am Großen Ochsenkopf.



