Wenn Beatrix von Storch wie ein Flüchtling empfangen wird
Europa-Abgeordnete der AfD kam zur Bootsfahrt nach Heidelberg - Gegendemonstranten empfingen sie mit Decken und Stofftieren

Malte Kaufmann und Beatrix von Storch (v.l.) wechselten beim "Speed-Dating" von Tisch zu Tisch und diskutierten mit AfD-Anhängern. Nach der Bootstour wurden sie von gut 60 Demonstranten samt Teddybären empfangen. Fotos: Rothe
Von Denis Schnur
Diesmal konnten alle Redner auftreten: Nachdem eine Veranstaltung der AfD am vergangenen Freitag abgebrochen worden war, blieb am Montagabend alles ruhig - und das, obwohl mit Beatrix von Storch eine durchaus polarisierende Politikerin kam: Die stellvertretende Bundesvorsitzende fiel in den letzten Jahren durch pauschale Islamkritik und einen Facebook-Post auf, in dem sie Schusswaffengebrauch gegen Flüchtlinge für zulässig erklärte - auch gegen Kinder.
Es war wohl vor allem der Ort der Veranstaltung, der für Ruhe sorgte: Diesmal traf sich die AfD nicht in einem öffentlichen Raum, sondern auf dem Solarboot "Neckarsonne". An Bord kam nur, wer 15 Euro zahlte, um drei Stunden von Schleuse zu Schleuse zu fahren - inklusive Häppchen und "Speed-Dating" mit Storch und dem Heidelberger AfD-Kandidat Malte Kaufmann. So blieben gut 100 Mitglieder und Anhänger unter sich. Entsprechend harmonisch war die Stimmung: Die AfD-ler saßen an kleinen Tischen, unterhielten sich, schimpften über Linke, Frauenquote und politische Korrektheit. Die Anwesenden begrüßten Storch euphorisch, auch die Wahlkämpfer um Kaufmann bekamen Applaus, als sie sich selbst für ihre "gute Arbeit" lobten. Kaufmann zog gar einen historischen Vergleich: "Die AfD ist eine richtige Bürgerbewegung. Das erinnert mich fast an die Zeit des Hambacher Festes."
Storchs Erinnerungen gingen nicht ganz so weit zurück: Die Juristin hatte bis 1997 in Heidelberg studiert und traf bei den Gästen offenbar einen Nerv, als sie von ihrer Studienzeit erzählte. Sie habe oft abends "entspannt auf der Neckarwiese" gesessen. "Wie ich hörte, ist das heute nicht mehr so möglich." Es ist dieses Gefühl, dass nicht mehr alles so schön und sicher ist, wie es mal war, das viele der Besucher zu AfD-Anhängern gemacht hat.
Bei der Veranstaltung ging es nun darum, diese auf den Wahlkampfendspurt einzuschwören: Storch wisse, dass Anhänger sich nicht öffentlich zur AfD bekennen würden - aus Angst etwa, den Job zu verlieren. Einerseits kokettierte die Europa-Abgeordnete mit dieser vermeintlichen Unterdrückung der AfD - stolz erklärte sie etwa, dass sie in Brüssel "keine Freunde gefunden" habe -, andererseits versprach sie den Anhängern, dass sich das ändere, sobald die Partei im Bundestag sitze.
Auch interessant
Nach ihrer Rede ging Storch mit Kaufmann alle Tische ab, blieb ein bis fünf Minuten und stand bei Bier, Lachs- und Schinkenbrötchen für Fragen zur Verfügung. Da ein Großteil der Zeit dabei für Fotos draufging, die fast jeder Gast mit ihr machen wollte, blieb kaum Raum für Diskussionen. Storch holte sich Lob ab, stieß mit den Gästen an und hörte zu, wenn diese sich beklagten, wie schwer sie es in der Öffentlichkeit hätten, wie unsicher das Leben sei und dass sie "nur noch verarscht" würden. Storch griff die Sorgen auf, gab den Leuten Recht und vermittelte den Eindruck, dass ohne die AfD alles noch schlechter werde.
An den Tischen ging sie die relevanten Themen der AfD durch: Die Aufnahme vieler Flüchtlinge sei "deutscher Größenwahn", der Streit um den Diesel habe "nichts mit Umweltschutz zu tun", Diskriminierung treffe vor allem Jungs, die anderen Parteien wollten Bargeld abschaffen, und überhaupt seien alle gegen die AfD. Mit solchen Argumentationen hat sich Storch viele Feinde gemacht, aber eben auch treue Anhänger. Eine Frau zeigte der Abgeordneten etwa ihren Pullover mit Störchen drauf. "Den hab ich extra für heute Abend gekauft", sagte sie stolz und umarmte Storch.
Ein Teil ihrer Gegner demonstrierte aber auch am Montagabend. Als das Solarboot gegen 21.20 Uhr wieder anlegte, standen auf der anderen Straßenseite gut 60 Menschen, um die AfD-Anhänger um Beatrix von Storch wie gerettete Flüchtlinge zu empfangen. "Willkommen in Heidelberg!" und "Ihr seid sicher!", riefen sie ihnen entgegen, vor dem Bootsanleger hatten sie Decken und Stofftiere bereit gelegt. "So geht deutsche Willkommenskultur", erklärte eine Teilnehmerin. Organisiert hatten die Aktion die Gruppe "Heidelberg No to Racism", die Frauen-AG, die SPD, die AfD-Watch sowie das Queerfeministische Kollektiv.



