Abgeschnitten von Heidelberg?

Warum in Ziegelhausen "keiner den Fips-Bus" will

Die Ziegelhäuser wollen ihre Linie 36 behalten. Der "Fips" sei "zu klein und umständlich". Eine Unterschriftenaktion soll Pläne stoppen.

23.05.2023 UPDATE: 23.05.2023 06:00 Uhr 2 Minuten, 29 Sekunden
Bürger aus Ziegelhausen ärgern sich über „Fips“, weil wegen der Einführung des kleinen Shuttles der Takt der großen Linienbusse ausgedünnt ist. Manfred Pfeiler, Annika Kinzinger, Elfriede Mahler, Nadiya und Evelyn Lakh (v.l.) erklären, wo die Probleme liegen. Foto: Philipp Rothe

Von Hannes Huß

Heidelberg. Eigentlich ist Fred Pfeiler vor zweieinhalb Jahren "der guten Luft wegen" nach Ziegelhausen gezogen. Doch so sehr ihm der Stadtteil gefällt, der 72-Jährige fühlt sich vor allem eines: abgeschnitten von Heidelberg. Denn der Bus der Linie 36, die zur Hirtenaue hochführt, fährt seit Anfang dieses Jahres nur noch eingeschränkt: Der letzte Bus fährt um 19.36 Uhr, ein Theaterbesuch oder ein Abendessen in der Altstadt ist also nicht mehr drin, wenn der mobilitätseingeschränkte Rentner abends noch mit dem Bus nach Hause fahren will. Laufen kann er aus dem Ziegelhäuser Ortskern auch nicht, dafür ist die Steigung zu groß. Deshalb ist es kein Wunder, dass der Bus "mittags immer rappelvoll ist", wie es die 89-jährige Elfriede Mahler ausdrückt.

Eigentlich soll es für solche Fälle in Zukunft die Personenshuttles der RNV, "Fips" genannt, geben. RNV-Kunden können sie über eine App oder per Telefon bestellen, um innerhalb von Ziegelhausen und Schlierbach zu fahren. Passen dabei mehrere Anfragen zusammen, werden die Fahrten gebündelt. Die Kleinbusse sollen von fünf Uhr morgens bis 1.15 Uhr in der Nacht im Einsatz sein. Von diesem Plan hält Pfeiler allerdings wenig. So wenig, dass er, gemeinsam mit anderen Nutzern der 36er-Linie, eine Unterschriftenaktion initiiert hat, um die "Verschlankung" des "Bergbusses", wie die 36 genannt wird, zu stoppen.

Laufen ist im Bereich der Linie 36 für viele keine Option: Dafür ist der Stadtteil einfach zu steil. So ist Annika Kinzinger schon ein Kinderwagen auf dem Weg hinauf kaputtgegangen. Auch ein E-Bike ist für Pfeiler keine Alternative: "Dafür ist es auch zu steil." Die 16-jährige Evelyn Lakh berichtet sogar von Freunden, die auf dem Weg von ihrer Wohnung hinab nach Ziegelhausen aufgrund der Steigung hingefallen sind.

Für sie ist eine gute ÖPNV-Anbindung auch eine Frage des Soziallebens: "Ich muss spätestens um 19 Uhr den Bus zurück nach Ziegelhausen nehmen", ärgert sie sich. Mit den "Fips"-Bussen wird das ihrer Meinung nach nur bedingt besser, weil sie keine festen Fahrzeiten haben. Im Zweifelsfall müsste sie nachts alleine für eine ungewisse Zeit warten. "Das will ich als junge Frau nicht." In Mannheim, wo das "Fips" schon fährt, beträgt die durchschnittliche Wartezeit laut RNV acht Minuten.

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Auch dass die "Fips"-Shuttles nur Platz für einen Kinderwagen haben, kritisieren Pfeiler und seine Mitstreiter. Dabei würden in Ziegelhausen viele junge Familien mit kleinen Kindern leben, auch eine Mutter, die einen Zwillingskinderwagen schiebt. "Wie soll das mit diesen kleinen Bussen alles gehen?", fragt sich Kinzinger. Auch für Senioren, die auf einen Rollator angewiesen sind, wäre die geringe Größe der "Fips"-Busse ein Problem: "Zum Mittagstisch im Seniorenzentrum kommen jeden Tag mindestens vier Leute mit Rollator", berichtet Nadiya Lakh. Das würde doch nur dazu führen, dass die Ziegelhäuser wieder mehr auf das Auto angewiesen sind, was vor allem im hohen Alter zu Problemen führen kann: "Sie können dann nicht einfach ihren Führerschein abgeben, um alles mit dem ÖPNV zu machen", so Lakh.

Erst kürzlich hat der 90-jährige Mann von Elfriede Mahler seinen Führerschein abgeben, beide fahren nicht mehr Auto. Seit 29 Jahren haben sie ein Seniorenticket der RNV, wie die 89-Jährige erzählt. Damit unternehmen sie alle Fahrten, sei es zum Arzt oder zum Einkaufen. Mahler ist sich sicher: "Keiner will den ‚Fips‘-Bus." Das sieht der Ziegelhäuser Bezirksbeirat jedoch anders: Das Gremium gab dem Projekt einstimmig grünes Licht.

Tief sitzt indes bei Mahler die Enttäuschung, nicht einmal einbezogen zu werden: "Wir sind seit Ewigkeiten Kunden und wurden überhaupt nicht benachrichtigt." Dass sie nicht gefragt wurden, ist auch für die restlichen Unterstützer ein wunder Punkt: "Letztes Jahr sind immer RNV-Mitarbeiter mitgefahren für die Fahrgastzählung. Da hätten sie doch auch mal fragen können, wie zufrieden wir mit den Bussen sind", ärgert sich Pfeiler. Wenn der Gemeinderat am 29. Juni endgültig über die Einführung der "Fips"-Busse entscheidet, würde er gerne hingehen. Nur: Der 36er-Bus fährt nach der Sitzung ja nicht mehr.

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