Von Barbara Klauß
Schnee, nichts als Schnee. Im Tiroler Talbecken zwischen dem Wilden und dem Zahmen Kaiser taucht der Besucher ein in eine weiße Winterwunderwelt. Und über dem zugefrorenen Walchsee schweben farbenfrohe Ballons am strahlend blauen Himmel. Es ist Ballonwoche im Kaiserwinkl, einer Ferien-Region an der Grenze zu Bayern. Seit 2001 sind hier immer Ende Januar um die 50 Ballonfahrer mit ihren Teams zu Gast. Wenn das Wetter es zulässt, tragen sie Wettkämpfe aus, nehmen zahlende Gäste mit in den Himmel über dieser spektakulären Gebirgslandschaft und bieten ihnen atemberaubende Aussichten auf verschneite Gipfel und Täler.
Entstanden ist die Idee vor 20 Jahren, um auch im "Jännar-Loch", in der Zeit zwischen den Weihnachts- und den Faschingsferien, Gäste in die Gegend zu locken, wie Gerd Erharter vom Tourismusverband Kaiserwinkl erklärt. Und die Idee geht auf: "Wir merken schon, dass wir in dieser Woche mehr Gäste haben als sonst um diese Zeit", sagt er. Und nebenbei zeigt die Region so auch, dass Winterurlaub viel mehr ist als nur Abfahrt-Ski.
Der Kaiserwinkl, eingebettet zwischen den Chiemgauer Alpen im Norden und dem Zahmen Kaiser im Süden, mit seinen zahlreichen Seen, Tälern und Ebenen und seinen vier beschaulichen Gemeinden ist kein Wintersport-Hotspot. Die Region macht nicht mit bei der "Größer, steiler, länger"-Schau – der Suche nach immer neuen Rekorden, mit denen andere Gebiete um zahlende Gäste werben. Hier geht es eher ruhig und traditionell zu. Tirol wie aus dem Bilderbuch – mit Holzhäusern, an denen glitzernde Eiszapfen von den Dachrinnen hängen.
Rodeln gehört hier zum Urlaub dazu. Nicht nur für Kinder, sondern auch für Erwachsene. Und auch nachts. Von Walchsee aus kann man am frühen Abend zur urigen Ottenalm hinaufklettern. Zwei Kilometer lang zieht sich der Weg zwischen gut zwei Meter hohen Schneewänden leicht den Berg hinauf, erst durch den verschneiten Wald, später durch schneebedeckte Felder. 250 Höhenmeter sind zu überwinden. Dann steht man auf etwa 1000 Metern Höhe vor der Hütte, die sich in die Wiese duckt. Im Sommer grasen hier Kühe, nun ist sie ein beliebtes Ausflugsziel.
Drinnen herrscht schummriges Licht, im Kamin brennt ein Feuer, an den Fenstern hängen rot-weiß-karierte Vorhänge, an den Wänden ausgestopfte Vögel. Der Chef, Wolfgang Buchauer, steht in einer Ecke und spielt Akkordeon. "Auf der Ottenalm muss man gewesen sein", singt er. Später gesellt er sich zu den Gästen an den derben Holztischen, erzählt zotige Witze und gibt Schnäpse aus, während seine Tochter Petra Gulasch, Knödel und Spätzle serviert.
Dreifacher Österreichischer Meister im Biathlon, heute Langlauflehrer: Markus Weingartner.Nach dem Mahl – es ist inzwischen dunkel geworden – kann man vor der Alm auf einen Holzschlitten steigen. Eine Stirnlampe beleuchtet den Weg, nur wenige Straßenlaternen stehen an der Strecke. Dann geht es schnell den kurvenreichen Weg hinunter über die Wiesen, hinein in den Wald. Immer wieder muss man Wanderern ausweichen, die Holzschlitten auf dem Rücken tragen.
Natürlich lässt sich der Kaiserwinkl auch wunderbar auf Langlaufskiern erkunden, wobei der Loipenlauf hier direkt beim Meister erlernt werden kann: Mühelos gleitet Markus Weingartner über den Schnee, früher war er Biathlet, dreifacher Österreichischer (Jugend und Junioren) und mehrfacher Tiroler Meister, heute ist er Langlauf- und Biathlon-Lehrer und bietet unter anderem Schnupperkurse in Kössen an. Wer bereits sicher auf Langlauf-Skiern steht, kann auch einen Skating-Kurs machen, eine Technik, bei der der Schlittschuhschritt verwendet wird.
Auf der Übungsloipe beim "Nordic Center Kössen" zeigt Weingartner bei einem Schnupperkurs, wie sich die Langlauf-Anfänger mit einem Bein anschieben und auf dem anderen durch die Spur gleiten können. Die ersten Erfolgserlebnisse stellen sich schnell ein. Sanft gleiten die Schüler über das weiße Feld. Langlauf sei eine der gesündesten Sportarten überhaupt, sagt Weingartner. Rund 95 Prozent der Muskulatur werden beansprucht, erklärt der 49-Jährige, der im Alter von vier Jahren mit dem Langlauf angefangen hat. "Man ist in der Natur, häufig sogar allein. Da bekommt man den Kopf richtig frei."
Ein Eisstock liegt neben dem „Hasen“: traditionelles Eisstockschießen in Tirol.19 Loipen gibt es im Talbecken am Fuße des Wilden und Zahmen Kaisers – 121 Kilometer für klassischen Langlauf und 119,5 Kilometer für Skating – sowie eine 1,5 Kilometer lange kostenlose Nachtloipe. Perfekte Bedingungen also für Anfänger und anspruchsvolle Sportler.
Nur wenige Kilometer entfernt liegt auf einer Anhöhe der Staffnerhof, ein traditioneller Gasthof, bei dem man einem alten Volkssport nachgehen kann: dem Eisstockschießen. Idyllisch erhebt sich am Rand eines Waldes ein langes Holzdach aus den Schneemassen. Es überspannt eine knapp 30 Meter lange Eisfläche, auf der ein kleiner Holzklotz, hier "Hase" genannt, liegt. Die Spieler treten in zwei Mannschaften gegeneinander an und "schießen" die schweren Eisstöcke – runde Holzteller, eingefasst von einem Eisenring, mit einem langen Holzstiel – abwechselnd möglichst dicht an den Hasen heran. Mit einer Hand schwingen die Spieler den Eisstock am Stiel neben dem Köper und setzen ihn dann schwungvoll auf die Eisfläche auf, sodass er Richtung Hase gleitet. Ähnlich wie beim Boule oder Bowling können auch Anfänger Glückstreffer landen. Mit Übung freilich wird es besser. Und beim Zählen der Punkte ist es hilfreich, jemanden dabei zu haben, der sich auskennt.
Eisstockschießen ist Tradition im Kaiserwinkl, es gibt Wettkämpfe und Meisterschaften. In allen Orten gebe es Vereine, erklärt Erharter. Oft treffe man sich auf einer der Eisstockbahnen – zum Spielen und Trinken. Nur sollte man an warme Socken und Schuhe denken, sonst spürt man schnell seine Füße nicht mehr. Immerhin stehen die Spieler die ganze Zeit über auf Eis.
Redakteurin Barbara Klauß im Skigebiet Hochkössen.Neben all der Tradition, neben Kutschfahrten um den See, Schlittschuhlaufen und Snowtubing, bei dem man in Gummireifen schnell den Hang hinunterrutscht, kommen aber natürlich auch Freunde des Abfahrtsskis im Kaiserwinkl auf ihre Kosten. Etwa in Hochkössen. Mit einer Gondel überwindet der Gast rund 860 Meter und findet sich auf rund 1500 Metern Höhe auf einem Berghang mit malerischem Blick ins Tal und die umliegenden Berge wieder.
Dieses Skigebiet, wohl eines der traditionsreichsten Tirols, mit seinen elf Liften und 22 Pistenkilometern ist nicht spektakulär. Der Gast, der vor 20 Jahren zum letzten Mal hier war, findet sich auf Anhieb wieder zurecht. Aber die Pisten aller Schwierigkeitsgrade sind bestens präpariert. Neben schwarzen, roten und blauen gibt es auch eine extra ausgewiesene Familienabfahrt. Der Tourismusverband bewirbt die Region als schneesicher, von Dezember bis April. Von Anfang Januar bis Ende März liege auf jeden Fall Schnee, meint Obmann Erharter. Und sollte der mal nicht ausreichen, so wird beschneit. Doch das ist meistens gar nicht nötig. Der Schnee türmt sich im Winter überall und reiche in der Regel für die ganze Saison, freut sich der Obmann.