Auf größeren Flüssen gibt es oft automatische Schleusen, die leicht zu bedienen sind.
Von Brigitte Bonder
Mit knapp 1200 Motorumdrehungen tuckert die weißblaue "Tango" gemütlich über den Canal de la Marne au Rhin durch das hübsche Städtchen Saverne. Bunte Häuser säumen den schmalen Kanal und hinter der nächsten Biegung wartet wieder eine Schleuse auf das elfeinhalb Meter lange Hausboot. Die Ampel steht auf Rot. Der frischgebackene Freizeitkapitän Tim Lange stellt den Gashebel in eine neutrale Position, Frau und Tochter haben die blauen Leinen an Bug und Heck bereits in der Hand. Plötzlich öffnen sich die Tore, die Ampel springt auf "Grün" und der Schiffsneuling steuert das Boot in das leere Becken direkt unterhalb des voll besetzten Restaurants "La Marne".
Neugierig schauen die Mittagsgäste hinüber, als der Kapitän mit röhrendem Bugstrahlruder die Fahrtrichtung noch einmal korrigiert. Dann wirft seine Crew die Taue schwungvoll über die Poller und aktiviert mit der blauen Stange am Ufer die automatische Schleuse. Rasch beginnt das Boot zu sinken und nach wenigen Minuten sind gut vier Höhenmeter überwunden. Als sich die Tore öffnen, gibt Tim Lange wieder vorsichtig Gas und steuert das Hausboot in Richtung Straßburg.
Rund 24 Stunden dauert die 104 Kilometer lange Fahrt vom elsässischen Hesse über Straßburg nach Boofz-heim. Dabei sind insgesamt 44 Schleusen zu absolvieren. Familie Lange hat die einzelnen Etappen der einwöchigen Tour vorab geplant und begibt sich am frühen Nachmittag des ersten Reisetags an Bord ihrer schwimmenden Ferienwohnung. Die "Tango" verfügt über zwei Schlafzimmer, ein Bad und eine separate Dusche, einen Salon mit vollausgestatteter Küche samt Kühlschrank und Gasherd sowie ein großes Sonnendeck. Und natürlich das für Anfänger wichtige Bug-strahlruder. Gefahren wird entweder am Steuerstand im Salon oder an Deck.
"Von oben habt ihr den besten Überblick", rät Eddie bei der Einweisung im Hafen von Hesse. Da Urlauber für die Fahrt auf dem Kanal keinen Führerschein benötigen, gibt es einen Schnellkurs vor der Abfahrt. "Wir fahren jetzt ein paar Meter, wenden am Ende des Hafens und parken wieder rückwärts ein", lauten seine knappen Anweisungen. Überraschenderweise besitzt das Boot keine Geschwindigkeitsanzeige. "Bei Vollgas ist die Tango auf die erlaubten acht Stundenkilometer gedrosselt, bei etwa 1200 Umdrehungen erreichen wir die in Häfen zulässige Geschwindigkeit von drei Stundenkilometern", erklärt Eddie und muntert den Kapitän zum Beschleunigen auf.
Nach den ersten Manövern springt der Franzose von Bord und lässt den Familienvater am Steuer allein. Vorsichtig schiebt dieser den Gashebel nach vorn und das Boot gleitet mit Schrittgeschwindigkeit über den Kanal. Für heute ist nur eine kurze Tour geplant und nach einer Dreiviertelstunde steuern die Langes das Ufer an, denn an geeigneten Stellen darf man im Elsass "wild" anlegen. Dafür gibt es große Metallheringe an Bord, die zur Befestigung der Taue in den Uferboden geschlagen werden. Lediglich für das Auftanken von Wasser legen die Hausboot-Urlauber alle drei Tage in einem Hafen an.
Die Strecke von Hesse nach Boofz-heim ist voller Highlights. Direkt nach zwei langen Tunnels taucht das berühmte Schiffshebewerk von Arzviller auf der Karte des Gewässerführers auf. Das 1969 eröffnete Bauwerk ersetzte die 17 Schleusen im Tal der Schleusenwärter und verkürzte die ursprüngliche Tagestour auf wenige Minuten. In einer 900 Tonnen schweren "Badewanne" werden die Schiffe hier über einen Schrägaufzug befördert. Anschließend steht die hübsche Stadt Saverne auf dem Programm, wo sich das Anlegen im Hafen direkt am Schloss Rohan lohnt.
Nach einem kurzen Stopp direkt am Outlet-Center von Vendenheim wartet mit Straßburg ein weiterer Höhepunkt auf die Hausboot-Fahrer. Tim Lange lenkt das Schiff direkt am Europaparlament vorbei, biegt dann in den Rhein-Rhone-Kanal ab und legt im Port de Plaisance an. Von hier brauchen die Bootsfahrer nur eine knappe halbe Stunde zu Fuß in die Stadt. Straßburg ist ein absolutes Kontrastprogramm. Vor dem berühmten Münster mit der astronomischen Uhr drängen sich unzählige Urlauber, Kleinkünstler bevölkern den trubeligen Marktplatz.
Nach einem halbtägigen Sightseeing-Ausflug sind die Langes froh, wieder an Bord ihrer "Tango" zu sein und schippern am letzten Tag der Reise gemütlich über den Rhein-Rhone-Kanal gen Süden. Unterwegs sind noch einmal zehn Schleusen zu absolvieren, doch das ist mittlerweile Routine. Am späten Nachmittag fährt Kapitän Tim Lange ein letztes Mal in das schmale Becken hinein und parkt die "Tango" im Hafen von Boofz-heim - ganz ohne Bugstrahlruder.