San Pietro/Insel vor Sardinien

Berühmtheit spielt hier keine Rolle

Ins Restaurant "Da Nicolo" auf San Pietro kehren gerne Promis ein. Sonst gibt sich Sardiniens Nachbarinsel bodenständiger.

09.12.2023 UPDATE: 09.12.2023 06:00 Uhr 3 Minuten, 54 Sekunden
Die Altstadt von San Pietro. Foto: Helge Sobik

Von Helge Sobik

Am Ende musste er an Deck der Yacht essen, mit der er gekommen war. Dabei hätte Antonello Pomata ihm gerne geholfen und konnte trotzdem nur mit den Schultern zucken: "Kein Tisch frei diesen Abend, nicht mal ein Stuhl. Und an den nächsten fünf, sechs Abenden auch nicht." Nicht mal für Tom Cruise mit Gefolge. Alles reserviert. Wie immer im August, wie üblich um diese Jahreszeit im besten Restaurant von Carloforte auf der Insel San Pietro gut sieben Kilometer vor der Südspitze Sardiniens.

Ins "Da Nicolo" in vorderster Linie mit Blick auf den Yachthafen kommen sie alle: die, die dann doch ganz gern gesehen werden wollen und die, die darauf gut verzichten können und einfach nur sehr gut essen möchten – unter Palmen und Platanen, zwei Schritte von der Hafenzeile aus alten Fischerhäusern, 15 Schritte vom Mittelmeer.

Italienische Fußball-Stars kehren hier ein, die Fiat-Besitzerfamilie Agnelli, der Bulgari-Juwelen-Clan – und viele mehr, an die Antonello und sein Vater Nicolo sich aus Diskretion gar nicht erst erinnern. Die meisten von denen reisen mit einer Yacht an, und alle reservieren zur Sicherheit vorher. Und da gilt völlig unabhängig von etwaiger Berühmtheit: Wer zuerst kommt, der mahlt zuerst.

Hintergrund

Infos: 

Anreise: Flüge nach Olbia im Norden Sardiniens oder Cagliari im Süden mit Eurowings (www.eurowings.com) ab verschiedenen deutschen

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Infos: 

Anreise: Flüge nach Olbia im Norden Sardiniens oder Cagliari im Süden mit Eurowings (www.eurowings.com) ab verschiedenen deutschen Städten; Tickets realistisch ab ab 100 Euro pro Strecke . Überfahrt nach San Pietro mit der Fähre rund 20 Euro pro Strecke inklusive Auto.

Unterkunft: Doppelzimmer mit Frühstück im Vier-Sterne-Hotel "Lu´ Riviera" in Carloforte ab 58 Euro/Nacht pro Person im Doppelzimmer bei FTI; www.fti.de

Essen & Trinken: Wer im "Da Nicolo speisen möchte, sollte darauf achten rechtzeitig vor Ort zu sein; www.ristorantedanicolo.com

Weitere Infos: www.enit.it

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Wichtig ist das ohnehin nur im August, wenn ganz Italien zeitgleich Urlaub macht. In allen anderen Monaten ist viel weniger los und fast immer auf Anhieb ein Tisch im "Da Nicolo" zu bekommen. Aber offenbar hat niemand Mister Cruise davon im Voraus erzählt.

Nachdem der Mann aus Hollywood am Eingang im Stehen in die ausgehängte Speisekarte geschaut hatte, mochte er nicht mehr woanders hingehen oder sieben Tage auf einen Sitzplatz warten. Er bestellte einfach außer Haus: Filet vom St.Petersfisch mit Babykartoffeln, Rinderfilet mit Pecorino-Kruste, Tempura-Crêpes gefüllt mit Muscheln und Scampis, dazu Salate und Mozzarella-Tomaten mit Basilikum und Balsamico. Leider war kein Kellner frei, um all das zur Yacht zu tragen: zu viel los um diese Zeit. Antonello Pomata tat es wirklich leid.

Cruise & Co schleppten deshalb selber und wirkten sogar so, als ob sie durchaus Spaß daran gehabt hätten. Spät am Abend konnte Antonello immerhin ein paar Mitarbeiter schicken, um das Geschirr wieder abzuholen.

Auf vorgelagerten Insel San Pietro geht es anders zu als an der Costa Smeralda von Sardinien. Hier interessiert keinen, was der andere macht und man lebt bodenständig. Foto: Sobik

Fast überall sonst in der Welt hätte der Wirt andere Gäste ausgeladen oder von irgendwo her ein paar zusätzliche Möbelstücke organisiert, wenn ein Hollywood-Star vor der Ladentür steht: hier nicht. Nicht aus Bosheit, schon gar nicht aus Arroganz. Einfach aus Bodenständigkeit. Und weil nun mal alles reserviert war. "Wissen Sie", sagt Antonello, während er nach der kleinen Geschichte wieder seine große Hornbrille mit den schwarz-grünen Bügeln aufsetzt, "die Insel San Pietro gehört zwar irgendwie zu Sardinien, aber wir sind das krasse Gegenteil der Costa Smeralda, wo die meisten Yachtbesitzer und viele Superreiche unterwegs sind. Wir sind bodenständig, einfach, fern von großer Show." Er nippt an seinem Glas mit kühlem Vermentino vom einzigen Insel-Weingut. "Hier interessiert keinen, was der andere zuhause macht und wer er ist. Ein Millionär? Na und. Ein Werftarbeiter? Warum nicht? Hauptsache, alle sind irgendwie glücklich. Einen Prominenten-Bonus gibt es auf San Pietro nicht."

54 Quadratkilometer groß ist die Insel, Bruchteil der Fläche Sardinens, nur knapp mehr als die halbe Größe von Sylt. Gut 6200 Menschen leben hier, fast alle in der Hauptstadt Carloforte. Fünf Straßen erschließen den Rest der Insel, jede strahlenförmig in eine andere Richtung, und wer von der einen Piste auf die andere will, muss immer erst wieder zurückkommen an den Ortsrand von Carloforte.

Die Gassen hier sind schmal, die Altstadt ist verkehrsberuhigt, und allzu viele Autos gibt es sowieso nicht. Weil Carloforte am Hang liegt, kommen nicht mal die Vespas und Mopeds überall durch. Ihnen sind zu viele Stufen im Weg.

Carloforte - die Hauptstadt. Der Ort wurde im ligurischen Baustiel errichtet. Foto: Sobik

Nur wenige Hotels gibt es, ein paar Pensionen, 300 Gästezimmer insgesamt bloß, dazu viele Häuschen, die überall auf der Insel in die Landschaft gewürfelt und meist von dichtem Grün umgeben sind, von Strandhafer oder riesigen Disteln, von Zistrosen und Wacholder, von Aleppo-Kiefern und Steineichen. Meistens gehören sie ebenso wie viele der kleinen Stadthäuser und Eigentumswohnungen Festland-Italienern, die sie als Sommerquartiere nutzen und nur den August hier verbringen. Und höchstes Gebäude zumindest der Altstadt ist ähnlich wie in St.Tropez der Kirchturm.

Die betagten Autofähren vom Festland, die 35 Minuten für die Überfahrt brauchen, machen ebenso wie die privaten Ausflugsschiffe der Leute mit dem pralleren Geldbeutel direkt vor der ersten Häuserzeile und den Platanen fest – dort, wo von den Balkonen die Wäsche zum Trocknen hängt. Dort, wo manche Fassade mit Blumentöpfen dekoriert ist und die Fahrräder der Kinder nicht weit auf der kleinen Piazza Repubblica an den Holzbänken lehnen. Da hocken die Alten und plaudern, während manche der etwas Jüngeren entlang des Corso Cavour im Erdgeschoss ihrer schmalen Häuser hinter sperrangelweit geöffneten Holztoren sitzen und von Hand Reusen und Netze flicken. Die Jungen unterdessen kicken zwischen der in hellem Gelb getünchten Kirche und dem kleinen Laden mit den Strandsandalen und den Sonnenhüten an der Piazza. Die Kleineren stehen Schlange an der Eisdiele, wo der Renner der Saison wieder mal Stracciatella heißt. Hausgemacht, natürlich.

Kilometerlanger Strand von San Pietro.

Wer zum Strand will, muss ein Stück laufen und erst an der Lagune mit all den Flamingos vorbei - hinaus aus dem Ort Richtung Osten. Denn den einen langen Parade-Strand gibt es hier nicht, dafür viele kleine Buchten: so schön wie drüben auf Sardinien. Spiaggia la Bobba zum Beispiel oder Spiaggia la Caletta, den schönsten Strand der Insel. Der Sand ist hell, das Wasser klar. Es schillert in schönstem karibischen Türkisblau, als hätte der liebe Gott klammheimlich einen überdimensionierten Pol-Filter vor die gesamte Kulisse geschoben. Diesen Nachmittag sind dort fünf Badelaken ausgebreitet, ein paar Ruderboote hoch auf den Strand gezogen. Ganz vorne, wo die letzten Ausläufer der Wellen haarscharf heranreichen, da stecken diesmal zwei Plastik-Kinderstühle im Sand. Und manchmal schauen von der Seeseite sogar ein paar Delfine nach den Urlaubern an Land.

Ob unterdessen Tom Cruise wiederkommen will? "Weiß nicht", sagt Antonello Pomata. Zumindest hat er bislang nicht reserviert." Dafür war kürzlich Johnny Depp da. Er hat auf Anhieb einen Tisch bekommen. Wie es dazu kam? "Ganz einfach", sagt Antonello. "Es war Juni. Und da ist es kein Problem."