Oldtimer-Traktoren

Knatterndes Cabrio-Feeling

In der Landwirtschaft haben sie ausgedient. Raus dürfen die Oldtimer-Traktoren weiterhin, wenn Touristen auf ihnen durchs Ostallgäu tuckern.

16.08.2025 UPDATE: 17.08.2025 04:00 Uhr 3 Minuten, 2 Sekunden
Die ausgearbeiteten Routen führen auf kleine Straßen fernab vom Durchgangsverkehr. Nur landwirtschaftliche Wege sind tabu, weil die Oldtimer-Traktorfahrt zum Vergnügen stattfindet und nicht der Arbeit dient. Foto: privat

Von Maren Recken

Der Eicher sei sehr kernig, der Fendt eher unkompliziert kraftvoll, der Porsche ein kleiner, leichter und der MC Cormick liefe am rundesten und leisesten. "Wobei leise relativ ist." Michael Strobel muss nicht lange nachdenken, wenn es darum geht, seine Oldtimer-Traktoren zu beschreiben. Der Betriebswirt vermietet in Nesselwang, im bayerisch-schwäbischen Landkreis Ostallgäu, Oldtimer-Traktoren, die bis zu 70 Jahre auf dem Buckel haben.

Wer seit mindestens fünf Jahren ohne Unterbrechung einen Führerschein Klasse B oder 3 besitzt, ein Schaltgetriebe beherrscht, mindestens 1,65 Meter misst und noch weitere Eigenschaften erfüllt, darf nach einer kurzen praktischen Einweisung mit dem Oldtimer-Traktor die beschauliche Landschaft rund um den Luftkurort Nesselwang erkunden: Cabrio-Feeling mit Rattern und Knattern und ohne vor Zugluft schützendem Windschott.

Ein Erlebnis, das ich am eigenen Leib ausprobieren möchte. Führerschein und Erfahrung mit Schaltgetriebe: kein Problem. Die erforderliche Mindestgröße kommt gerade so hin, aber vielleicht lässt sich dieses Manko ja mit reichlich Erfahrung am Steuer von Oldtimer-Cabrios wettmachen. Die haben schließlich auch weder Servolenkung noch Bremskraftverstärker.

"Eigentlich kann jeder Traktor fahren", erklärt Michael Strobel, bevor es zur praktischen Grundeinweisung geht. Für meine erste Fahrt mit einem Oldtimer-Traktor hat Strobel den MC Cormick, Baujahr 1960, ausgesucht. "Der ist von der Bedienung her der ideale Einsteiger-Traktor", erklärt er. Vor allem darum, weil es beim Schalten kein Zwischengas braucht und er ohne Doppelkupplung funktioniert. "Toll", freue ich mich, "schon eine Sache weniger, auf die es sich zu konzentrieren gilt."

Dass es trotzdem einiges zu beachten gibt, zeigt der Praxistest nach theoretischen Einweisung schnell. Was war das noch mal? Zündschlüssel nicht umdrehen, nur reindrücken. Anfahren im fünften, fahren im sechsten Gang, die anderen Gänge nicht benutzen. Beim Runterschalten aus dem sechsten in den fünften Gang innerlich kurz "Einundzwanzig" sagen und eine kleine Pause im Leerlauf einlegen. "Das braucht der Traktor, weil das Getriebe nicht synchronisiert ist", erklärt der Besitzer der Oldtimer-Traktoren und fügt hinzu: "Während der Fahrt gar nicht runterschalten. Sonst braucht es auch beim MC Cormick doch Zwischengas. Der Tipp des Fachmanns: Lieber kurz anhalten, wenn der sechste Gang zu untertourig wird und im fünften Gang wieder neu anfahren. Zu guter Letzt: Bergab nicht schneller als 19 oder 20 Stundenkilometer fahren, und wenn es steiler wird, etwas mitbremsen. Sonst überdreht der Motor und könnte Schaden nehmen.

Beim ersten, probeweisen Kupplung-Treten erschließt sich mir auch, warum etwas von Mindestgröße in den AGBs der Traktorvermietung steht. Die Kupplung ist reichlich derbe. Will heißen, ich muss sie durchtreten bis sie auf dem Bodenblech aufschlägt. Sind die Beine wie in meinem Fall etwas kurz geraten, ist das gar nicht so einfach. Ungewohnt ist auch, dass die Kupplung auf der einen und Gas- und Bremspedal auf der anderen Seite des Kühlergrills, relativ weit auseinanderliegen. So breitbeinig zu sitzen ist nicht wirklich ladylike.

Die erste Runde drehe ich im Hof und glaube kaum, wie schnell eine Höchstgeschwindigkeit von unter 20 Stundenkilometern wirken kann, wenn ich gleichzeitig fürchte, den Traktor unter meinem Allerwertesten nicht wirklich im Griff zu haben. Auch die Redewendung "in die Eisen steigen", bekommt bei einer, vom Traktorvermieter angeordneten, Vollbremsung eine ganz neue Bedeutung. Die Bremse ist mindestens genauso derbe und schwer durchzutreten wie die Kupplung. Trotzdem rattere ich kurz darauf auf dem geliehenen Oldie-Traktor über ruhige Nebenstraßen. Die Führung hat ein von Michael Strobel programmiertes GPS-Gerät übernommen. Je nach gewünschter Ausflugsdauer reichen die Tourenvorschläge von zwei bis acht Stunden. Einkehrpausen oder andere Fahrtunterbrechungen einkalkuliert.

Die Lenkung bleibt zwar etwas schwammig und die Straße wird, wenn große Traktoren, die noch beim Bauern in Lohn und Brot stehen, entgegenkommen bedrohlich eng. Alles in allem wird das Gefühl, den Traktor im Griff zu haben, aber mit jedem zurückgelegten Kilometer größer. Auch ohne Servolenkung und Bremskraftverstärker.


INFORMATIONEN

Anreise: Mit dem Auto über die A7, Ausfahrt Nesselwang, ca. drei Kilometer bis Ortsmitte. Mit dem Zug nach Kempten, dort Umstieg Richtung Nesselwang. Die Oldtimer-Traktor-Vermietung Strobel befindet sich im Rindegger Weg 4 in Nesselwang.

Übernachten: Hotel Gasthof Post, Drei-Sterne-Superior-Hotel mit Brauereigasthof in zentraler Lage von Nesselwang, seit 1883 in Familienbesitz. DZ/Nacht ab 127 Euro, Frühstück/Person 15 Euro: www.hotel-post-nesselwang.de/hotel 

Essen & Trinken: Schlossbergalm Zell. Regionale Gerichte in der unterhalb der Burgruinen Hohenfreyberg und Eisenberg gelegenen Alm, bei guter Sicht mit Alpenpanorama und Blick auf Schloss Neuschwanstein. Öffnungszeiten: Di bis Sa ab 10 Uhr, sonntags 10 bis 18 Uhr: www.schlossbergalm.de/startseite.html 

Ausfahrten: Von April bis Oktober, samstags sowie an Sonn- und Feiertagen nur mit Voranmeldung. Während der Ferienzeit empfiehlt sich auch wochentags eine Voranmeldung. Pro Traktor können, zusätzlich zum Fahrer, zwei Erwachsene und bis zu zwei Kinder mitfahren.

Anforderungen Fahrer: Mindestalter 25 Jahre, Höchstalter 70 Jahre, seit mindestens fünf Jahren ohne Unterbrechung Führerschein Klasse B oder 3 für Schaltfahrzeuge, Maximalgewicht 100 Kilo, Mindestgröße 1,65 Meter.

Preise: (inklusive Kraftstoff) ab zwei Stunden 65 bis zu acht Stunden 165 Euro. Die Einweisung erfolgt außerhalb der Mietzeit.

Weitere Infos: www.traktorausflug.de

Fazit der Recherche im Selbstversuch: Fahren geht leicht. Bremsen und Kuppeln braucht ganz schön Kraft. Foto: Recken