Rheumatische Erkrankungen betreffen nicht nur Ältere. Morbus Bechterew etwa äußert sich vor allem durch frühmorgendliche Schmerzen in der Lendenwirbelsäule und tritt am häufigsten ab dem zweiten und dritten Lebensjahrzehnt auf. Foto: Thinkstock
Prof. Hanns-Martin Lorenz im Interview
Von Constanze Werry
Prof. Lorenz
Rheuma ist ja ein Sammelbegriff, der mehr als 100 Krankheitsformen umfasst - bei welchen Symptomen sollte ich hellhörig werden?
Das Klassische sind Gelenkschmerzen, die vor allem in der zweiten Nachthälfte auftreten und morgens zu einer Morgensteifigkeit führen. Sprich: Der Patient kann sich über einen Zeitraum von etwa einer halben Stunde bis Stunde nicht so richtig bewegen. Das ist allerdings nur eins der Symptome. Es kann zum Beispiel auch erhöhte Temperatur auftreten, ohne dass ein spürbarer Infekt vorliegt oder Nachtschweiß. Es gibt eine Myriade von Symptomen bei den diversen rheumatischen Erkrankungen. Aber recht typisch sind eben Gelenkschmerzen, untypische Infektionszeichen, Morgensteifigkeit und nächtliche Wirbelsäulenschmerzen.
Rheuma ist eine chronische Angelegenheit und bisher noch nicht heilbar - aber die Symptome lassen sich lindern. Kann Sport sie positiv beeinflussen?
Bewegung ist immer gut - Sport muss es nicht immer sein, aber Bewegung ist gut. Das kann Radfahren sein, Spazierengehen oder auch Schwimmen. Sport im Sinne von Ausdauertraining oder Training muss nicht sein, aber Bewegung ist immer gut.
Ist Rheuma eine Frage des Alters?
Ja und nein. Es gibt ein- oder zweijährige Kinder, die schon rheumatische Erkrankungen bekommen. Es gibt Krankheiten, die nach der Pubertät ihren Gipfel haben - und es gibt natürlich klassische altersrheumatische Erkrankungen. Da wäre etwa die Arthrose, also der Gelenkverschleiß, der zum Alter hin häufiger wird.
Wann kühle und wann wärme ich denn eine schmerzende Stelle?
Arthritis, eine Gelenkentzündung, geht mit der Entwicklung von Wärme einher. Entsprechend würde ich bei einer Gelenkentzündung eher kühlen. Bei der Arthrose - also der Abnutzung - ist dagegen Wärme besser. Jetzt im Herbst, wo es allmählich kühler wird, haben Arthrose-Patienten die meisten Probleme.
Das Motto des aktuellen Welt-Rheuma-Tages lautet "Rheuma kommt selten allein" - wie ist das zu verstehen?
Es ist gemeint, dass diese rheumatischen Erkrankungen immer Systemerkrankungen sind - also viele weitere Krankheiten nach sich ziehen. Wir wissen, dass bei entzündlichen Krankheiten mehr Schlaganfälle auftreten und auch mehr Herzinfarkte. Da gilt es dann natürlich auch querfeldein nach weiteren Risikofaktoren zu schauen, um herauszufinden, ob wir die Therapie noch weiter streuen müssen. Ist das Cholesterin hoch? Wie steht es um den Blutdruck? Raucht der Patient? Mit dem Rauchen muss unbedingt aufgehört werden!
Das heißt, wenn ich den Verdacht habe, ich könnte an Rheuma leiden, dann sollte ich die Behandlung nicht auf die lange Bank schieben?
Ja, absolut. Das sind natürlich langfristige Risiken - der Herzinfarkt tritt nicht gleich nach zwei Wochen auf, zumindest nicht, wenn er im Zusammenhang mit beginnendem Rheuma steht. Aber mittel- und langfristig ist die Inzidenz erhöht und eine chronische Folge dieser lang anhaltenden Entzündungsreaktionen.
Info: Die Arbeitsgemeinschaft Heidelberg/Wiesloch der Rheuma-Liga lädt am Mittwoch, 17. Oktober, zu einem Vortrag von Prof. Hanns-Martin Lorenz ein. Er spricht um 19 Uhr im Paritätischen Forum am Park in Heidelberg (Poststraße 11) über "Infektion und Infektionsprophylaxe bei entzündlichen rheumatischen Erkrankungen".