Bei manchen Spielen bekommen Eltern Bauchschmerzen. Foto: dpa
Von Tobias Hanraths
"Aber alle spielen das!" Was für Kinder und Jugendliche ein scheinbar todsicheres Argument ist, lässt viele Eltern nur die Augen rollen. Soll ich das neueste Ballerspiel wirklich nur deshalb erlauben, weil die ganze Klasse jeden Nachmittag davorhängt? Nein, oder? Experten sagen: Doch, kann schon sein.
Immer wieder gibt es Videospiele, die nicht nur erfolgreich sind, sondern die zu einem Massenphänomen werden: allen voran "Fortnite", je nach Messtechnik vielleicht das erfolgreichste Spiel überhaupt. Das Problem: "Fortnite" hat zwar eine bunte Comic-Grafik und fröhlich tanzende Spielfiguren. Es ist aber auch ein Shooter. Wer gewinnen will, muss der letzte Überlebende von 100 Spielern sein - und das wird man nur, indem man die Konkurrenz erschießt.
Wie brutal ist "Fortnite"?
"Es ist bei ,Fortnite’ schon so, dass es da diesen Wettbewerbsgedanken gibt, ein sehr kampfbetontes Setting", sagt Diplom-Sozialpädagoge Daniel Heinz, der den Spieleratgeber NRW leitet. "Auch wenn die Brutalität im Vergleich zu anderen Shootern doch deutlich reduziert ist." Das bedeutet konkret: Es wird zwar geschossen, Blut fließt allerdings nicht, und die Spielfiguren sterben auch nicht.
Dementsprechend milde fällt auch die jüngst veröffentlichte Einstufung der Unabhängigen Selbstkontrolle (USK) aus, die in Deutschland für die Altersfreigabe von Spielen zuständig ist: Der sogenannte Battle-Royale-Modus, das populäre Herzstück von "Fortnite", ist wie der Rest des Spiels ab 12 Jahren freigegeben.
Eltern brauchen eine eigene Meinung
Selbst Experten sind sich nie ganz einig, wenn es um die Einschätzung populärer Spiele geht. Eltern kommen deshalb nicht darum herum, sich die Spiele selbst anzuschauen, sagt Heinz: "Eltern brauchen in solchen Diskussionen eine klare Haltung, die sie dann auch authentisch vertreten können. Das bedeutet aber auch, sich ein umfassendes Bild zu machen."
Wer ein Spiel kennenlernen will, muss nicht unbedingt selbst zu Controller oder Smartphone greifen. Zum einen gibt es Webseiten wie die Spielbar oder den Spieleratgeber NRW, die Texte zu aktuellen Spielen veröffentlichen. Hinzu kommen Live-Streams oder Mitschnitte von Spielen, sogenannte Lets-Plays, verfügbar auf Plattformen wie Youtube und Twitch. Und natürlich können Eltern ihrem Kind beim Spielen auch über die Schulter schauen. "Da investiert man eine Stunde, und dann hat man einen ganz ordentlichen Eindruck", sagt Familienbloggerin Patricia Cammarata - und plädiert dringend dafür, sich diese Zeit auch zu nehmen.
Gruppendruck als Argument
Was tun, wenn das Kind allen Bedenken ein "Das spielen alle!" entgegenhält? "Wenn so ein Hype aufkommt, kann es schon passieren, dass sich Jugendliche ausgeschlossen fühlen, wenn alle auf dem Schulhof darüber reden", sagt Daniel Heinz und rät deshalb, das Gruppendruck-Argument zumindest nicht komplett beiseite zu wischen. "Das Argument, dass ,alle’ in der Klasse etwas spielen oder nutzen, kann durchaus zählen", sagt auch Cammarata. Allerdings rät sie gerade bei etwas Jüngeren auch, erst einmal bei anderen Eltern nachzuhorchen.
Verbote helfen kaum
"Ich glaube nicht an Verbote", sagt Cammarata. Stattdessen empfehlen die Experten Kompromisse und Mittelwege. "An ,Fortnite’ kann man auch unabhängig vom Spiel teilnehmen, indem man zum Beispiel Sachen auf Youtube anguckt", sagt Cammarata. "Bei Achtjährigen, die das vielleicht wirklich noch nicht spielen müssen, sagt man dann: ,Komm, wir gucken ein paar Sachen zusammen an.‘ Damit ist denen oft schon geholfen."
Und die etwas Älteren dürfen vielleicht probeweise spielen, obwohl die Eltern Bauchschmerzen haben, rät die Bloggerin - nach dem Motto "Wir probieren das jetzt mal aus, und wenn du dich veränderst oder deine Pflichten vernachlässigst, möchte ich da noch mal drüber sprechen."