Vom Lohn bis zur Kündigungsfrist - Rechte von Leiharbeitern
Verdienen Leiharbeiter eigentlich das Gleiche wie Festangestellte? Und wie steht's mit Betriebsversammlungen? Im Dreiecksverhältnis zwischen Leiharbeiter, Verleiher und Entleiher ist oft unklar, welche Rechte die Beschäftigten haben. Dabei gibt es klare Regeln.

Von der Metallindustrie bis zum Fensterputzen: Zeitarbeiter werden in vielen Bereichen eingesetzt. Beim Lohn müssen sie oft Abstriche machen - sie sind aber nicht ohne Rechte. Foto: dpa
Von Julia Naue
Berlin (dpa/tmn) - Zeitarbeit boomt. Den Unternehmen bringt die flexible Beschäftigung viele Vorteile. Sie können ihren Personalbedarf schnell an die Auftragslage anpassen. Für die Leiharbeitnehmer sieht es in der Regel weniger rosig aus. "Ob Lohn, Zufriedenheit, Beschäftigungssicherheit oder -dauer: Leiharbeiter schneiden in all diesen Bereichen schlechter ab als andere Arbeitnehmer", kritisiert Toralf Pusch von der gewerkschaftsnahen Hans-Böckler-Stiftung.
Wolfram Linke sieht flexible Beschäftigung hingegen als Chance - gerade für Menschen, die in der freien Wirtschaft keinen Job finden. Der Sprecher des Interessenverbands Deutscher Zeitarbeitsunternehmen (IGZ) glaubt, dass Arbeitnehmer die Zeitarbeit als Sprungbrett nutzen und sich in verschiedenen Bereichen ausprobieren können. "Da werden Naturtalente entdeckt und können dann Karriere machen." Die Zeitarbeit sei eine Art vorgeschaltete Probezeit und kann zu einer Festanstellung führen - das nennt sich Klebeeffekt. Einigen Studien zufolge bleiben zwischen 7 und 14 Prozent der Leiharbeiter kleben, die Branche selbst geht von rund 30 Prozent aus.
Für Pusch von der Hans-Böckler-Stiftung verschafft Leiharbeit etwa Hartz-IV-Empfängern eine verbesserte Position. Die Branche hat allerdings eine hohe Fluktuation. Die große Arbeitsplatzunsicherheit stresst und kann sich auf die Gesundheit auswirken.
Gerade beim Lohn müssen Leiharbeiter Abstriche machen. Durchschnittlich war ihr Gehalt im Jahr 2013 um 43 Prozent niedriger als das anderer sozialversicherungspflichtig Beschäftigter. Dabei gilt eigentlich das Prinzip: gleiche Bezahlung für gleiche Arbeit. In der Praxis sieht das allerdings oft anders aus. Denn sobald ein wirksamer und einschlägiger Tarifvertrag vorliegt, gilt das, was darin vereinbart wurde. Diese Regelung nennt sich Tariföffnungsklausel. "Würde keine Gewerkschaft einen Tarifvertrag mit den Zeitarbeitsfirmen abschließen, würden Leiharbeiter das gleiche Gehalt bekommen wie Stammmitarbeiter", erklärt Harald Klinke vom Verband deutscher Arbeitsrechtsanwälte. Die Gehälter in den Tarifverträgen sind in der Regel niedriger. "Die beste Regelung für Leiharbeiter steht im Gesetz - nicht in den Tarifverträgen."
Wer also das Glück hat, bei einer Zeitarbeitsfirma ohne Tarifvertrag angestellt zu sein, kann den gleichen Lohn wie seine Kollegen im Entleihunternehmen verlangen. "Das ist aber oftmals schwer, weil man ja gar nicht weiß, was die bekommen", sagt der Arbeitsrechtler Matthias Reichwald. Wer vermutet, dass sie mehr Gehalt bekommen, dem hilft das Gesetz. Es gibt einen Auskunftsanspruch - der Arbeitnehmer hat ein Recht darauf, das Gehaltsniveau im Entleihunternehmen zu kennen. "Das sollte man notfalls einklagen", rät Reichwald.
Wie viel Geld Zeitarbeiter in den Zeiten verdienen, in denen sie nicht in einer Entleihfirma arbeiten, muss im Arbeitsvertrag mit der Verleihfirma stehen. Dort sind sie weiterhin angestellt, sie ist der Arbeitgeber - auch wenn es gerade keine Aufträge gibt. Das Gehalt kann niedriger sein, darf aber nicht weniger sein als die derzeit in der Leiharbeit geltenden Untergrenzen von 8,80 Euro im Westen und 8,20 Euro im Osten. Mit der Verleihfirma entsteht ein unbefristetes Arbeitsverhältnis. "Sie ist verpflichtet, Sozialversicherungsbeiträge abzuführen und den Lohn im Krankheitsfall zu zahlen", erklärt Harald Klinke. Es gelten die gesetzlichen Kündigungsfristen.
Drohen im Entleihunternehmen betriebsbedingte Kündigungen, ist das in der Regel schlecht für Leiharbeiter. Denn das Unternehmen baut zunächst vergleichbare Leiharbeiter ab. "Wenn man feststellen kann, dass ein Leiharbeiter auf einer vergleichbaren Position arbeitet wie ein Festangestellter, kann das Unternehmen betriebsbedingte Kündigungen vermeiden, indem es Leiharbeiter reduziert", erklärt Reichwald. Andernfalls könnten entlassene Stammmitarbeiter gegen die Kündigung klagen.
Im Prinzip kann die Entleihfirma aber jederzeit zum Zeitarbeitsunternehmen sagen: Schick mir bitte einen anderen Mitarbeiter. Und das ist genau der Grund, warum viele Unternehmen von flexibler Beschäftigung Gebrauch machen. "Leute, die sie nicht gebrauchen können, müssen sie nicht weiterbeschäftigen." Das Risiko dafür trägt dann die Zeitarbeitsfirma.
Doch Leiharbeiter haben im Entleihunternehmen auch Rechte. So dürfen sie etwa an Betriebsversammlungen teilnehmen, Sprechstunden aufsuchen und - wenn die Überlassung länger als drei Monate vorgesehen ist - schon ab dem ersten Tag in der Firma den Betriebsrat wählen. Allerdings können sie dort selbst keine Betriebsräte sein.
Gibt es im Verleihunternehmen, also dem eigentlichen Arbeitgeber des Leiharbeiters, einen Betriebsrat, können sie sich dort in den Betriebsrat wählen lassen. Auch wenn sie gerade bei einer Entleihfirma beschäftigt sind, dürfen sie wichtige Termine und Tätigkeiten des Betriebsrates weiterhin ausüben. "Allerdings sollten sie dann rechtzeitig Bescheid sagen, falls sie deswegen während der Arbeitszeit fehlen", rät Anwalt Klinke.
Endet das Arbeitsverhältnis mit der Entleihfirma, kann der Zeitarbeiter ein Arbeitszeugnis einfordern. Allerdings ist nur der Arbeitgeber - also die Zeitarbeitsfirma - verpflichtet, ein solches Zeugnis auszustellen. "Und die wissen ja gar nichts von der Arbeit des Leiharbeiters", so Reichwald. Deshalb müssen sie die entsprechenden Informationen beim Entleihunternehmen einholen - das hat Mitwirkungspflichten und muss Auskunft geben.