IG Metall pocht auf Haustarifvertrag bei SAP
Gewerkschaft wirbt im Vorfeld der Betriebsratswahl für neue Regelungen. Es gibt Streit um angebliche Gehaltsunterschiede.

Von Matthias Kros
Walldorf. Im Vorfeld der Betriebsratswahl beim Softwarekonzern SAP, die am 22. März beginnt, hat die Gewerkschaft IG Metall nochmals eindringlich für einen Haustarifvertrag geworben. "Wir sind der Meinung, dass die Regelungen eines Haustarifvertrags für die Beschäftigten von SAP sehr sinnvoll wären", sagte Türker Baloglu, IG Metall Gewerkschaftssekretär, bei einem Pressegespräch am Freitag. "Wir würden das gerne bei SAP einführen wollen". Voraussetzung sei allerdings, dass man bei der kommenden Betriebsratswahl zusätzliche Sitze gewinne. "Das werden wir noch abwarten."
Die klassischen Gewerkschaften haben es bei SAP seit jeher schwer, bei der letzten Betriebsratswahl kamen IG Metall und Verdi zusammen nur auf acht Sitze. Seither hat es allerdings einige "Überläufer" gegeben, so dass es nach der anstehenden Wahl rund ein Drittel sein könnten.
Die heutige Gehaltsstruktur bei SAP wurde weitgehend vom Arbeitgeber festgelegt, über Erhöhungen entscheiden Vorstand und Aufsichtsrat. Ein möglicher Haustarifvertrag müsse das aktuelle Entgeltniveau bei SAP abbilden, erklärte Baloglu, und er werde dann auch nur für den Softwarekonzern gelten. Man können jedenfalls nicht den Tarifvertrag der Metall- und Elektroindustrie einfach SAP überstülpen. Denn "ab einem bestimmten Level liegt SAP weit über unserem Tarifvertrag". Klar sei aber auch, dass die Einstiegsgehälter "nicht schlechter sein dürfen als die, die wir in der Metall- und Elektroindustrie haben". Künftige Entgelterhöhungen müssten dann die wirtschaftliche Entwicklung und die Inflation abbilden. Zudem müssten "tarifvertraglichen Systematiken" auch bei SAP umgesetzt werden, so Baloglu. "Zum Beispiel muss ein Vorgesetzter einem Mitarbeiter, der nicht befördert werden soll, begründen, warum das nicht der Fall ist", so der Gewerkschafter. Das verschaffe den Beschäftigten eine deutlich bessere Verhandlungsposition.
Um die Gehälter bei SAP hatte es zuletzt viele Diskussionen gegeben. Mitarbeiter und ihre Vertreter hatten sich von der jüngsten Gehaltserhöhung von durchschnittlich 2,7 Prozent angesichts der hohen Inflation und der guten Geschäftszahlen enttäuscht gezeigt. Kritik gibt es auch daran, dass über den Großteil der Erhöhung die Vorgesetzten nach eigenem Gutdünken entscheiden dürfen.
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Alex von der Marwitz, Johannes Reich und Eberhard Schick aus der IG-Metall-Betriebsratsgruppe "Pro Mitbestimmung" missbilligten am Freitag zudem erneut die ihrer Meinung nach ungerechte Bezahlung von Frauen bei SAP. Weibliche Beschäftigte verdienten bei SAP im Schnitt 18 Prozent weniger als ihre männlichen Kollegen. Sogar dann, wenn sie den gleichen Job machten, würden Frauen schlechter dafür bezahlt. Das habe eine Gehaltsumfrage ergeben, an der sich 3800 SAP-Mitarbeiter beteiligt hätten. "Trotz aller Versuche, Korrekturen am System vorzunehmen, wird’s eher schlechter", sagte Reich.
Das wird von der Geschäftsführung, aber auch von der Betriebsratsspitze allerdings anders gesehen: "Nach unseren Erkenntnissen gibt es keine systematische Benachteiligung von Frauen durch das Gehaltssystem der SAP," sagte der Vorsitzende des Betriebsrats, Klaus Merx. Auch seine Stellvertreterin, Nathalie Boulay, kann die Kritik nicht nachvollziehen: "Der Betriebsrat der SAP SE hat im letzten Jahr unser Gehaltsmanagementsystem mit einen externen Sachverständigen, sowie einem externen Juristen, auf strukturelle Benachteiligungsaspekte zum Thema Frauen und Männer überprüfen lassen", sagte sie. "Beide konnte keine strukturellen Benachteiligungen erkennen".
Verschnupft zeigte sich auch ein Unternehmenssprecher: "SAP pflegt seit Jahren eine Nulltoleranz-Strategie gegen Gehaltslücken bei gleicher Arbeit und Leistung – und das nicht nur hinsichtlich des Geschlechts", sagte er. "Unsere Gehaltsdaten belegen das eindeutig, der IG Metall sind diese Fakten auch bekannt".
Fragwürdige Umfrageergebnisse wie im vorliegenden Fall schädigten aber nicht nur den Ruf der SAP als attraktiver Arbeitgeber, fügte der Sprecher hinzu. "Sie stellen auch die Arbeit der SAP-Mitbestimmungsgremien infrage, mit denen wir bei allen Vergütungsfragen konstruktiv und transparent zusammenarbeiten."