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Engpass bei Medikamenten für Kinder

Die Gründe liegen im Rückzug eines Anbieters, einer "Verteilproblematik" und außergewöhnlich hohem Arzneimittel-Bedarf in diesem Jahr. Die aktuellen Alternativen sind Zäpfchen oder individuelle Herstellung.

07.08.2022 UPDATE: 07.08.2022 06:00 Uhr 2 Minuten, 3 Sekunden
Zurzeit mehren sich bei Kindern Infektionskrankheiten, die oft von Fieber begleitet werden. Foto: dpa.

Von Matthias Kros

Mannheim. In Deutschland kämpfen Apotheken aktuell mit Lieferengpässen bei Medikamenten für Kinder. Es fehle vor allem an Fiebersäften mit den Wirkstoffen Ibuprofen und Paracetamol, bestätigt das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) in einer Mitteilung. Man habe deshalb bereits umfangreiche Recherchen und Prüfungen durchgeführt.

Danach gehen die Engpässe vor allem auf den Rückzug eines Anbieters zurück. Daneben gebe es aber auch eine "Verteilproblematik". Und schließlich sei in diesem Jahr der Bedarf an den betroffenen Arzneimitteln überproportional angestiegen. Die Ursachen hierfür habe man bislang noch nicht befriedigend ermitteln können.

Aktuell häufen sich in Deutschland neben Corona verschiedene andere Infektionskrankheiten. Vor allem Fieber ist bei Kindern ein häufiges Symptom. Da sie in der Regel noch keine Tabletten schlucken können, gelten Säfte neben Zäpfchen als besonders kindgerechte Darreichungsform der Wirkstoffe. Allerdings sind die Säfte nicht so lange haltbar wie Tabletten und daher für die Hersteller nicht so rentabel. Viele haben daher die Produktion Richtung Asien verlagert, wo ein großer Teil von Arzneimitteln seit Monaten wegen des Corona-Lockdowns in Häfen festhängt.

Maßgeblich bei der Verteilung der Medikamente ist der Pharmagroßhändler Phoenix in Mannheim. Das Unternehmen bezeichnet sich selbst als "führenden integrierten Gesundheitsdienstleister" und beliefert in Europa mit knapp 40.000 Mitarbeitern etwa 60.000 Apotheken.

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Auf RNZ-Nachfrage wollte Phoenix allerdings selbst nicht zu der Schmerzsaft-Problematik Stellung beziehen und verwies stattdessen auf den Verband des pharmazeutischen Großhandels (PHAGRO), dem die Mannheimer selbst angehören. "Aktuell ist es in der Tat so, dass die Unternehmen des pharmazeutischen Großhandels Bestellungen von paracetamol- oder ibuprofenhaltigen Säften nicht vollständig bedienen können", sagte eine Sprecherin des Verbands.

Die Ursachen für die Lieferengpässe seien vielfältig und reichten vom Marktrückzug einzelner Arzneimittel-Hersteller bis hin zu gestiegener Nachfrage, auf die die Hersteller nicht schnell genug reagieren könnten. "Jedenfalls würden die Unternehmen des pharmazeutischen Großhandels gerne die Aufträge ihrer Kunden, das heißt die Bestellungen der Apotheken, erfüllen, wenn es denn möglich wäre", so die Sprecherin.

Ein Lieferabriss ist nach Erkenntnissen des Bundesinstituts für Arzneimittel und Medizinprodukte aber zu keiner Zeit eingetreten. Grundsätzlich seien die Behandlungen von Kindern auch nicht eingeschränkt, teilt das BfArM mit. Insbesondere Zäpfchen mit den Wirkstoffen Paracetamol und Ibuprofen gäbe es noch ausreichend. Als Alternative empfiehlt die Behörde zudem die individuelle Fertigung in Apotheken – natürlich nur in Absprache mit dem Kinderarzt.

Kritik kommt von Kinderärzten: "Jetzt rächt sich die Produktionsverlagerung sogenannter unrentabler, aber für bestimmte Patientengruppen wichtiger Arzneimittelspezifikationen, ins außereuropäische Ausland", erklärte der Vorsitzende des Verbandes der Bayerischen Kinder- und Jugendärzte (BVKJ), Dominik Ewald, kürzlich der dpa.

Eine durchgreifende Besserung erwartet das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte erst im Herbst. Der Hauptproduzent Ratiopharm in Ulm will jedenfalls alles dafür geben: "Wir bedauern die aktuelle Lage und arbeiten mit aller Kraft daran, die Lieferengpässe zu beheben und die Produkte so schnell wie möglich wieder in gewohnter Weise liefern zu können", sagte eine Sprecherin auf RNZ-Anfrage.

Zudem sei das Unternehmen, das inzwischen zum Teva-Konzern in Israel gehört, dabei, zusätzliche Fachkräfte einzustellen und die Personalressourcen weiter auszubauen. "Trotzdem lassen sich auch in näherer Zukunft Lieferengpässe bei einzelnen unserer Präparate nicht ausschließen".

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