IHK Rhein-Neckar

Trübe Aussichten bei Betrieben der Region

Aktuelle Lage der Unternehmen laut Industrie- und Handelskammer Rhein-Neckar derzeit gut. Wegen des Krieges gehen Erwartungen jedoch massiv zurück.

16.05.2022 UPDATE: 17.05.2022 06:00 Uhr 2 Minuten, 51 Sekunden
Konjunktur
Symbolfoto: Daniel Bockwoldt/dpa

Von Barbara Klauß

Mannheim. Noch ist die Lage bei den Unternehmen der Region "zufriedenstellend bis gut", meint der Hauptgeschäftsführer der Industrie- und Handelskammer (IHK) Rhein-Neckar Axel Nitschke. Viele Betriebe haben für das erste Quartal gute Zahlen vorgelegt; nach zwei Jahren Corona-Pandemie hoffte man auf Aufschwung. Doch dann kam der Krieg: "Der russische Überfall auf die Ukraine und seine vielfältigen Folgen haben die Konjunktur ausgebremst", erklärte Nitschke am Montag bei der Vorstellung des aktuellen Konjunkturbericht der Kammer. Der erhoffte Schub mit Ende der Corona-Auflagen sei ausgeblieben. Stattdessen gingen laut einer IHK-Umfrage die Erwartungen der meisten Unternehmen in fast allen Branchen massiv zurück.

Allerdings, betonte Julian Harpf, Referent für Konjunktur bei der IHK Rhein-Neckar, sei – dank der aktuell guten Lage der Betriebe – der Konjunkturklimaindex noch nicht so stark abgestürzt wie in der Finanzkrise 2008 oder zu Beginn der Corona-Pandemie im März 2020.

> Herausforderungen: An sich sind Russland und die Ukraine der IHK zufolge eher von geringer Bedeutung für die hiesigen Unternehmen. Der Anteil an den Exporten aus der Region nach Russland liegen demnach bei rund zwei Prozent, in die Ukraine bei unter einem Prozent. Dennoch trübt der Krieg die Aussichten vieler Betriebe deutlich – vor allem durch die enorm gestiegenen Kosten für Energie und Rohstoffe. 70 Prozent der befragten Unternehmen im Kammerbezirk sehen darin eine Gefahr für ihre wirtschaftliche Entwicklung in den nächsten Monaten.

Zudem bleiben Probleme, die bereits vor dem Krieg drängten, weiter bestehen und werden durch die Preissteigerungen lediglich überlagert, sagte Nitschke. So empfinden noch immer 54 Prozent der Unternehmen den Fachkräftemangel als Risiko für ihr Geschäft. Und auch die Corona-Pandemie spielt nach wie vor eine spürbare Rolle: 30 Prozent der Unternehmen erkennen darin eine Gefahr; sie verzeichnen Personalausfälle und schauen mit Sorge auf den Herbst und ein mögliches Wiederaufflammen der Pandemie.

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Außerdem erfährt die Industrie einen Dämpfer bei den Auftragseingängen, insbesondere aus dem Ausland. Der Handel leidet laut IHK unter stark gestiegenen Einkaufspreisen und der abgestürzten Kauflaune der Konsumenten. Auch gestörte Lieferketten belasten die Firmen.

> Beschäftigung: Die Beschäftigungspläne der regionalen Unternehmen entwickeln sich aus Sicht der IHK leicht positiv: Demnach wollen per saldo 13 Prozent der Industriebetriebe Beschäftigung aufbauen. Allerdings liegt das Nitschke zufolge auch daran, dass sie nach wie vor viele Stellen nicht besetzen können. So lag die Zahl der offenen Arbeitsstellen im Kammerbezirk im April bei 7444 und damit um 1694 höher als ein Jahr zuvor. Ob sich der Beschäftigungsaufbau realisieren lasse, sei angesichts des Fachkräftemangels ungewiss, meinte Nitschke.

> Investitionen: Zu Jahresbeginn sahen die Investitionspläner vieler Unternehmen der Region noch positiv aus, meinte Nitschke. Doch auch das lasse nun nach. Aus Sicht der Kammer liegt das unter anderem an den zuletzt stark gestiegenen Kapitalmarktzinsen. Zwei Themen jedoch halten laut Umfrage viele Unternehmen für wichtig: So plant fast die Hälfte der Betriebe Investitionen in Digitalisierung, ein Drittel in Umweltschutz, Energieeffizienz sowie in Innovationen.

> Verarbeitendes Gewerbe: Im verarbeitenden Gewerbe in der Region lassen die Exporterwartungen laut Umfrage weiter nach – vor allem für den europäischen Markt. Eine schlechte Nachricht für die hiesige Wirtschaft, die stark exportorientiert ist. So sorgen etwa strikte Corona-Maßnahmen in Asien wie beispielsweise die Schließung des weltweit größten Handelshafens in Shanghai für gewaltige Verwerfungen in den Lieferketten.

> Industrie: Zudem wachse in der Industrie die Sorge vor einer wachsenden Verknappung von Rohstoffen und Vorprodukten, erklärte Nitschke. Der Krieg Russlands gegen die Ukraine verschärfe die Situation: "So fehlen beispielsweise Edelgase und Metalle aus Russland, aber auch spezielle Vorprodukte wie Kabelbäume und Bleche aus der Ukraine", so Nitschke. Auch die ungewisse Energieversorgung und die volatilen Energiepreise stellten die gesamte Industrie vor große Probleme.

> Einzelhandel: "Gewaltig" nannte der IHK-Hauptgeschäftsführer den Rückgang der Geschäftsaussichten bei den Einzelhändlern um 31 Prozent. Als Gründe für die deutlich verschlechterte Lageeinschätzung führte er die gestiegenen Preise für Energie, Kraftstoffe und Lebensmittel an, die die Kaufkraft der privaten Haushalte belasten. "Diese Preissteigerungen treffen am Ende jeden Konsumenten und jeden Gewerbetreibenden", so Nitschke. Hinzu kämen massiv gestiegene Preise im Einkauf. "Aktuell rechnet mehr als jeder dritte Einzelhändler mit schlechteren Geschäften in den nächsten zwölf Monaten."

> Dienstleistung: Vergleichsweise stabil ist hingegen laut Kammer die Entwicklung der Konjunktur im Dienstleistungssektor. So konnten auf der einen Seite dank der reduzierten Corona-Auflagen personenbezogene Dienstleister und das Gastgewerbe an Dynamik gewinnen. Auf der anderen Seite nehmen die Sorgen von unternehmensbezogenen Dienstleistern und Transportunternehmen zu.

Der Konjunkturklimaindex der IHK Rhein-Neckar liegt aktuell bei 105 Punkten. Er fasst die Bewertung der Lage und die Erwartungen zusammen. Werte über 100 signalisieren Wachstum.

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