Handelsverband und Regierung - Keine Hamsterkäufe nötig
Einkauf über die Woche verteilen - Keine Versorgungsengpässe

Von André Stahl und Bernd Röder
Berlin. Das sich ausbreitende Coronavirus und die zunehmenden Einschränkungen im Alltag schlagen auf das Konsumverhalten durch. Die Nachfrage nach Lebensmitteln in Deutschland ist nach Angaben des Handels in den vergangenen Tagen "sprunghaft angestiegen". Es gebe aber kein Nachschubproblem, und die Supermärkte blieben auch wie bisher sechs Tage die Woche geöffnet, sagte der Sprecher des Bundesverbands des Deutschen Lebensmittelhandels (BVLH), Christian Böttcher, am Sonntag.
"Die Logistikketten arbeiten unter Volllast, aber sie funktionieren", sagte Böttcher. Der Nachschub sei da, aber teilweise könnten die Regale nicht so schnell aufgefüllt werden, wie die Ware verkauft werde. Die Lage sei von Geschäft zu Geschäft, von Region zu Region unterschiedlich. "Es gibt genügend Produkte am Markt", erklärte der Handelsverband Deutschland (HDE) am Sonntag in Berlin. Bei dem einen oder anderen Produkt würden sich Engpässe "vorübergehend nicht vermeiden lassen". HDE-Hauptgeschäftsführer Stefan Genth appellierte deshalb an die Verbraucher, weiterhin "bedarfsgerecht" einzukaufen.
Auch die Bundesregierung versicherte, es gebe keine Versorgungsengpässe. Hamsterkäufe sollten vermieden werden. Ernährungsministerin Julia Klöckner (CDU) appellierte an die Bürger, "Vorräte mit Bedacht, Augenmaß und umsichtig aufzustocken – dann ist genügend für alle verfügbar, die Regale werden zeitnah wieder aufgefüllt". Wichtig sei, nur das zu lagern, was auch normalerweise im Alltag genutzt und verbraucht werde. "Gerade mit Blick auf die jetzige Situation ist nicht nur die Solidarität der Verbraucher untereinander gefragt, sondern auch Maß und Mitte."
Verkehrsminister Andreas Scheuer (CSU) twitterte am Samstag: "Es gibt leichte logistische Schwierigkeiten, aber die Lager sind gut bestückt. Für Hamsterkäufe gibt es keinen Anlass – sagen Sie es bitte weiter!" Zuvor hatte Scheuer in von Plänen für den Fall gesprochen, dass sich die Situation zuspitze. Wenn zum Beispiel Polen die Grenzen schließe, habe das wegen fehlender Lkw-Fahrer direkte Auswirkungen auf die Versorgungslage in Deutschland. "Wenn wir dann zu Engpässen kommen, kann die Bundeswehr die Versorgung auffangen", sagte Scheuer. Das sei aber ein Szenario für den schlimmsten Fall, "soweit sind wir noch nicht". Zwar hat Polen seine Grenzen für Ausländer geschlossen. Das gilt aber nicht für Lastwagenfahrer und den Warenverkehr.
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In Deutschland werden in dieser Woche die meisten Schulen und Kindergärten geschlossen, Kantinen arbeiten Notbetrieb, Barbesuche sind verboten oder die Gäste bleiben ohnehin fern. Die Supermarktkette Rewe stellte vor allem eine höhere Nachfrage nach Trockenlebensmittel wie Nudeln und Reis, nach Konserven und Drogerieartikeln fest. "Es wäre nur sinnvoll, wenn die Leute, denen es möglich ist, den Einkauf auf die Woche verteilen, und nicht nur Freitagnachmittag und Samstagmorgen einkaufen", sagte der Rewe-Sprecher. Dann hätten Mitarbeiter auch die Chance, die Regale schnell genug nachzufüllen.
Auch Branchenexperten beobachten, dass anders und mehr eingekauft wird. Folgt man Experten der Boston Consulting Group (BCG), können Lebensmittelhändler nicht nur in Deutschland "über mehrere Wochen" mit einem anhaltenden Plus von 10 bis 15 Prozent rechnen. Auch Lieferdienste profitieren von der Lage.
Dagegen müssen auf Großkunden spezialisierte Lebensmittelhändler mit deutlichen Einbußen rechnen, so die Fachleute. Die prekäre Situation für Hotels und Gaststätten schlage bei Großhändlern durch.
Der Nachfragerückgang von Gastronomen, Hotels, Kitas und Kantinen sei deutlich spürbar, sagt Marcus Schwenke, Geschäftsführer des Großhandelsverbandes Foodservice. Einbrüche seien leicht zeitversetzt zum Gastgewerbe zu erwarten. Sollten Insolvenzen in der Gastronomie zunehmen, könne dies dramatische Folgen für Großhändler haben – noch lange nach der Pandemie, fürchtet der Verband.
Die Warnungen des Hotel- und Gaststättenverbandes Dehoga verheißen nichts Gutes. "Die Umsatzeinbußen erreichen ein nie gekanntes Ausmaß", schlägt Dehoga-Präsident Guido Zöllick Alarm. Auch die private Nachfrage gehe spürbar zurück: "Inzwischen leidet die gesamte Branche in der gesamten Republik – ob Hotels, Restaurants, Caterer, Kneipen, Bars, Diskotheken und Clubs, ob Betriebs-, Stadion- und Verkehrsgastronomie" – ob in der Stadt oder auf dem Land.



