Industrie warnt vor erheblichen Schäden
Der sechstägige Lokführer-Streik versetzt die Wirtschaft in Aufruhr. Auch der Ludwigshafener Konzern BASF übt scharfe Kritik.

Berlin/Ludwigshafen. (dpa/kla) Genau sechs Tage soll der Streik der Lokführergewerkschaft GDL im Güterverkehr der Deutschen Bahn dauern. Es ist der längste Streik, den die Gewerkschaft Deutscher Lokomotivführer im Güterverkehr in den letzten Jahren durchgeführt hat. Die Empörung über den Arbeitskampf, der bis Montagabend dauern soll, ist deshalb auch bei Wirtschaftsvertretern groß. Sie fürchten Stillstände und Produktionsausfälle. Auch Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) warnte vor "massiven Folgen" für die Wirtschaft. "Das Streikrecht ist ein hohes Gut, aber ein so langer Streik hat massive Folgen für den Güterverkehr und die Wirtschaft, und ist für Bahnfahrer eine Zumutung", sagte er dieser Zeitung. "Ich würde mir da dringend Kompromissbereitschaft wünschen."
Der Schaden sei enorm, heißt es auch bei der BASF in Ludwigshafen. "Dass tagelang viele Güterzüge ausfallen, schadet der deutschen Industrie und schwächt den Standort Deutschland", erklärte der Leiter des BASF-Stammwerks, Uwe Liebelt. Rund 30 Prozent der Transporte wickelt der weltgrößte Chemiekonzern ihm zufolge über die Bahn ab. "Durch den Bahnstreik sind wir nun gezwungen, Bahntransporte im großen Stil auf Lkw zu verlagern", so Liebelt. "Logistikkosten und CO2-Ausstoß werden dadurch steigen."
Zudem verwies der Werksleiter auf die Auswirkungen für die Beschäftigten: Die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter hätten einen erheblichen Mehraufwand, um die Streikfolgen für die BASF-Kunden abzufedern. Belastet seien auch an die Pendler, die mit der Bahn zur BASF nach Ludwigshafen kommen. "Die Auswirkungen für diese Mitarbeiter empfinde ich als inakzeptabel", sagte Liebelt.
Von drohenden harten Einschränkungen bis hin zu einzelnen Produktionsausfällen, Drosselungen und Stillständen in der Industrie sprach Tanja Gönner, Hauptgeschäftsführerin des Bundesverbands der Deutschen Industrie. "Bei einem sechstägigen Streik ist eine Schadenshöhe von insgesamt bis zu einer Milliarde Euro nicht unrealistisch", sagte sie. Auch der Verband der Automobilindustrie hatten in den vergangenen Tagen bereits vor erheblichen Auswirkungen gewarnt.
Allerdings wird lediglich knapp ein Fünftel aller Güter in Deutschland über die Schiene transportiert. In großem Umfang handelt es sich dabei etwa um Rohstoffe wie Öl, Kohle, Metalle oder chemische Erzeugnisse sowie um Autos. Damit betrifft der Streik besonders umsatzstarke Branchen.
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Zudem ist die Deutsche Bahn nicht der einzige Warentransporteur auf der Schiene. Ihr Marktanteil im Güterverkehr ist in den vergangenen Jahren stark zurückgegangen. Nur noch 40 Prozent des Schienengüterverkehrs kontrolliert der einstige Monopolist. Den Rest teilen sich Wettbewerber untereinander auf. Deren Verband, Die Güterbahnen, will von Alarmstimmung aufgrund des Streiks deshalb nichts wissen. "60 Prozent des Schienengüterverkehrs rollen wie üblich und kommen wegen eines entleerten Netzes sogar häufig besser ans Ziel", teilte Verbandsgeschäftsführer Peter Westenberger mit.
Es sei kaum möglich, das gesamte Ausmaß der Ausfälle nachzuvollziehen, erklärte Dirk Flege, Geschäftsführer des Interessenverbands Allianz pro Schiene. Doch dass es "massive Verwerfungen bei vielen Betrieben" gebe, könne man als gesichert annehmen. Er befürchtet durch den Streik vor allem einen weiteren Vertrauensverlust in den Verkehrsträger Schiene. Schon jetzt führten die zahlreichen Baustellen, die hohe Unpünktlichkeit und die bevorstehende Generalsanierung des Bahnnetzes zu großen Unsicherheiten. "Wenn sich jetzt noch die Wahrnehmung festsetzen sollte, dass man sich aufgrund der ständigen Streiks nicht mehr auf den Schienengüterverkehr verlassen kann, dann zerstört das massiv das Vertrauen und torpediert die Verkehrswende." Flege sprach sich deshalb dafür aus, dass sich Bahn und GDL schleunigst wieder an den Verhandlungstisch setzen.
Im Tarifkonflikt mit der Bahn hatte die GDL schon nach der zweiten Verhandlungsrunde die Gespräche für gescheitert erklärt. Seit November wurde nicht mehr verhandelt. Bundesverkehrsminister Volker Wissing (FDP) forderte die Gewerkschaft am Mittwoch auf, über eine Schlichtung mit einem externen Vermittler zu einer Lösung zu kommen. "Wenn das so festgefahren ist, dass man offensichtlich nicht mehr miteinander reden kann, dann brauchen wir dringend eine Mediation oder ein Schlichtungsverfahren", so Wissing. Die GDL lehnt ein solches Verfahren weiterhin ab.
Im "heute journal" sagte Wissing nach Angaben des ZDF, "das sind Ausmaße, die nicht mehr hinnehmbar sind". Das Streikrecht sei ein hohes Gut. Aber man habe auch die Pflicht, damit verantwortungsvoll umzugehen.