Von Jens Schmitz, RNZ Stuttgart
Stuttgart. Manfred Lucha (57, Grüne) ist Minister für Soziales und Integration.
Herr Lucha, was läuft schief bei der Altersfeststellung?
Wir haben erkannt, dass alle relevanten Akteure bei dem Thema mehr denn eine Verantwortungsgemeinschaft bilden müssen. Wir werden hier keinen schwarzen Peter hin- und herschieben, sondern gemeinsam Verantwortung übernehmen. Wir befinden uns dazu gerade in guten und intensiven Gesprächen mit dem Innenministerium.
Es geht ja im Regelfall nicht um Straftäter, sondern ganz allgemein um die Frage, wem der besondere Schutz der Jugendhilfe zuteil wird und wem nicht.
Wir haben zwei Anliegen: Wir wollen erstens wissen, mit wem wir es zu tun haben, und zwar bei jedem. Baden-Württemberg hat sehr früh Schritte eingeleitet, alle UMA lückenlos erkennungsdienstlich zu behandeln. Und zweitens wollen wir wissen, ob jemand in einem Alter ist, das ihn fürs Tätigkeitsfeld der Jugendhilfe qualifiziert. Wir stellen dort besondere Angebote etwa zum Umgang mit Traumatisierung bereit und haben ein originäres Interesse daran, dass sie nur denjenigen Menschen zuteilwerden, die auch einen Anspruch darauf haben.
Was machen Sie bislang, um das Alter eines Flüchtlings zu bestimmen?
Es gibt diese Vorstellung, man röntgt einfach alle - und dann kennt man deren exaktes Alter. Genau das funktioniert in der kritischen Altersspanne um 18 Jahre aber nicht. Alle bildgebenden Verfahren haben eine große Bandbreite, die werden wir nie ganz wegbekommen. Die qualifizierte Form der Inaugenscheinnahme durch die Jugendämter ist eine Kombination aus Untersuchung, Interviews, medizinisch-sozialpädagogischer und entwicklungspsychologischer Diagnostik. In Zweifelsfällen kann man dann auch noch ein Röntgenbild oder andere Methoden hinzuziehen. Das Ergebnis wird man aber nie isoliert beurteilen, sondern immer in der Gesamtschau betrachten müssen.
Bislang darf es niemandem zum Nachteil ausgelegt werden, wenn er sich etwa einer Röntgenaufnahme verweigert. Sie haben vorgeschlagen, das zu ändern und in bestimmten Fällen eine Beweislastumkehr einzuführen.
In den Fällen, in denen wir uns über die Minderjährigkeit eines Geflüchteten unsicher sind, erwarten wir dessen Mitwirkung. Und wenn diese Mitwirkung nicht geleistet wird, sollten wir ganz pragmatisch annehmen: Der Betroffene erklärt sich als volljährig.