Stuttgart. (dpa/lsw) Unmittelbar vor dem Schulstart hat das baden-württembergische Kultusministerium am Freitag darauf hingewiesen, dass die Pädagogen auch im Lehrerzimmer eine Maske tragen müssen. Die Corona-Verordnung der Landesregierung schreibe vor, dass an den weiterführenden und beruflichen Schulen alle Personen – und damit auch Lehrkräfte - auf den sogenannten Begegnungsflächen eine Mund-Nasen-Bedeckung nutzen müssten, teilte ein Sprecher in Stuttgart mit.
Das Lehrerzimmer sei eine Begegnungsfläche, wie auch Flure, Treppenhäuser, Toiletten oder Pausenhöfe. Dabei wird unterstellt, dass dort ein Mindestabstand zwischen den Lehrkräften nicht dauerhaft verlässlich eingehalten werden kann. "Ausgenommen von der Maskenpflicht sind lediglich die Unterrichtsräume." Zuvor hatte das "Badische Tagblatt" darüber berichtet.
Kretschmann wirbt für Einhaltung der Corona-Regeln
Vor dem Beginn des neuen Schuljahres hat Ministerpräsident Winfried Kretschmann (Grüne) die Schüler aufgefordert, wegen der Corona-Krise die Hygieneregeln einzuhalten. Denn auf einen Impfstoff müsse man erst einmal noch warten, sagte Kretschmann am Freitag in Stuttgart. Wie lange genau, wisse niemand, aber mindestens bis nächstes Jahr. "Deshalb müssen wir auch im neuen Schuljahr weiter vorsichtig sein." Für die Schüler bedeute das: "Ab der 5. Klasse müsst ihr in der Schule außerhalb des Unterrichts eine Maske tragen. Das macht keinen Spaß, aber es hilft, die Ausbreitung des Virus zu verhindern."
Die Schüler könnten noch mehr tun: Etwa regelmäßig die Hände waschen und häufig lüften. "Und Abstand zu Schülerinnen und Schülern aus anderen Klassen und Erwachsenen halten, wo es möglich ist", sagte Kretschmann weiter. Er warb gleichfalls um Verständnis für die Lehrer durch die Schüler. "Und denkt bitte dran, dass es auch für eure Lehrerinnen und Lehrer gerade keine einfache Situation ist. Seid deshalb bitte nicht zu streng mit ihnen. Jetzt geht es darum, dass wir alle zusammenhalten und mithelfen, damit möglichst wenige Menschen krank werden." Am Montag startet in Baden-Württemberg das neue Schuljahr.
Update: Freitag, 11. September 2020, 12.42 Uhr
Stuttgart. (dpa/lsw) Trotz der andauernden Corona-Pandemie und der Kritik von Verbänden und Gewerkschaften sieht Kultusministerin Susanne Eisenmann den Südwesten gut gerüstet für das neue Schuljahr. Man habe ab Montag zwar nicht die Normalität, die man sich wünsche, sagte Eisenmann am Donnerstag. Aber mit Blick auf die Umsetzung der Hygieneregeln zeigte sie sich zuversichtlich. Zudem versprach die CDU-Politikerin einen verlässlichen und strukturierten Fernunterricht. Man habe nun klare Grundlagen dafür geschaffen, sagte sie. Sechs Prozent der Lehrer fehlten pandemiebedingt im Präsenzunterricht, aber weniger als ein Prozent der Schüler.
Eisenmann sagte, das Land habe 16,6 Millionen Euro für weitere Vertretungslehrer investiert, um den coronabedingten Ausfall von Lehrern abfedern zu können. Die Mittel für 300 000 Laptops seien mittlerweile abgerufen worden, viele Geräte sollen bereits ab Montag Schülern zur Verfügung stehen. Corona habe wie ein Brennglas Defizite bei der Digitalisierung deutschlandweit deutlich gemacht.
Man habe zudem 25 Millionen Masken an die Schulen ausgeliefert. Nach den Sommerferien gilt ab Klasse fünf und an den weiterführenden Schulen eine Maskenpflicht auf den sogenannten Begegnungsflächen wie den Schulfluren, der Aula und den Toiletten. Im Unterricht selbst werde es in den ersten Wochen keine Maskenpflicht geben, sagte Eisenmann. An Grundschulen sind Masken nicht vorgeschrieben.
Man setze auf Gruppenbildung im Schulbetrieb, um das Infektionsgeschehen genau nachvollziehen zu können und möglichst keine ganzen Schulstandorte schließen zu müssen. Wenn Fenster in manchen Klassenzimmern nicht geöffnet werden können, sei das ein unhaltbarer Zustand, den die Kommunen als Schulträger lösen müssten, sagte Eisenmann.
Unterdessen leiden die Schulen im Land weiterhin unter einer knappen Personaldecke. Von mehr als 5900 zu besetzenden Lehrerstellen an den öffentlichen allgemeinbildenden und beruflichen Schulen konnten 645 nicht besetzt werden, davon fast die Hälfte an Grundschulen. Die Einstellungsverfahren liefen aber noch bis Ende September, sagte die Ministerin.
Im Gegensatz zum Kultusministerium sehen die Verbände die Schulen nicht gewappnet für einen Regelbetrieb in Pandemie-Zeiten. Nur mit großem Glück werde man im kommenden Schuljahr ohne die Schließung ganzer Schulen auskommen, sagte der Landesvorsitzende des Philologenverbands, Ralf Scholl, am Donnerstag. Dass an Schulen Teile geschlossen werden müssen, davon könne man fest ausgehen.
Das sogenannte Kohortenprinzip funktioniere an Gymnasien nicht - in der Oberstufe seien Schüler in jedem Kurs mit anderen Schülern zusammen. Gebe es dort eine Infektion, werde die ganze Kursstufe dichtgemacht, sagte Scholl. Das Kultusministerium arbeite nach wie vor nach dem Prinzip Hoffnung und schöpfe nicht alle Möglichkeiten aus, um den Regelbetrieb zu schützen, kritisierte Scholl.
Die Bildungsgewerkschaft GEW forderte zusätzliche Reinigungskräfte in den Schulen und mehr Personal in den Klassenzimmern. "Bei diesen großen Löchern in der Unterrichtsversorgung wird der Ausfall von Lehrkräften schnell dazu führen, dass Klassen daheim bleiben müssen", betonte die Landesvorsitzende Doro Moritz.
Der bildungspolitische Sprecher der SPD-Landtagsfraktion, Stefan Fulst-Blei, kritisierte Mängel beim Stand der Digitalisierung. Es gebe zu wenige Fortbildungen in dem Bereich. Das zweiwöchige Nachhilfeprogramm in den Ferien reiche bei weitem nicht aus, um die Wissenslücken aus der Corona-Pandemie zu schließen. Viele Schüler bräuchten auch im neuen Schuljahr laufend während des Unterrichts Unterstützung.
Update: Donnerstag, 10. September 2020, 13.21 Uhr
Von Wera Engelhardt u. Martin Oversohl
Stuttgart. Zu wenige Lehrkräfte, mangelhafte Technik, unrealistische Hygieneregeln: Es sind nur noch wenige Tage bis zum Ende der Sommerferien, aber die Bildungsgewerkschaft GEW sieht die Schulen im Südwesten immer noch schlecht gewappnet für den Unterricht unter Corona-Bedingungen. Eines der größten Probleme: Wegen des Lehrermangels und der Corona-Risikogruppen fehlten derzeit so viele Lehrkräfte wie noch nie in den Klassenzimmern, sagte die GEW-Landesvorsitzende Doro Moritz am Montag in Stuttgart. Voraussichtlich könnten sechs Prozent der Lehrkräfte mit Attest und weitere drei Prozent Schwangere nicht im Präsenzunterricht sein.
Und das ist aus Sicht der GEW längst nicht alles. Eine Umfrage unter Lehrkräften aller Schularten offenbare unter anderem einen hohen Nachholbedarf bei der Digitalisierung, sagte Moritz. Demnach bewerteten 67 Prozent der Befragten die technischen Voraussetzungen an Schulen als mittelmäßig bis sehr schlecht.
Eine weitere Befragung nur unter Schulleitungen aller Schularten in Baden-Württemberg ergab den Angaben zufolge, dass trotz deutlich verschärfter Hygieneregeln nur an wenigen Schulen die Putzkolonnen aufgestockt wurden. Demnach gaben 80 Prozent der Leiter an, dass kein zusätzliches Reinigungspersonal von den Kommunen als Schulträger bereitgestellt worden sei. An knapp 20 Prozent der befragten Schulen gibt es laut Umfrage zusätzliches Personal, um die Hygiene-Auflagen durch die Corona-Verordnungen umzusetzen.
Einige dieser Auflagen hätten noch dazu wenig mit der Realität zu tun. Schüler müssten etwa Masken im Schulbus und auf dem Pausenhof tragen, nicht aber im Unterricht. "Wie vermitteln wir Schülern da eine klare Linie?", fragte Moritz. Ein weiteres Beispiel: das Thema Lüften. Mehrmals täglich sei "eine Querlüftung bzw. Stoßlüftung bei vollständig geöffneten Fenstern" vorzunehmen, zitierte Moritz aus den Hygienehinweisen für die Schulen. "Kein Klassenzimmer hat auf beiden Seiten Fenster", sagte Moritz. Die Lehrer müssten sich stets mit ihren Nachbarn absprechen – das sei völlig unrealistisch.
Moritz dämpfte vor diesem Hintergrund allzu hohe Erwartungen, dass im kommenden Schuljahr mit einem Regelbetrieb an den 4500 Schulen im Land zu rechnen sei. Sie forderte, dass die Landesregierung schnell einen Nachtragshaushalt beschließt, um die Schulen personell zu unterstützen. Außerdem mahnte sie verbindliche Absprachen mit den Schulträgern zum Schutz von Schülern und Lehrern an.
Das Kultusministerium betonte unter anderem, dass sich Ressortchefin Susanne Eisenmann (CDU) innerhalb der Landesregierung erfolgreich für ein freiwilliges Testangebot für das gesamte Personal an Schulen und Kitas eingesetzt habe. Beim Thema Hygiene im Schulgebäude nahm Eisenmann auch die Schulen in die Pflicht. "Wir unterstützen die Schulträger finanziell bei Neuinvestitionen in Schulgebäude und seit einigen Jahren auch bei der Sanierung. Wir erwarten deshalb auch ganz klar, dass die Schulträger ihrer Verantwortung nachkommen", sagte sie laut einer Mitteilung.
Die drei kommunalen Spitzenverbände wiesen die Kritik der GEW wegen Mängeln bei der Hygienevorsorge für die Schulen einem Medienbericht zufolge zurück. "Wir gehen davon aus, dass die Schulträger die Hygienevorgaben erfüllen können und entsprechend auch das Reinigungspersonal bereits organisiert und informiert haben", teilte der Gemeindetag laut "Stuttgarter Zeitung" und "Stuttgarter Nachrichten" mit.
Der Vorsitzende der SPD-Landtagsfraktion, Andreas Stoch, teilte die Kritik der GEW-Chefin an der Schuljahresplanung der Kultusministerin. "Mit den vorhandenen Ressourcen wird es schwierig, die teils widersprüchlichen Vorgaben umzusetzen", teilte Stoch mit. "Es fehlen Lehrerinnen und Lehrer im Präsenzunterricht und wahrscheinlich auch eine Menge Neueinsteiger für das Schuljahr 2020/21." Er forderte 1000 zusätzliche Lehrkräfte vom Land.