"Ich gehe noch immer jeden Tag gerne ins Rathaus": 2002 wurde Dieter Salomon als erster Grüner an die Spitze einer deutschen Großstadt gewählt - und er will weitermachen. Foto: Patrick Seeger
Von Sören S. Sgries
Freiburg/Heidelberg. Diese Wahl war eine Wahl für die Geschichtsbücher: 16 Jahre sind vergangen, seit Dieter Salomon erstmals zum Freiburger Oberbürgermeister gewählt wurde. Im zweiten Durchgang. Mit überraschend deutlichen 64,4 Prozent. Als erster grüner Oberbürgermeister einer deutschen Großstadt. "Dieter Salomon hat Freiburg im Sturm erobert. Das tut mir leid", erklärte damals seine Gegenkandidatin, die CDU-Politikerin Gudrun Heute-Bluhm.
An diesem Sonntag möchte der Grüne um weitere acht Jahre verlängern: Zum zweiten Mal stellt sich der 57-Jährige zur Wiederwahl. Die Chancen stehen gut - aber reicht es für den Sieg im ersten Wahlgang? 2010 war das gelungen, mit 50,5 Prozent Zustimmung. In seinem Team, heißt es, fürchte man durchaus, dass Salomon in den zweiten Wahlgang muss. Es wäre ein herber Schlag in Freiburg, wo der Amtsbonus üblicherweise für eine klare Entscheidung reicht. "So schlimm wird es schon nicht kommen", hofft man zwar bei den Grünen. Aber klar ist: Gerade bei der eigenen Kernanhängerschaft hat der Nimbus des einstigen Stars gelitten.
Den großen Lagerkonflikt, den die CDU 2002 im Wahlkampf heraufbeschwören wollte, den gab es nie in dieser Deutlichkeit und es gibt ihn heute erst recht nicht mehr. Anschaulich zeigt sich die Nähe Salomons zu den Konservativen vielleicht im Städtetag Baden-Württemberg: Als Präsident steht der Grüne derzeit an der Spitze des Kommunalbündnisses und Heute-Bluhm, seine einstige Konkurrentin, arbeitet als Geschäftsführerin verlässlich mit ihm zusammen.
Der 57-Jährige, geboren in Melbourne, als Dreijähriger aus Australien nach Deutschland gekommen, ist ein Pragmatiker. Er gilt schon 2002 als der "Oberrealo" seiner Partei - Winfried Kretschmanns spätere Karriere ist da noch längst nicht absehbar. Der heutige Regierungschef folgte 2002 Salomon an der Spitze der Landtagsfraktion nach. Weit über das eigene Lager hinaus fand Salomon in Freiburg, der grün-grundierten Universitätsstadt, Anhänger. Im Gemeinderat wird (informell) grün-schwarz regiert. Die Popularität des Stadtchefs in konservativen Kreisen geht so weit, dass die CDU gar nicht erst einen Gegenkandidaten aufstellt. Wieder einmal. "Es macht einfach keinen Sinn", so der Kreisvorsitzende Peter Kleefass.
Dafür ist die Konkurrenz von linker Seite groß. Hier wittert die Konkurrenz die offene Flanke des "Sonnenkönigs" Salomon. Zu den stärksten der fünf Herausforderer gehört der parteilose Sozialexperte Martin Horn (33) aus Sindelfingen. Er hat die SPD hinter sich. Ein linkes Bündnis stützt die Freiburger Lehrerin Monika Stein. Die 48-Jährige hatte 2008 die Grünen verlassen - auch wegen Salomons realpolitischem Kurs. Die weiteren Kandidaten gehen als Einzelbewerber ins Rennen. Vermutlich chancenlos.
Schwächen scheint Salomon ausgerechnet beim wichtigen Thema Wohnungspolitik zu haben. Hohe Mieten, wenig Wohnraum. Das ist ein ganz zentrales Problem in Freiburg. Und eines, bei dem der Oberbürgermeister weniger strahlend dasteht, als in seiner sonstigen Bilanz: 2006 hatte er die städtischen Wohnungen verkaufen wollen und wurde per Bürgerentscheid gestoppt. Ein Makel.
Das Thema Sicherheit - in der Außenwahrnehmung nach dem Mord an der Studentin Maria L. durch den Flüchtling Hussein K. sehr präsent - spielt hingegen keine große Rolle mehr. Freiburg sei "gelassen" geblieben, so Salomon kürzlich. "Ich war stolz auf diese Stadt." Und dann: "Und ich hatte den Eindruck, diese Stadt war auch stolz auf diesen Oberbürgermeister."
Der grüne Stadtchef setzt im Wahlkampf souverän auf seine Erfahrung und seine Manager-Qualitäten. Tritt äußerst selbstbewusst auf. "Ich gehe noch immer jeden Tag gerne ins Rathaus", sagt er. Er sieht sich in der Favoritenrolle und ist von seinem Sieg überzeugt, wie er sagt. 24 Jahre Dieter Salomon im Freiburger Rathaus - für ihn eine schöne Vorstellung.