Mit "leiser Hoffnung": Rektor Heil (l.), Antisemitismusbeauftragter Blume (r.). F.: Hentschel
Von Sören S. Sgries
Heidelberg. Nein, auf die pompöse Geste, auf Show setzt Michael Blume nicht. Keine Kippa, obwohl doch zeitgleich Tausende in Berlin auf die Straße gehen. Kein alarmistischer Rundumschlag, obwohl doch scheinbar täglich Juden in Deutschland angefeindet werden - "73 Jahre, nachdem sich die Tore von Auschwitz geöffnet haben", wie es Barbara Traub, die Vorstandsvorsitzende der Israelitischen Religionsgemeinschaft Württembergs, in ihrem Grußwort formulierte.
Doch gerade deshalb könnte der 41-jährige Religionswissenschaftler Blume ein Glücksgriff sein für den neu geschaffenen Posten des baden-württembergischen Antisemitismusbeauftragten - als sympathischer, besonnener, entschlossener Mahner, der anpacken will.
Eine Meinung, die wohl die deutliche Mehrheit der rund 100 Zuhörer teilte, die zu seiner "Antrittsvorlesung" bei der Heidelberger Hochschule für Jüdische Studien in der Alten Aula gekommen waren. Gleich reihenweise meldeten sich Freiwillige, die Blume ihre ehrenamtliche Mitarbeit andienen wollten. Ein willkommener Zuspruch. Denn wie hatte es Johannes Heil, Rektor der Hochschule, in seiner Begrüßung doch formuliert: "Dass Michael Blume seinen Auftrag ernst nimmt, und das auch so angehen wird, das weiß ich." Aber: "Er braucht Resonanz."
Blume selbst präsentierte sich in einem 30-minütigen Rundumschlag als der "Mann der Tat und leidenschaftliche Wissenschaftler", als der er im Vorfeld angepriesen worden war.
Als Schlüsselmomente für seine eigene Prägung präsentierte er zwei Erlebnisse: Einerseits den christlich-islamisch-jüdischen "Trialog", den er als junger Mann in Stuttgart erleben und mitgestalten durfte. "An jenem langen Nachmittag wurden ein Christ, ein Muslim und ein Jude zu Freunden", erinnert er an die erste Begegnung mit Meinhard Tenné, dem Schoah-Überlebenden.
Das zweite Erlebnis: der Tag, als er in Kocho im Irak an einem Massengrab stehen musste, in dem jesidische Frauen und Kinder hingerichtet worden waren. "Nicht im letzten Jahrhundert, jetzt, in dieser Zeit". Spätestens da sei ihm endgültig bewusst geworden, dass der Antisemitismus noch immer seine tödliche Wirkung entfalte.
Darauf baute er auf. "Antisemitismus richtet sich immer auch, aber nie nur gegen Juden", so seine Überzeugung. Er sei eine extreme Mischung aus "Rassismus und Verschwörungswahn" - und könne letztlich jeden treffen. Ob Islamisten oder Neonazis, ob "Chemtrail"-Gläubige oder Reichsbürger: Irgendwie lande jeder, der ins Reich der "Verschwörungsmythen" abgeglitten sei, irgendwann bei judenfeindlichen Erzählungen. Denn diese blickten auf eine jahrhundertealte Tradition zurück - und seien durch das Internet "nur zwei Klicks entfernt". Antisemitismus zu bekämpfen sei daher wichtig: "Nicht nur wegen der Juden".
Und welches Mittel wählt Blume? Den Dialog. Als Antisemitismusbeauftragter könne er "allein fast gar nichts" tun, so seine Überzeugung. Sondern es müsse breite gesellschaftliche Unterstützung geben, insbesondere um die Kinder rechtzeitig zu schützen. Die Idee einer "Hassprävention" an den Schulen hatte er bereits im RNZ-Interview verkündet. Wenn im Internet der Hass und die Verschwörungsmythen wucherten, dann müssten Staat und Zivilgesellschaft dem "eine reale Vernetzung der Aufklärung" entgegensetzen, so seine Forderung.
Doch auch wenn sich Blume sehr nahbar gibt, er kann klare Grenzen setzen. Dem AfD-Abgeordneten, der erklärte, künftig öfter Kippa tragen zu wollen, riet er sehr eindringlich, sich lieber um die bekannten Antisemiten in der eigenen Partei zu kümmern. Klar bekannte er sich auch zum Existenzrecht Israels - und zwar "nicht aus irgendeinem Schuldgefühl heraus". "Wer einen Staat vernichten will, vor dem ist kein Staat sicher", so Blume. Jeder dürfe kritisch sein. Doch das heiße nicht, vernichten zu wollen.
Wird sich sein Amt irgendwann überholt haben? "Ich kann Ihnen keinen lauten Sieg versprechen, sondern eine leise Hoffnung", endete Blume. Schnell werde es sicher nicht gehen.