Winfried Kretschmann und seine Frau Gerlinde. Foto: Nico Pointner/dpa
Konstanz. (dpa) Infolge ihrer Brustkrebserkrankung ist Gerlinde Kretschmann, die Ehefrau des baden-württembergischen Ministerpräsidenten Winfried Kretschmann (Grüne), operiert worden. "Die Operation war erfolgreich, und sie muss jetzt auf die Therapie warten", sagte Kretschmann dem in Konstanz erscheinenden "Südkurier". Seine Frau habe Aussichten, wieder zu genesen. Zudem reagiere seine Frau nicht hypernervös, sondern nehme die Erkrankung mit einiger Zuversicht an. Dennoch sei die Situation wegen des ungewissen Verlaufs der Krankheit angespannt. "Das ist schon ein schwerer Schlag, mit dem man zurechtkommen muss", sagte Kretschmann weiter.
Zugleich bekräftigte er, dass er im Wahlkampf kürzertreten und Termine streichen werde, um mehr zu Hause sein zu können. "Ich kriege das schon hin", unterstrich der Ministerpräsident.
Update: Donnerstag, 18. Februar 2021, 17.12 Uhr
Kretschmann fährt Wahlkampf wegen Krebserkrankung seiner Frau zurück
Von Henning Otte
Stuttgart. Gerlinde Kretschmann (73) ist ganz anders als ihr Mann. Schön zu beobachten zum Beispiel beim Landespresseball, wenn nicht gerade Corona ist: Er, ganz ungewohnt, im Smoking und trotzdem mit seinen berühmten Entenschuhen, nur eben in Schwarz, trottet hinter seiner Frau her. Sie stürmt voraus in einem kunterbunten Kostüm, scheint alle zu kennen, verteilt hie und da Küsschen. Ein bisschen wie an Fastnacht. Die First Lady kann mit de Leut’. Doch das jetzt wieder von ihr die Rede ist, hat einen traurigen Anlass. Gerlinde Kretschmann hat Brustkrebs. Und ihr Mann hat das öffentlich gemacht – mitten im Endspurt des Wahlkampfs.
Warum macht er das? Weil aufgefallen ist, dass sich der 72-Jährige etwa an diesem Freitag bei zwei Runden mit den Spitzenkandidaten vertreten lässt. Mit seiner schriftlichen Erklärung will der Grüne allen Spekulationen den Boden entziehen. Tenor: Er muss seiner Frau beistehen und deshalb bei politischen Terminen kürzertreten. Doch eigentlich hat der Ministerpräsident für Privates gerade gar keine Zeit: Es ist mehr als ein Fulltime-Job das Virus zu bekämpfen. Und: Der geplante Sieg bei der Landtagswahl am 14. März gegen den momentanen Koalitionspartner CDU ist kein Selbstläufer.
Auffällig in der Erklärung: Kretschmann sagt nicht ausdrücklich, dass er trotz der Erkrankung Spitzenkandidat bleiben wird. Sein Sprecher antwortet auf Rücktrittsnachfragen: "Das steht nicht im Raum." Doch Kretschmanns Erschütterung ist aus der Erklärung herauszulesen: "Es geht ihr den Umständen entsprechend, aber es kommen schwere Zeiten auf sie zu. Ich will für sie da sein."
Wahlkampf ohne Kretschmann? Der Altstar der Grünen prangt von so gut wie jedem Wahlplakat der Grünen im Land. Und trotzdem ist das auf den ersten Blick kein Beinbruch: In Corona-Zeiten gibt es sowieso kaum Wahlkampf, geschweige denn in Präsenz. Und trotzdem ist das für die Grünen ein schwerer Schlag. Denn: Es verstärkt die Zweifel an Kretschmann. Die bohrenden Fragen lauten: Wie lange hält der Grüne noch durch? Und wer wird sein Nachfolger, wenn er gewinnt und womöglich zur Hälfte der Wahlperiode abtritt.
Beim CDU-Parteitag vor drei Wochen stichelte Landeschef Thomas Strobl: "Bei den Grünen gibt es vor allem eine Idee und die heißt Winfried Kretschmann. Und dann ist nicht mehr viel."
Doch Strobl, Vize-Ministerpräsident und Innenminister, muss vorsichtig sein. Wenn Kultusministerin Susanne Eisenmann (56), verliert, muss der 60-Jährige vielleicht wieder mit den Grünen über eine Koalition verhandeln. Zudem könnte es sein, dass Kretschmann in seiner dritten Amtszeit zu einer Ampel mit SPD und FDP wechseln will. Es wird spekuliert, mit den kleineren Partnern wäre es einfacher, mitten in der Wahlperiode den Regierungschef zu wechseln.
Aber wer sollte das sein? Cem Özdemir, der Mann aus Bad Urach mit türkischen Wurzeln, lebt eigentlich mit seiner Familie in Berlin. Oder doch der Landtagsfraktionschef Andreas Schwarz? Er gilt intern als eine Art Kamala Harris, die den betagten Joe Biden ablösen könnte.
Und Kretschmann? Der muss nun sehen, dass seine Frau wieder gesund wird. Ausgerechnet sie, die sich als Schirmherrin eines landesweiten Mammografie-Screening-Programms engagierte. Ob der Grünen-Politiker darüber nachgedacht hat, es wie einst Franz Müntefering zu machen, wird vorerst sein Geheimnis bleiben. Der SPD-Mann war 2007 als Vizekanzler und Arbeitsminister zurückgetreten, um seiner krebskranken Frau beizustehen.