Eine Justizbedienstete nimmt C. im Heilbronner Landgericht die Handschellen ab. Er muss sich erneut wegen seiner mutmaßlichen Beteiligung am Überfall auf drei Senioren und eine Pflegerin verantworten. Eine Dolmetscherin (l.) ist dazu vonnöten. Foto: Armin Guzy
Von Armin Guzy
Heilbronn. Für die drei Senioren und eine Pflegerin war es die Hölle: Im eigenen Haus in Heilbronn von Einbrechern überfallen, gefesselt, geknebelt, geschlagen und mit einem spitzen Gegenstand so massiv bedroht, dass der Ehemann schließlich in Todesangst den Schlüssel zu zwei Tresoren übergab. Die drei Einbrecher entkamen mit Geld und Schmuck im Wert von mehr als 37.000 Euro. Das war vor fast genau zwei Jahren und vor allem das äußerst brutale Vorgehen der Täter machte damals Schlagzeilen.
Zwei der drei mutmaßlichen Täter wurden geschnappt, einer von ihnen, ein heute 30-Jähriger, wurde wegen erpresserischen Menschenraubs vom Heilbronner Landgericht zu 13 Jahren Haft verurteilt. Nun aber ist aus dem verurteilten Straftäter wieder ein Angeklagter geworden, für den die Unschuldsvermutung gilt: Der Bundesgerichtshof (BGH) hatte im Mai 2019 der Revision stattgegeben und das Urteil vollständig aufgehoben. Seit Dienstag wird der Fall nun erneut vor dem Heilbronner Landgericht verhandelt, allerdings nun von einer anderen Großen Strafkammer.
Schon zum Auftakt wird klar: Der Angeklagte will nach wie vor schweigen. Nachdem ihm Justizbeamte die Handschellen abgenommen haben, will er zunächst nicht einmal etwas zu seiner Person sagen. Der Vorsitzende Richter Martin Liebisch erklärt dem von einer Dolmetscherin begleiteten Georgier, dass das Gericht den Fall nun komplett neu zu prüfen und über den Fall zu entscheiden hat. "Ein Geständnis wäre jetzt erheblich strafmindernd und verfahrensverkürzend", versucht Liebisch, den Angeklagten C. zu einer Aussage zu bewegen. Der aber lehnt sich zurück - und schweigt. Zu verlieren hat der verheiratete Mann, den die Staatsanwaltschaft als Teil einer "deutschlandweit agierenden" Einbrecherbande sieht, bei dem Prozess kaum noch etwas, aber vielleicht etwas zu gewinnen: 13 Jahre Haft in erster Instanz, knapp unter "lebenslänglich" (mindestens 15 Jahre), nun aber steht alles wieder auf Anfang.
Für die Opfer der Einbrechertrios – einer von ihnen ist noch immer unbekannt, ein zweiter muss sich in einem separaten Verfahren verantworten – bedeutet C.s Schweigen das Wiederaufflammen ihrer psychischen Qualen. Am stärksten drangsalierten die Einbrecher damals den heute 75-jährigen Mann, aber auch seine 68-jährige Frau wurde gewürgt und mit dem Tode bedroht. Der 90-jährigen pflegebedürftigen Mitbewohnerin ließen die Täter nicht mal ihren Ehering – sie zog das Erinnerungsstück selbst ab, als die Einbrecher Anstalten machten, ihr den Finger abzuschneiden. Sie lebt mittlerweile in einem Pflegeheim, weil sie laut Angabe der Staatsanwältin nicht mehr alleine sein kann.
Auch das Ehepaar hat die Folgen der Tat nicht verwunden. Beide treten erneut als Nebenkläger auf, denn es geht auch um das im ersten Verfahren zugesprochene Schmerzensgeld, dessen Höhe aber noch nicht festgelegt wurde. Der Grund: Die beiden Senioren befinden sich laut ihrer Verteidigerin Tanja Haberzettl-Prach noch immer in psychologischer Behandlung. Im weiteren Verlauf des Verfahrens, für das bis 4. Februar sieben Verhandlungstage festgelegt wurden, werden die beiden schwer traumatisierten Senioren erneut aussagen und einem der mutmaßlichen Täter gegenübertreten müssen. "Das ist ganz schlimm für sie", sagt ihre Verteidigerin.
Der BGH hat das Urteil gegen C. wegen möglicher Verfahrensfehler kassiert. Im Wesentlichen geht es darum, dass eine von der Polizei gesicherte DNA-Spur als sogenannte Mischspur von einem Gutachter nicht alleine C. zugeordnet werden konnte, dies aber im ersten Verfahren bei der schriftlichen Urteilsbegründung nicht ausreichend betont wurde. Das Landgericht hätte nach Auffassung des BGH die Grundlagen dieses Gutachtens stärker ausführen müssen, nicht zuletzt, weil sich mittlerweile die Rechtsprechung bei solchen Mischspuren geändert hat, was dem Landgericht damals aber offenbar nicht bekannt war. Außerdem sehen die obersten Richter bei dem Überfall nicht die Merkmale einer hinterlistigen Tat erfüllt.
Nun wird erwartet, dass die Verteidigerin C.s vor allem das Sachverständigengutachten kritisch hinterfragen wird. Außerdem sind 14 Zeugen geladen, von denen zwei, beide Polizeibeamte, bereits gestern aussagten. Dabei zeigte sich, dass C. damals zumindest mit Männern unterwegs war, die in Verbindung mit anderen Einbrüchen stehen. Bei der Kontrolle eines Fahrzeugs auf dem Autobahnrastplatz Bauernwald hatten die Beamten ein gestohlen gemeldetes Smartphone mit zahlreichen Adressen gefunden, darunter waren auch Heilbronner Straßen. Außerdem konnten die Beamten den Bezug zwischen einem der Fahrzeuginsassen und einem Einbruch in Chemnitz herstellen. Im Auto saß damals auch C., der nun zu allem nichts sagt.