Das Hans-Rießer-Haus liegt an der Kreuzung Wollhausstraße/Allee, verkehrsgünstig und innenstadtnah. Manche Kirchengemeinderäte meinen, dass im Falle eines Verkaufs auch die Stadt gefordert sei, an dieser exponierten Stelle ihr Vorkaufsrecht auszuüben. Foto: Brigitte Fritz-Kador
Von Brigitte Fritz-Kador
Heilbronn. Gegenüber dem Wollhauszentrum in Heilbronn steht das Hans-Rießer-Haus, von seinen Nutzern auch liebevoll "Hansi" genannt. Bei aller unterschiedlicher Nutzung - das Wollhaus dient dem Kommerz, das "Hansi" der Kirche - haben die beiden Gebäude eines gemeinsam: Sie sind in die Jahre gekommen und zählen zu den umstrittensten und auch begehrtesten Spekulationsobjekten der Stadt.
Seit Montagabend aber ist klar: Das "Hansi" wird vorläufig nicht verkauft, stattdessen werden verschiedene Optionen geprüft, auch um es umzubauen und damit zu erhalten oder eventuell einen Neubau hier zu errichten. Mit dieser Überraschung endete die außerordentliche Sitzung des Heilbronner Gesamtkirchengemeinderates.
Zu verdanken war sie zwei Anträgen, einem von Dekan Christoph Baisch, erst seit ein paar Wochen im Amt, und Karl-Heinz Fromm, seit Jahrzehnten in der Kirche aktiv, der sich für den Erhalt des "Hansi" unter angepassten Bedingungen starkmachte. Wenn es nach diesem Abend dennoch Verlierer gibt, dann sind es die "Geier", die seit Jahren über der begehrten Immobilie in bester Lage kreisen; sie werden sich zumindest noch eine Weile gedulden müssen.
Der zunächst fast verdächtigen Eile zum Trotz, mit der man das "Hansi" verkaufen wollte, gibt es nun, wenigsten vorläufig, auf kirchlicher Seite nur Gewinner. Dazu zählen zunächst die Friedenskirchengemeinde und ihre Pfadfinder, die sich unter anderem mit mehr als 3000 gesammelten und an diesem Abend übergebenen Unterschriften dagegen wehrten, dass man ihnen als Ersatz für das "Hansi" das letzte Stück "Wiese" überbauen wollte, das nicht nur sie für ihre Arbeit benötigen. Aufatmen können auch die Chöre, vor allem die der Kilianskirche, oder auch die "Jungen Senioren", die hier probten und sich trafen. Sie werden das hier so lange weiter tun können, bis eine befriedigende Lösung gefunden ist.
Auch die Teilkirchengemeinden sind in ihren unterschiedlichen, teils widersprüchlichen Interessenslagen zunächst nicht mehr so stark darauf fixiert, wer was wann wo baut. Ob Dekan Baisch mit seinem Antrag, die Verkaufsentscheidung zurückzustellen respektive an exakte Bedingungen zu knüpfen und zuvor verschiedene Optionen nochmals zu prüfen, tatsächlich den Gordischen Knoten zerschlagen hat, wird sich zeigen.
Ausgangspunkt war, dass das "Hansi" vor allem wegen des Brandschutzes renovierungsbedürftig ist. Wegen der dafür errechneten Kosten von mehr als acht Millionen Euro kam ein klares "Nein" dazu vom Oberkirchenrat. Von diesem fühlt sich, das zeigte die Diskussion, eine ganze Reihe von Kirchengemeinderäten und Pfarrern im Stich gelassen oder unter Druck gesetzt.
Dekan Baisch will diesem "Nein" unter anderem mit einem neuen Konzept begegnen. Sein "salomonischer" Antrag zielte darauf, ein halbes Jahr Zeit zu gewinnen, damit die Kirchenpflege einen Neubau in Zusammenarbeit mit einem neuen vom Gesamtkirchengemeinderat erstellten Nutzungskonzept prüfen soll und erst danach den Verkauf und Übergangslösungen. Statt aus diesem Verkauf, so regte Baisch an, könne man die Mittel auch aus dem Verkauf anderer Immobilien generieren.
Dem eindeutigen "Ja" dazu in der Abstimmung gingen einige Wortmeldungen voraus, unter anderem dazu, für einen Neubau an der bisherigen Stelle einen Mitinvestor zu suchen, eventuell die Diakonie zu beteiligen oder die Nutzung um die Schaffung von sozialem Wohnraum zu erweitern. Dies stünde der Kirche gut an, meinten Hartmut Seitz-Bay, Geschäftsführer der Offenen Hilfen. Hannes Finkbeiner, Geschäftsführer der Aufbaugilde Heilbronn, und Kilianskirchenpfarrer Hansjörg Eiding erinnerten daran, dass das Grundstück, sollte man es doch verkaufen müssen, in der Zwischenzeit sicher nicht an Wert verlieren würde.
In dem gewählten Lied der Andacht zu Beginn der Sitzung ging es um den "rechten Weg". Auf der Zielgerade ist man beim "Hansi" noch nicht, aber die Zielrichtung stimme, das war am Ende dann die einhellige Meinung.
Bei der anschließenden Wahl für den Vorsitz des Gesamtkirchengemeinderates (Dr. Henning Hoffman gab ihn aus gesundheitlichen Gründen auf) erhielt Dr. Michael Kannenberg, Lehrer am Justinus-Kerner-Gymnasium, große Zustimmung. Einer seiner "Programmpunkte" hieß: "Das Kirchturmdenken überwinden." Auch das war eine "Richtungsentscheidung".