Von Axel Habermehl, RNZ Stuttgart
Stuttgart. Von der "Doxing"-Affäre, dem Datenklau, der Anfang Januar die deutsche Öffentlichkeit bewegte, sind in Baden-Württemberg 137 Personen des öffentlichen Lebens betroffen. Darüber informierte Landesinnenminister Thomas Strobl (CDU) am Mittwochnachmittag den Innenausschuss des Landtags.
Unter diesen Menschen, von denen persönliche Daten wie Telefonnummern und Adressen erbeutet, zusammengetragen und im Internet veröffentlicht wurden, seien 61 Landespolitiker, etwa Abgeordnete aller Landtagsfraktionen außer der AfD, sowie Regierungsmitglieder. Strobl wollte nicht vertieft über die Betroffenen berichten. Nach Informationen der RNZ sind über 50 Abgeordnete darunter. Laut einem Sprecher des Staatsministeriums gibt es auch dort vier Opfer, allen voran Ministerpräsident Winfried Kretschmann (Grüne), jedoch seien die veröffentlichten Daten veraltet.
Anfang Januar war bekannt geworden, dass ein Internet-Krimineller seit Wochen über Twitter private Daten von und über rund 1000 bekannte Personen in Deutschland veröffentlicht hatte. Wenig später wurde in Hessen ein 20-jähriger Tatverdächtiger festgenommen. Er soll rechtsextreme Tendenzen haben und ist laut BKA geständig. Das Twitter-Konto ist inzwischen gesperrt.
Das Innenministerium, berichtete Strobl gestern, habe sofort nach Bekanntwerden der Daten die Betroffenen informiert. Cybercrime-Spezialisten des Landeskriminalamts (LKA) hätten auf Geräten von zwei "besonders betroffenen" Abgeordneten digitale Spuren gesichert. Zudem habe man allen Opfern umfangreiche Beratung im Umgang mit den Veröffentlichungen angeboten. Bereits 2017 habe es entsprechende Schulungen im Landtag gegeben.
Grünen-Abgeordnete kritisierten die Landesbehörden für deren Informationspolitik. Mitglieder ihrer Fraktion seien inzwischen von einer "zweiten Welle" betroffen, dies habe man "durch Eigenrecherche entdeckt". Seit der Veröffentlichung gebe es gehäuft merkwürdige Anrufe auf Privatnummern und Handys. Abgeordnete seiner Fraktion erhielten zudem "kryptische und manchmal auch bedrohliche SMS" auf ihre Handys, berichtete der parlamentarische Geschäftsführer der Grünen-Fraktion, Uli Sckerl.
"Bei manchen passiert es auf dem Festnetz: Seltsame Anrufe nachts um drei, wie man es eigentlich aus schlechten Kriminalfilmen kennt." Der schwere Missbrauch persönlicher Daten sei kein Kavaliersdelikt und "absolut besorgniserregend". Die geleakten Daten stünden bis heute im Netz. "Das kriegt man nicht mehr eingefangen, das ist sozusagen jetzt für die Ewigkeit im Internet verewigt worden", so Sckerl.
AfD-Abgeordnete berichteten, ihre Daten seien teils schon vor Jahren im Netz veröffentlicht worden. Darüber habe sich die öffentliche Empörung aber in Grenzen gehalten.
Insgesamt sei Baden-Württemberg im Kampf gegen Cybercrime gut aufgestellt, sagte Strobl. Der aktuelle Fall zeige aber auch, dass es eine neue Sicherheitskultur brauche, um das Vertrauen in die digitale Welt zu erhalten. Allen müssten die Gefahrenpotenziale der digitalen Welt bewusst sein. Eine hundertprozentige Sicherheit gebe es auch in diesem Bereich nicht.
Unter "Doxing" versteht man das Sammeln personenbezogener Daten im Internet mit dem Ziel, diese zu veröffentlichen, um die Betroffenen dadurch zu irritieren, einzuschüchtern oder ihnen anderweitig zu schaden. Einen Teil der persönlichen Daten hatte der Täter durch Hackerangriffe erbeutet.