Der Blick vom Wartberg aus auf die Stadt Heilbronn ist oft ein Besonderer. Für die rechtsgerichteten Teilnehmer einer „Mahnwache“ gilt das offenbar auch in geschichtlicher Hinsicht. Symbolbild: Armin Guzy
Von Brigitte Fritz-Kador
Heilbronn. Ganz Heilbronn trauert jedes Jahr am 4. Dezember und gedenkt bei einer Veranstaltung am Ehrenfriedhof der 6500 Toten und der Zerstörung der Stadt durch britische Bomber. Eine ganz eigene Art des Gedenkens haben dabei Rechtsradikale entwickelt. Eine solche Gruppe traf sich im vergangenen Jahr (am Tag der 75. Wiederkehr des 4. Dezembers) zum zweiten Mal auf dem Heilbronner Hausberg, dem Wartberg, zu einem Fackelzug mit "Mahnwache". Ein Versuch, die Geschichte – auch dieses Tages – umzuschreiben: Etwa so: Das Bombardement habe "den Widerstand der deutschen Zivilbevölkerung gegen die fremden Invasoren" gestärkt. Dieser Vorgang hat jetzt ein Nachspiel gefunden.
Die Gruppe der Linken im Heilbronner Gemeinderat hatte sich Anfang Januar mit einer Anfrage zu diesem Auftritt am Wartberg an OB Mergel gewandt und erhielt nun Antwort. Darin verweist der OB auf die schon 2011 vom Gemeinderat verabschiedete Resolution gegen Rechtsextremismus und dass diese "mehr denn je gültig sei". Außerdem merkt er an, dass "Weisungsaufgaben nach Recht und Gesetz und neutral und professionell zu erfüllen" seien, daraus aber "keine Rückschlüsse auf die Haltung der Verwaltung" gezogen werden könnten.
Soweit die Antwort auf die Frage der Linken, warum die Stadtverwaltung den Fackelzug am 4. Dezember 2019, einen "offen neofaschistischen Aufzug", genehmigt habe. Zwischen den Zeilen wird dann doch das Unbehagen erkennbar darüber, dass das Versammlungsrecht ein Verbot nicht ermöglicht, unter anderem weil für Versammlungen unter freiem Himmel nur eine Anmeldepflicht gilt.
Nicht nur für die Heilbronner Linke ist der Wartberg-Fackelzug schwer erträglich, zumal dann, wenn eine rechtsgerichtete Gruppierung den Schicksalstag der Stadt dabei nicht nur in ihrem Sinne ummünzt und missbraucht, sondern sich auch noch "für die Kooperationsbereitschaft aller beteiligten Behörden" bedankt. Stadtverwaltung und Polizei hatten die Veranstaltung "in enger Abstimmung" unter Beobachtung.
Hinter dem als "Mahnwache" bezeichneten Aufzug zum Wartberg steht die Gruppierung "Wir Heilbronn", die sich auf ihrer Internetseite auch zum 4. Dezember entsprechend ihrer Gesinnung äußert und weitere "Mahnwachen" ankündigt. Zu der Veranstaltung seien "auf Einladung des in Pforzheim ansässigen Vereins ,Herz für Deutschland‘" knapp 50 Personen gekommen, heißt es dort. Auf einem beigestellten Bild sind 17 Fackelträger zu sehen.
Dass die Versammlung nicht auf dem Gipfel, sondern "auf mittlerer Höhe des Wartbergs" stattfand, muss die Gruppierung geschmerzt haben, auch das ist der Homepage zu entnehmen. Das "Bündnis gegen Rechts" war bei der Anmeldung schneller und hielt daher auf dem Gipfel eine Kundgebung gegen die "Mahnwache" darunter ab.
Hinter "Wir Heilbronn" steht neben dem Heilbronner Steuerberater Michael Dangel noch ein ganzes Netzwerk. Dangel war wegen seiner Verbindungen zu rechtsradikalen Kreisen, vor allem in Jena, und deren Querverbindungen zum NSU, auch vor den entsprechenden Untersuchungsausschuss in den Stuttgarter Landtag geladen. Damals schon (2017) berichteten die Stuttgarter Zeitungen von seinen intensiven Verbindungen und von eigenen Aktivitäten in den rechtsradikalen Kreisen in Thüringen wie auch von einem von ihm initiierten und geführten "Geheimbund" in Heilbronn.
In einem der besagten Artikel wird aus Ermittlungsakten zitiert. Demnach solle der "Geheimbund" nach Anweisung Dangels "bewusst klein und überschaubar gehalten werden", und es dürften nur "vertrauenswürdige und langjährige politische Gefährten" mitmachen. Genannt sind auch die einschlägigen Heilbronner Kneipen, in denen die Treffen stattfinden.
Weniger bekannt ist, dass die Verteidigerin des im NSU-Prozess wegen Beihilfe zum Mord in neun Fällen schuldig gesprochenen Ralf Wohlleben (er ist inzwischen wieder auf freiem Fuß) aus Pfedelbach stammt und schon seit den 1990er-Jahren regelmäßig an den Treffen von Michael Dangel teilnahm. Auffallend ist außerdem, wie viele Mitglieder des Dangelschen Netzwerkes in Jena Jura studieren oder studierten, wo er unter anderem eine inzwischen verbotene Burschenschaft ins Leben rief. Dangel war in den 1990er-Jahre auch Sprecher der "Burschenschaft Arminia Zürich zu Heidelberg" und Mitbegründer des rechtsgerichteten "Forum 90".
Konrad Wanner, der Sprecher der Linken im Gemeinderat, will der Gefahr begegnen, dass der 4. Dezember von Rechtsextremen und Neonazis zunehmend missbraucht wird. Er ruft alle "Gruppen und Kräfte in der Stadt dazu auf, dem Einhalt zu gebieten" und sagte: "Es sind noch mehr Anstrengungen nötig, den Missbrauch des Gedenkens an die Opfer des von der Naziregierung zu verantwortenden Bombenkrieges und der Zerstörung Heilbronns zu unterbinden."
Indes findet sich auf der schon genannten "Wir-Homepage" ein Aufruf an Gleichgesinnte, "die sich gegen die vorherrschende perfide Geschichtspolitik wenden" sollen, um "einem politischen Verhalten des ewiglichen Zukreuzekriechens in Deutschland Einhalt" zu gebieten. Angestrebt wird ein "Pforzheim 2.0". Der Begriff steht für die Aktivitäten des dortigen Vereins "Herz für Deutschland", der ebenfalls Sammelbecken Rechtsradikaler ist.