Von Julia Giertz
Stuttgart. Ministerpräsident Winfried Kretschmann (Grüne) dringt auf Konsens der Bundesländer im Kampf gegen die Corona-Pandemie. Deshalb habe er eine Änderung des bestehenden Beherbergungsverbotes zugunsten von Geschäftsreisenden aus Risikogebieten mit Blick auf ein Treffen von Kanzlerin Angela Merkel (CDU) und den Ministerpräsidenten auf Eis gelegt, sagte er am Dienstag in Stuttgart. Es mache keinen Sinn, die beabsichtigte Ausnahme für Dienstreisen gleich nach der Zusammenkunft womöglich wieder modifizieren zu müssen. Unter den Bundesländern ist das Beherbergungsverbot sehr umstritten.
Kretschmann sprach von einem "gigantischen Aufreger-Thema". Er gab auch zu bedenken, dass das Virus nicht zwischen Geschäftsreisenden und Urlaubern unterscheide. Sofern sich die Lage nicht sehr unterschiedlich darstelle, plädiere er für eine bundesweit einheitliche Regelung. "Sonst haben die Leute damit Probleme."
Merkel hat die Regierungschefs für diesen Mittwoch nach Berlin eingeladen. Er sei davon überrascht gewesen, sagte Kretschmann. Aber im persönlichen Kontakt könne man anders mit Dissonanzen umgehen als über Videoschalten. Das Wort der Kanzlerin habe großes Gewicht.
Eine Übernachtung in Hotels oder Pensionen im Südwesten ist Menschen aus Risikogebieten – seien es Urlauber oder Geschäftsreisende – derzeit nur erlaubt, wenn sie einen negativen Corona-Test vorlegen können, der nicht älter als 48 Stunden ist. Als Risikogebiete gelten Städte oder Landkreise, in denen es in den vergangenen sieben Tagen mehr als 50 Neuinfektionen mit dem Coronavirus pro 100.000 Einwohner gab.
Die Diskussion um die bereits seit Monaten bestehende Regelung ist jetzt dadurch angeheizt worden, dass immer mehr Städte und Regionen den kritischen Wert überschreiten und ihre Bürger konkret betroffen sind. Im Südwesten sind es die Landeshauptstadt Stuttgart und der Landkreis Esslingen.
Das Gastgewerbe im Südwesten findet das Beherbergungsverbot für Menschen aus Risikogebieten unsinnig, unpraktikabel und unverhältnismäßig. Damit werde eine bereits gebeutelte Branche massiv geschädigt, sagte ein Sprecher des Deutschen Hotel- und Gaststättenverbandes Baden-Württemberg am Dienstag in Stuttgart. "Das was noch funktioniert, wird nun auch noch kaputt gemacht – das ist ein Lockdown durch die Hintertür".
Es sei nicht einzusehen, dass Menschen aus Risikogebieten sich in anderen Orten den ganzen Tag aufhalten, aber nicht im Hotel übernachten dürften. Zudem seien Hotelübernachtungen bislang nicht als Ansteckungsherde bekannt geworden und es sei nicht untersagt, etwa bei Freunden zu schlafen. Ungeklärt sei auch, wie der Hotelier mit einem Gast aus einem Gebiet umgehen soll, wo erst am Anreisetag der kritische Wert überschritten wird. "Soll er ihn dann unter die Brücke schicken?", so der Sprecher.
Die beiden CDU-Minister Nicole Hoffmeister-Kraut (Wirtschaft) und Guido Wolf (Tourismus) hatten ebenfalls dafür plädiert, zumindest das Verbot für Geschäftsreisende zu kippen. Die Regelung sei im Südwesten zu einer Zeit eingeführt worden, als es nur wenige Risikogebiete gab, sagte Wolf. Auch er sagte, das Verbot werde für die Hotels zu einem "Lockdown durch die Hintertür".
Der Maschinenbauerverband VDMA warnte vor negativen Auswirkungen auf die Wirtschaft. "Alle, die beruflich unterwegs sind, müssen von präventiven Reisebeschränkungen ausgenommen werden", forderte VDMA-Hauptgeschäftsführer Thilo Brodtmann am Dienstag. "Denn ein Übernachtungsverbot für Geschäftsreisende und Monteure wäre gleichbedeutend mit einem Shutdown von Teilen der Wirtschaft."