Eine Milliarde extra für Schulen in Baden-Württemberg
Die SPD fordert eine "Politik, die etwas bewirkt", die Regierungskoalition und eine genervte Ministerin kontern.

Von Theo Westermann, RNZ Stuttgart
Stuttgart. Die Corona-Pandemie und ihre Folgen haben das Land bisher rund fünf Milliarden Euro weniger gekostet als geplant, das erhöht die Begehrlichkeiten – und führte am Mittwochmorgen zum heftigen Disput im Landtag. Im Moment will die Landesregierung mit diesem Puffer im wesentlichen Schulden tilgen. Die Kernforderungen der SPD, die die Debatte am Mittwochmorgen beantragte: 1000 zusätzliche Lehrer gegen den Unterrichtsausfall, weitere IT-Fachkräfte, eine Fachkräfte-Offensive für die Kitas und neue Schulpsychologen.
"Und um die nötige Größenordnung der Hilfe klar zu machen, reden wir von einer Bildungsmilliarde. Ja, von einer Milliarde. Das ist das, was man in Berlin einen Wumms nennt. Übersetzung für die Landesregierung: Politik, die etwas bewirkt", so SPD-Fraktionschef Andreas Stoch spitz.
Er verwies zunächst auf 5,7 Milliarden Euro noch nicht ausgegebener Corona-Kredite, aber auch auf aktuelle Haushaltsreste von rund sechs Milliarden Euro. Über die Beurteilung dieser Corona-Kreditermächtigungen sowie der Praxis der Haushaltsreste und ihre mögliche Nutzung gibt es immer wieder Debatten zwischen Regierung und Opposition. Stoch führte aus: "Nun gibt es auch noch die, die behaupten, das Geld nütze nichts, weil man ja gar keine Lehrkräfte finden könne. Das ist schon in sich nicht richtig, weil in unserem Land immer noch viele Lehrkräfte auf der Straße stehen."
Bildungsministerin Theresa Schopper (Grüne) reagierte sichtlich genervt. "Dass wir vor riesigen Herausforderungen stehen, sind wir uns alle einig. Und dass Investitionen in Bildung und junge Menschen sinnvoll sind, keine Frage – und wir tun das", so Schopper und verwies auf die Ergebnisse der Haushaltsberatungen. "Wir haben tiefgreifende Beschlüsse gefasst". Die Forderungen der SPD und der Verweis auf Coronakredite und Haushaltreste seien aber immer "die gleiche Leier und bringt uns an den Punkt nicht weiter".
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Die 5,7 Milliarden Euro habe man eben nicht auf der hohen Kante. "Diese Coronamilliarden stehen doch nicht einfach zur Verfügung, um strukturelle Ausgaben mit langfristigen Folgen zu tätigen." Auf die Kritik am Landesprogramm "Lernen mit Rückenwind" sagte sie: "Das geht mir auf die Nerven".
So richtig in Fahrt kam sie, als sie eine Anfrage der SPD-Fraktion auf Zulassung einer Zwischenfrage konterte: "Dazu habe ich jetzt keine Lust". Was die SPD so sehr auf die Palme brachte, dass Landtagspräsidentin Muhterem Aras (Grüne) für Ruhe sorgen musste.
Inhaltliche Unterstützung bekam Schopper vom bildungspolitischen Sprecher der Grünen, Thomas Poreski. Er verwies auf "in der Summe 2000 zusätzliche Lehrkräften im Doppelhaushalt, das ist ein Wort." Zudem würden die Verträge von 1165 Lehrkräften für den Unterricht von geflüchteten Kindern verlängert, es gebe mehr Geld für Inklusion, Schulsozialarbeit, mehr Ausbildungskapazität für sonderpädagogische Fachkräfte. "Machen Sie sich mal ehrlich.
Hätten sie nur einen Bruchteil davon erreicht, kämen sie aus dem Feiern nicht mehr raus." Andreas Sturm (CDU) verwies auf die Gesamtstruktur des Haushalts, bei dem die Schulpolitik 13,3 Milliarden Euro umfasse. "Im Hinblick auf die vielen Aufgaben müssen wir schauen, dass der Haushalt im Gleichgewicht bleibt". Die SPD-Forderungen seien ein Wunschzettel und ein Überbietungswettbewerb.
FDP-Bildungsexperte Timm Kern geißelte ebenfalls die Schulpolitik der Landesregierung, sah aber auch den Vorschlag der SPD kritisch: Man sehe zwar ebenfalls einen schulpolitischen Investitionsbedarf, doch: "Wer glaubt, dass eine seit über zwölf Jahre schlechte Bildungspolitik besser wird, weil man mehr Geld reinsteckt, der irrt. Wichtiger wäre, wenn Grün-Schwarz auf die Bildungspraktiker im Land hören würde."
Auch AfD-Sprecher Hans-Peter Hörner sah kritisch in Richtung SPD-Forderung, mehr Lehrer einzustellen. "Ich sehe keine Lehrkräfte, die auf der Straße stehen, sie sind abgewandert in andere Bundesländer, wo sie besser behandelt werden."