Von Roland Muschel, RNZ Stuttgart
Stuttgart. Täuschungsmanöver und unlautere Tricks wirft SPD-Fraktionschef Andreas Stoch (SPD) der grünen Finanzministerin Edith Sitzmann (Grüne) bei der Aufstellung des Landeshaushalts für 2017 vor. Von "frisierten Zahlen" spricht FDP-Fraktionschef Hans-Ulrich Rülke, und AfD-Fraktionschef Jörg Meuthen von einem "Armutszeugnis".
Die Aussprache zum Haushaltsentwurf, eine Woche nach dessen Einbringung im Landtag durch die Finanzministerin, ist traditionell die Stunde der Abrechnung der Opposition mit der Politik der Regierung. Diesmal fällt sie besonders scharf aus, es geht schließlich um den ersten eigenständigen Etat von Grün-Schwarz.
Im Fokus der Opposition stehen dabei am Mittwoch weniger Detailvorhaben in dem Entwurf mit Gesamtausgaben von 47,6 Milliarden Euro, sondern die geplante Änderung der Landeshaushaltsordnung. Diese gibt der Regierung künftig die Möglichkeit, die Steuermehreinnahmen, die nach der bisherigen Regelung zum Abtragen der Altschulden verwendet werden müssten, auch für die Tilgung "impliziter Schulden" wie fällige Sanierungen oder Pensionslasten zu verwenden. 2017 betrifft das immerhin 300 Millionen Euro, 2020 voraussichtlich 1,2 Milliarden Euro.
Es sei "grotesk", wenn Grüne und CDU sogar das "Stopfen von schwarzen Löchern" wie auflaufende Verluste aus dem EnBW-Deal des früheren CDU-Ministerpräsidenten Stefan Mappus nun auch unter dem neuen Stichwort "Tilgung impliziter Schulden" verbuchten, klagt Stoch. "Tricksen, tarnen, täuschen" sei offenbar das Motto bei der Haushaltsaufstellung gewesen. Das sehe er genauso, sagt Rülke, und erinnerte daran, dass die CDU im Wahlkampf noch einen Schuldenabbau gefordert habe. Dass sie nun einen solchen Haushalt mittrage, sei im Grunde "Wahlbetrug".
Die heftigen Vorwürfe an der Gesamtarchitektur des Haushalts garniert die Opposition mit Kritik an Details wie dem Abbau von Lehrerstellen, dem Heranziehen der Kommunen zur Konsolidierung des Landesetats oder der Einführung von Studiengebühren für Ausländer. Dass die Regierung von einer Stärkung der Bildung spreche, wenn im Saldo Deputate gestrichen werden, sei "gelebter Zynismus", ärgert sich Stoch. "Jämmerlich" findet Rülke die Gebührenpläne "nur für ausländische Studenten". Meuthen nennt es dagegen "skandalös", dass das Land fast drei Mal so viel Geld für unbegleitete minderjährige Flüchtlinge ausgebe wie für die Familienförderung.
"Wir stehen zu unserer humanitären Verantwortung, auch wenn sie etwas kostet", hält Sitzmann der AfD-Kritik an den - im Vergleich zu diesem Haushaltsjahr massiv gesunkenen - Ausgaben für Flüchtlinge entgegen. Die Investitionen in gute Integration würden sich auf Dauer sogar auszahlen. Überhaupt sei das Geld der Steuerzahler bei Grün-Schwarz in guten Händen, sagt die Finanzministerin in der aufgeladenen Debatte. Sie verweist darauf, dass das Land 2017 keine neuen Kredite aufnehme und sogar die aufgelaufenen Sanierungsstaus abbaue. Wer auf die Sanierung von Straßen oder Brücken verzichten und stattdessen lieber Altschulden abbauen wolle, solle entsprechende Anträge stellen, sagt Sitzmann in Richtung Opposition. Beides zu fordern, sei dagegen nicht seriös.
Die Fraktionschefs der Regierungsfraktionen von Grünen und CDU, Andreas Schwarz und Wolfgang Reinhart, geben der Finanzministerin in der letzten Plenarsitzung in diesem Jahr Flankenschutz. Beide betonen die Investitionen für Bildung, Schwarz legt in seiner Rede ein besonderes Augenmerk auf die von der grünen Wissenschaftsministerin Theresia Bauer in die Wege geleitete Forschungsallianz "Cyber Valley", Reinhart auf Mehrausgaben für die Sicherheit.
Beide Fraktionschefs sparen aber auch nicht mit kleinen Seitenhieben auf den jeweiligen Koalitionspartner. Die Regierung werde die Informatik "an allen Schularten stärken", kündigt Schwarz an, der sich kürzlich per Brief bei Kultusministerin Susanne Eisenmann (CDU) über deren Pläne beschwert hatte, mangels ausreichend Lehrerstellen zunächst nur Gymnasien zu bedienen. Dass das Land dieses Jahr nicht alle Bundesmittel für den Straßenbau abrufen könne, "das kann uns nicht zufrieden stellen", merkt wiederum Reinhart spitz mit Blick auf Verkehrsminister Winfried Hermann (Grüne) an.
In der zweiten Runde der Haushaltsberatungen nimmt sich der Landtag am 8., 9. und 10. Februar nacheinander die Einzeletats des Landtags sowie aller Fachressorts vor, am 22. Februar dann soll das Gesamtpaket verabschiedet werden.