Pläne für Patrick Henry Village in Heidelberg: Nach 24 bis 48 Stunden steht der Asylbescheid
Bundesflüchtlingsamt will ein neues Erfolgsprojekt in Heidelberg vorstellen - 100 Entscheidungen am Tag sollen möglich sein

Maximale Beschleunigung, direkte Integration: Wenn das Modellverfahren wirklich funktioniert, wäre es eine echte Erleichterung auch für die Flüchtlinge. Foto: Oliver Killig
Von Sören S. Sgries
Heidelberg. Mit einem neuen Modellverfahren bei der Bearbeitung von Asylanträgen soll Heidelberg bundesweit Maßstäbe setzen. Wie die Rhein-Neckar-Zeitung aus informierten Kreisen erfuhr, sollen schon bald bis zu 100 Asylentscheidungen am Tag getroffen werden – und zwar im "Komplettverfahren". Binnen 24 bis 48 Stunden sollen Erstregistrierung, Gesundheitsuntersuchung und tatsächlicher Entscheid durch das "Bundesamt für Migration und Flüchtlinge" (BAMF) durchgeführt werden. Derzeit liegt die durchschnittliche Verfahrensdauer deutschlandweit bei rund fünf Monaten.
Kern des Verfahrens ist laut BAMF die frühzeitige Aufteilung aller Asylanträge in vier "Cluster" mit unterschiedlichen Verfahrensschritten. So sollen sowohl bei sehr guter (Syrien), als auch bei sehr schlechter Bleibeperspektive (Westbalkan) die schnellsten Entscheidungen ermöglicht werden. Andere Fälle werden in Außenstellen verwiesen. Das Konzept soll erst am Freitag von BAMF-Chef Frank-Jürgen Weise offiziell präsentiert werden
Gestartet war Weise mit ein paar Vorschusslorbeeren von Innenminister Thomas de Maizière. "Er kann führen, er kann eine Behörde modernisieren, er ist jetzt für diese Aufgabe der Beste", hatte dieser über Frank-Jürgen Weise gesagt, als der Chef der Bundesagentur für Arbeit vor knapp drei Monaten in Personalunion auch die Leitung des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge (BAMF) übernahm. Seitdem hat Weise einige Kritik einstecken müssen, hinter den Kulissen aber auch schon einiges bewegt. Und jetzt kann er erstmals in die Offensive gehen. Mit der Vorstellung eines neuen Pilotprojekts in der Bearbeitung von Asylanträgen im Heidelberger Patrick-Henry-Village.
Aus informierten Kreisen erfuhr die Rhein-Neckar-Zeitung, dass schon seit einiger Zeit an dem Projekt gearbeitet wird. Die ersten Erfahrungen machen demnach Hoffnung auf einen großen Sprung. Bis zu 100 abgeschlossene Asylverfahren pro Tag sollen demnach künftig möglich sein. Allein in Heidelberg. Und zwar nicht nach einer mehrmonatigen Wartezeit, die sich derzeit üblicherweise an Ankunft und Registrierung in Deutschland anschließt, sondern innerhalb von 24 bis 48 Stunden.
"Die Menschen stehen morgens vor der Landeserstaufnahme und können schon am nächsten Tag ihren Asylbescheid in der Hand halten", zeigt sich einer, der das Konzept bereits präsentiert bekommen hat, schwer beeindruckt.
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Seitens des BAMF verweist man noch auf den Pressetermin an diesem Freitag im Heidelberger Registrierzentrum, zu dem Behördenchef Weise und Ministerpräsident Winfried Kretschmann einladen. Dann, so ist zu erwarten, wird dieses Projekt vorgestellt werden. Bis dahin geben sich alle Beteiligten eher verschlossen zur konkreten Arbeit. Aber "ein paar grobe Informationen" gibt es aus dem BAMF dann doch.
Demnach habe man bereits "erste Erfahrungen mit einer konzentrierten Bearbeitung ausgewählter Herkunftsländer gesammelt". Die Verfahrensdauer habe dadurch auf "wenige Wochen" verkürzt werden können. Schon das ist ein enormer Sprung: Bislang zielt Weise für 2016 im Schnitt auf eine durchschnittliche Verfahrensdauer von drei Monaten.
Das neue Modellverfahren, so das BAMF, baue darauf auf. Die vergleichsweise einfache Grundidee: Alle Asylanträge werden "vorsortiert" in vier "große Cluster mit jeweils unterschiedlichen Verfahrensschritten".
"Cluster A" umfasst Herkunftsländer mit sehr guter Bleibeperspektive. Genannt werden Syrien, Eritrea, auch religiöse Minderheiten im Irak. Geplant sind hier "Komplettverfahren vor Ort innerhalb von 24-48h". Mit in der Regel positivem Bescheid geht es weiter in die Kommunen, Integrationsmaßnahmen können sofort beginnen.
Mit umgekehrten Vorzeichen wird im "Cluster B" verfahren, das für Anträge aus den "Sicheren Herkunftsländern" ebenfalls einen (negativen) Bescheid innerhalb von 48 Stunden vorsieht. Vorher gibt es eine Rückkehrberatung. Hinterher erfolgt der "Verbleib in einer Einrichtung bis zu Ausreise (freiwillig oder zwangsweise)".
Komplexere Fälle ("Cluster C") bekommen zwar eine Anhörung, werden dann aber zur Weiterbearbeitung an eine Außenstelle verwiesen. Ebenso in "Cluster D" die sogenannten "Dublin-Fälle", also Flüchtlinge, für deren Asylverfahren eigentlich ein anderer EU-Staat zuständig ist.
Weitere Effizienz in das Modellverfahren bringen eigens eingerichtete "Belehrungsräume", in denen Dolmetscher auch kleine Gruppen über ihre Rechte und Pflichten als Asylsuchende informieren können. Ebenso gibt es die Möglichkeit, "sehr zeitnah" und vor Ort eine Echtheitsüberprüfung von Dokumenten vorzunehmen.
Und nicht zuletzt: In Heidelberg ist ein mehrsprachiges Team der Bundesagentur für Arbeit eingebunden, das "noch vor dem Asylbescheid" mit ersten Schritten zur Arbeitsmarktberatung beginnt. Auch Integrationsangebote können hier früh andocken, so die Hoffnung des BAMF.
Derzeit sollen rund 50 BAMF-Mitarbeiter in Heidelberg im Einsatz sein, die laut Expertenmeinung bis zu 200 neue "Fälle" am Tag anlegen können. Bereits im Januar soll das Personal verdoppelt werden. Um letztlich die maximal 600 Registrierungen aufzufangen, die von Landesseite täglich in Heidelberg vorgenommen werden sollen, bräuchte es insgesamt 150 Bundes-Mitarbeiter.
Zur Einordnung: Deutschlandweit wurden im November insgesamt 35 400 Entscheidung getroffen, täglich 1180. Selbst mit zunächst nur 100 Entscheidungen am Tag: Sollte die Bearbeitung in Heidelberg tatsächlich wie erhofft funktionieren - es wäre ein wirklich großer Schritt. Und das Patrick-Henry-Village wieder einmal "Vorbildprojekt".