Kondompflicht für Freier, behördliche Anmeldung, Gesundheitsberatung: Die neuen Auflagen für das Rotlichtmilieu sind klar - nicht aber, wie sie kontrolliert werden. Foto: Boris Roessler
Von Jens Schmitz, RNZ Stuttgart
Stuttgart. Wenige Wochen vor Inkrafttreten des bundesweiten Prostituiertenschutzgesetzes biegt die Landesregierung auf die Zielgerade ein: Dem Sozialministerium zufolge sind die Pläne zur Umsetzung in Baden-Württemberg fertig. Am 20. Juni könnte das Kabinett darüber beraten. Der Entwurf befinde sich derzeit in der Ressortabstimmung, doch "wir sind optimistisch", erklärte Ministeriumssprecher Markus Jox am Dienstag auf Anfrage dieser Zeitung. Erste Details lassen sich der Antwort auf eine Landtags-Anfrage entnehmen. Sie stoßen schon auf Kritik.
Vom 1. Juli an gilt in Deutschland ein neues Prostituiertenschutzgesetz, das nicht nur Bordelle und ihre Betreiber stärker kontrolliert. Neben einer Kondompflicht bei gewerblichem Sex schreibt es für Prostituierte auch eine behördliche Anmeldung, eine Gesundheitsberatung und eine vom Arbeitsbereich getrennte Wohnung vor. Wie diese Auflagen umgesetzt werden sollen, ist Ländersache und war bislang auch in Baden-Württemberg weitgehend offen.
Vor Abschluss der Beratungen will man sich im Sozialministerium nicht in die Karten schauen lassen. Wohin die Pläne gehen, lässt sich teilweise aber einer bislang unveröffentlichten Antwort an den Landtag entnehmen, die dieser Zeitung vorliegt.
Die neuen Aufgaben sollen den unteren Verwaltungsbehörden zufallen, heißt es darin. Mit Zulassung und Gesundheitsberatung der betroffenen Frauen könnten demnach die kommunalen Ordnungs- und Gesundheitsämter betraut sein. Zusammen mit den vom Land geförderten Fachberatungsstellen erarbeitet das Ministerium entsprechende Leitfäden. Geplant ist außerdem eine Smartphone-Anwendung, die Prostituierten Hilfsangebote bekannt machen soll.
Der Landtag hatte die Regierung Anfang Mai auf SPD-Initiative hin ersucht, über ihre Umsetzungspläne für das Gesetz zu berichten. Die Antwort mit Datum von 30. Mai blieb noch vergleichsweise vage. Die Anmeldepflicht soll wesentlich dazu dienen, Opfer von Verbrechen und Zwangslagen zu erkennen. Welchen Schulungsbedarf das voraussetzt, konnte das Sozialministerium aber noch nicht sagen. Die Höhe des Beratungsbedarfs könne gegenwärtig nicht beziffert werden, heißt es in dem Schreiben. Über mögliche Kosten seien keine abschließenden Angaben möglich.
Kritiker machen sich auch so schon Sorgen. "Thema verfehlt", urteilt die Stuttgarter Sozialarbeiterin Sabine Constabel über die Idee, das Anmeldeverfahren bei Verwaltungsbehörden anzusiedeln. Constabel gehört zum Vorstand des Stuttgarter Vereins "Sisters - für den Ausstieg aus der Prostitution"; sie hat im Bundestagsverfahren als Sachverständige mitgewirkt. "Es geht ja in diesem Ausschnitt des Prostituiertenschutzgesetzes um das Erkennen von Menschenhandel", sagt sie, "und da gehört die Polizei rein."
Mehr als 90 Prozent seien Frauen aus den armen Ländern Europas, viele der deutschen Sprache nicht mächtig. Nur die Polizei könne vor der Registrierung Fahndungslisten durchgehen, frühere Auffälligkeiten feststellen und auch die Begleitung der Antragstellerinnen überprüfen. "Wenn man einen Kriterienkatalog erstellt, dann doch bitte mit den Profis!"
Die SPD-Abgeordnete Sabine Wölfle ist mit dem bisherigen Feedback ebenfalls unzufrieden. "Es darf kein niederschwelliges Angebot sein", sagt sie. Auch sie befürwortet eine Überprüfung durch die Polizei: "Der Bedarf an sehr, sehr jungen Frauen ist sehr groß. Da muss es eine Chance geben, dass jemand die Hintergründe anschaut." Ihr Eindruck: Es fehle das Problembewusstsein.