Trendwende im sozialen Wohnungsbau?
Die Regierung stellt ihr überarbeitetes Förderprogramm vor - Der Deutsche Gewerkschaftsbund und die Opposition vermissen den großen Wurf

Von Roland Muschel, RNZ Stuttgart
Stuttgart. Mit einem Fördervolumen von insgesamt 500 Millionen Euro will Grün-Schwarz in diesem und im kommenden Jahr den Wohnungsbau in Baden-Württemberg ankurbeln. Das Gros der Mittel soll in den Bau und die Modernisierung von Sozial-Mietwohnungen fließen. Für die Förderung von Eigentumswohnungen sind 120 Millionen Euro reserviert. Die neue Konzeption für das Förderprogramm 2020/21, die das Kabinett am Dienstag beschlossen hat, soll zum 1. April 2020 in Kraft treten.
Laut einer Studie aus dem Jahr 2017, die das Stuttgarter Wirtschaftsministerium beim Prognos-Institut in Auftrag gegeben hatte, müssten in Baden-Württemberg bis 2025 fast 500.000 Wohnungen gebaut werden, um den Bedarf zu decken und Platz für eine Million zusätzlicher Bürger zu schaffen. Trotz des Bedarfs sind in der Vergangenheit nicht alle Fördermittel des Landes ausgeschöpft worden. Auch deshalb hat die grün-schwarze Koalition ihre Konzeption überarbeitet.
Erstmals will das Land künftig auch Unternehmen einen Zuschuss gewähren, die für ihre Mitarbeiter preiswerte Wohnungen bauen. Dafür sind im Doppelhaushalt sechs Millionen Euro eingeplant. "Das Thema Wohnraum spielt bei der Gewinnung von Fachkräften eine immer wichtigere Rolle", begründete Ministerpräsident Winfried Kretschmann (Grüne) den neuen Akzent. Ein solches Angebot gebe es bisher in keinem anderen Bundesland, sagte Wirtschaftsministerin Nicole Hoffmeister-Kraut (CDU).
Baden-Württemberg sei zudem das erste Bundesland, das auch im sozialen Mietwohnungsbau klar auf mehr Klimaschutz setze, sagte Kretschmann. Auf Druck von Umweltminister Franz Untersteller (Grüne) wird für alle neuen Vorhaben verbindlich der Energieeffizienzhaus-Standard KfW 55 festgelegt. Sein Haus beteiligt sich mit 1,5 Millionen Euro Fördermitteln am Programm; mit der Summe werden Investoren bezuschusst, die den noch höheren Standard KfW 40 umsetzen.
Auch interessant
Im Fokus der Bemühungen steht der soziale Wohnungsbau. Für sichtbare Erfolge brauche die Politik hier einen langen Atem, sagte Hoffmeister-Kraut. Aber die Anstrengungen der vergangenen Jahre zahlten sich bereits aus: 2019 habe man so viele Anträge auf Förderung neu gebauter Sozial-Mietwohnungen verzeichnen können "wie seit Jahrzehnten" nicht mehr. "Die Trendwende ist geschafft", so die Ministerin.
Der Deutsche Gewerkschaftsbund (DGB) vermisst dagegen den großen Wurf. Die 2019 beantragten Sozial-Mietwohnungen reichten höchstens aus, um den Bestand nicht weiter sinken zu lassen, monierte DGB-Landeschef Martin Kunzmann. 2002 habe es in Baden-Württemberg noch 137.000 Sozial-Mietwohnungen gegeben, inzwischen gebe es nur noch 57.000. Von einer Kehrtwende könne daher keine Rede sein. "Das Land muss endlich wieder selbst bauen", forderte Kunzmann. Deshalb müsse eine Landesentwicklungsgesellschaft – analog zur "BayernHeim" im Nachbarland – als staatliche Wohnungsbaugesellschaft gegründet werden.
Das fordert auch die SPD. Eine Landesentwicklungsgesellschaft könne "für deutlich mehr Schub auf dem Wohnungsmarkt sorgen, auf Landesflächen günstigen Wohnraum anbieten und im Schulterschluss mit Kommunen Wohnbauprojekte anstoßen und verwirklichen", sagte der wohnungspolitische Sprecher der SPD-Fraktion, Daniel Born.