SPD Baden-Württemberg

"Die Partei spielt eine zu schwache Rolle"

Fraktionschef Andreas Stoch fordert Veränderungen - "Geht auch mit Breymaier" - Wahl der Generalsekretärin "problematisch"

24.10.2018 UPDATE: 25.10.2018 06:00 Uhr 3 Minuten, 8 Sekunden

"Wir haben nichts dafür getan, dass jetzt eine Gegenkandidatur auf dem Tisch liegt", sagt Fraktionschef Stoch. Foto: Sina Schuldt

Von Sören S. Sgries

Heidelberg. Andreas Stoch (49) ist SPD-Fraktionschef im Landtag. Im Spitzenduell Breymaier/Castellucci bemüht er sich um Zurückhaltung,

Herr Stoch, die SPD-Basis wünscht sich "Rückenwind" aus Stuttgart für die Kommunalwahl 2019. Ist die Landes-SPD dazu überhaupt in der richtigen Verfassung?

Ich kann für unsere Landtagsfraktion sprechen: Wir kritisieren die Landtagsregierung dafür, dass sie an vielen wichtigen Stellen nicht die richtige Politik macht. Wir versuchen, die Landesregierung inhaltlich zu stellen. Leider hat sich hingegen der Landesverband in den letzten zwei Jahren sehr viel mit sich selbst beschäftigt.

Wofür es ja gute Gründe gab.

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Ja, wir hatten das schlechte Landtagswahlergebnis von 2016 zu verarbeiten. Wir mussten auch strukturelle Fragen stellen. Aber es hat als Ergebnis gebracht, dass viele geglaubt haben, die Beschäftigung mit sich selbst ersetze gute Politik nach außen. Ich glaube, die SPD wird nur gewählt, wenn sie den Menschen klare politische Angebote macht. Sie muss ihre Schwerpunkte außerhalb, nicht innerhalb der Partei haben.

Gute Politik können Sie im Land nur als gute Opposition machen. Hätten Sie sich da mehr Gleichklang mit der Parteichefin gewünscht?

Zunächst einmal glaube ich, dass es uns ganz gut gelingt, zu zeigen, welche positiven Effekte die gute Rolle der Bundes-SPD auch aufs Land hat. Wir können außerdem auch als Landes-Opposition mit den SPD-Bürgermeistern in den Gemeinden SPD-Politik gemeinsam umsetzen. In dieser Aufgabenteilung spielt im Moment die Landespartei eine zu schwache Rolle. Die Landespartei wird zu wenig als eigene gestaltende Kraft wahrgenommen. Die Partei sollte die Vordenkerrolle übernehmen, die mittleren und großen Bögen aufzeigen. Da kommt zu wenig. Wo ist die Vision der SPD für eine gerechte Gesellschaft der Zukunft?

Sie haben, eher überraschend, die Bundes-SPD gelobt. Sie sind zufrieden mit dem Auftritt in Berlin?

Man muss unterscheiden: Das Ansehen der Bundesregierung ist gerade sehr schlecht. An vielen Punkten hat ganz besonders die CSU, hat Herr Seehofer negative Akzente gesetzt, hat idiotische Debatten angestoßen - etwa über Ankerzentren oder über Verfassungsschutzchef Maaßen. Da hat auch die SPD Fehler gemacht. Aber die Minister, die für die SPD Verantwortung tragen, machen einen sehr guten Job. Sie sind treibende Kräfte, die eine sehr gute Sacharbeit machen.

Aber sie werden nicht wahrgenommen. War die Große Koalition ein Fehler?

Das ständige Gerangel ist keine gute Grundlage für eine weitere Zusammenarbeit. Wir haben von vornherein gesagt, dass diese Bundesregierung "auf Bewährung" ist. Ich bin nicht bereit, weiteren Unfug von CDU und CSU zu tolerieren. Spätestens im kommenden Jahr müssen wir sehen, ob diese Regierung noch Sinn ergibt.

Personalstreit auf Bundesebene stört Sie. Wie sieht es im Land aus: Ist die Kandidatur von Lars Castellucci gegen Leni Breymaier sinnvoll?

Ich war vor zwei Jahren einer derjenigen, die Leni Breymaier motiviert haben, als Nachfolgerin von Nils Schmid anzutreten. Es war aus damaliger Sicht richtig, dass sie sich beworben hat. Die SPD kann nicht durch einen technokratischen Politikstil Erfolg haben. Sie muss auch das Gefühl vermitteln, dass sie sich um die Probleme der Menschen kümmert. Das kann Leni Breymaier sehr gut. Allerdings sind in den letzten zwei Jahren auch problematische Dinge passiert. Schon die Personalentscheidung bei der Generalsekretärin hat zu einer Polarisierung innerhalb der Partei geführt. Wir können mit Leni Breymaier erfolgreich sein. Ich als Fraktionsvorsitzender arbeite mit ihr gut und vertrauensvoll zusammen. Aber der Landesvorstand, der jetzt im November gewählt wird, ist federführend zuständig für die Landtagswahl 2021. Da sehe ich einen deutlichen Verbesserungs- und Korrekturbedarf.

Lars Castellucci wird als Kandidat bezeichnet, der die Nähe zur Fraktion suche, der in den "Netzwerker"-Flügel gute Kontakte habe. Hat er Ihre Stimme?

Die Netzwerker hatten immer ein großes Akzeptanzproblem in der Landtagsfraktion. Wir haben nichts dafür getan, dass jetzt eine Gegenkandidatur auf dem Tisch liegt. Die Landtagsfraktion hat aber deutlich gemacht, dass sie Veränderung will. Die geht aber durchaus auch mit der aktuellen Landesvorsitzenden. Unser Interesse ist es, die SPD 2021 wieder gestärkt in den Landtag zu bringen.

Ihr Fraktionsvize Sascha Binder hat seine Kandidatur als Generalsekretär angekündigt. Wäre er die richtige Wahl?

Mit Sascha Binder als Generalsekretär würde die Verbindung zwischen Landesverband und Landtagsfraktion deutlich gestärkt. Dies ist gerade auch im Hinblick auf die Landtagswahl 2021 unbedingt nötig, weshalb ich seine Kandidatur ausdrücklich begrüße.

Leni Breymaier hat geäußert, wenn sie erneut gewählt werde, gebe es "Breymaier pur" - und weniger Kompromisse. Fürchten Sie diese Haltung?

Ich denke, dass über diese Aussage, die im ersten Moment so getroffen wurde, einige erschrocken waren. Sie hat als Landesvorsitzende die Aufgabe, die Partei in ihrer Breite mitzunehmen. Ich würde ihr raten, dass sie auf die Kritiker zugeht und die Leute, die engagiert sind und Verantwortung tragen, besser einbindet. Die SPD hat in Baden-Württemberg dreieinhalb Mal so viele Mitglieder wie die Grünen. Die SPD stellt in vielen Städten die Bürgermeister und Oberbürgermeister. Die SPD ist in vielen Verbänden und Vereinen federführend - nicht nur in den Gewerkschaften. "Breymaier pur" wäre eine deutliche Verkürzung unseres inhaltlichen Angebots.

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