Sozialministerin Altpeter kämpft gegen Prostitution

Die Sozialdemokratin wendet sich gegen die "Verharmlosung" der sogenannten käuflichen Liebe, die "Deutschland zu einem Eldorado für Sextouristen" gemacht habe.

07.10.2015 UPDATE: 08.10.2015 06:00 Uhr 1 Minute, 51 Sekunden

"Wir sind zum Puff Europas geworden", klagen Experten über die liberale deutsche Gesetzeslage. Foto: Jeroen Jumelet/dpa

Von Bettina Wieselmann, RNZ Stuttgart

Stuttgart. Was treibt eine Frau Anfang 40 in die Prostitution? Bei der Stuttgarterin Marie Merklinger, die nach drei Jahren wieder ausstieg, war es ein finanzielles Desaster nach vorigem Arbeitsplatzverlust: "Das Wasser stand mir bis zur Nasenspitze." Aber dass es ein freiwilliges, selbstbestimmtes Arbeiten als Sexdienerin gewesen wäre, würde Merklinger nie sagen: "Man belügt sich, lässt gegen Bezahlungen Grenzüberschreitungen zu, es gleicht Vergewaltigungen." Heute kämpft sie gegen Prostitution.

In Sozialministerin Katrin Altpeter hat sie eine entschiedene Unterstützerin. Die Sozialdemokratin wendet sich gegen die "Verharmlosung" der sogenannten käuflichen Liebe, die "Deutschland zu einem Eldorado für Sextouristen" gemacht habe.

Während die Große Koalition in Berlin daran geht, die unter Rot-Grün 2002 sehr weit liberalisierten gesetzlichen Bestimmungen wieder etwas zu verschärfen, hatte Altpeter gestern zu einer Veranstaltung mit der schwedischen Justizkanzlerin Anna Skarhed geladen: "Sexkaufverbot - der schwedische Weg." Ginge es nach Altpeter müsste auch der deutsche Weg dort münden. "Derzeit gibt es keine Mehrheit dafür, aber wir werden den Kampf weiterführen", sagte Altpeter.

Anna Skarhed, als Justizkanzlerin ranghöchste Vertreterin der schwedischen Exekutive, kann 15 Jahre nach Einführung des weltweit ersten Gesetzes zum Sexkaufverbot die positiven Folgen belegen. Seit Freier (nicht aber Prostituierte) mit Geldstrafen, seltener mit Gefängnis bis zu einem Jahr bestraft werden, wenn sie bezahlten Sex hatten oder haben wollen, hat sich Grundsätzliches in Schweden verändert: "Die Nachfrage als Wurzel allen Übels ist deutlich zurückgegangen."

Nach einer von Skarhed geleiteten Evaluation hatte sich der Straßenstrich 2010 gegenüber 1999 in Schweden halbiert. Dafür verdreifachte er sich in den Nachbarländern Dänemark und Norwegen. Das befürchtete Ausweichen in Hotels, Clubs, Wohnungen habe so nicht stattgefunden. Die Polizei würde informiert, denn es habe ein gesellschaftliches Umdenken stattgefunden. Waren vor dem Gesetz noch 67 Prozent der Bürger gegen ein Sexkaufverbot, so hat sich die öffentliche Meinung ins Gegenteil gedreht: 70 Prozent der Schweden befürworten eine Bestrafung der Freier.

Auch Skarhed weiß, dass es Prostitution auch in Schweden immer geben werde, wichtig sei aber, "dass das Geschäft mit ihr unattraktiv" geworden sei. "Wir haben in sehr viel geringerem Maße heute Menschenhandel." Skarhed zitierte Statistiken, wonach EU-weit täglich 140 000 Menschen aus Sexgründen gehandelt werden. "Diese moderne Sklaverei ist eine Schande."

Rotlicht-Experte Manfred Paulus, der über 30 Jahre als Kriminalbeamter in Ulm das Aufgabengebiet Prostitution und Frauenhandel beackert hat, sprach von einer "gewaltigen Scheinheiligkeit." Die jungen Frauen aus Osteuropa, die an die 80 Prozent der hiesigen Prostituierten ausmachten, kämen überhaupt nicht freiwillig. Prostitution sei ein großes Geschäft der organisierten Kriminalität. Und durch die bestehende Rechtslage in Deutschland "sind wir zum Puff Europas geworden." Das heiße auch, "dass wir nicht nur die Frauen, sondern auch die Täter ins Land geholt haben." Das Geschäft sei fest in Händen albanischer, bulgarischer, libanesischer Gruppen.

Besserungen erwartet Paulus durch die geplante Reform nicht: "Mit Kondompflicht kann man die organisierte Kriminalität nicht bekämpfen." Auch wenn das Sexkaufverbot "keine Wunderpille" sei, plädierte Paulus dafür.

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