Flüchtlingsregistrierung: Die Kapazitäten in Heidelberg werden nicht ausgeschöpft
Statt versprochenen 600 werden nur 350 Fälle am Tag bearbeitet – Rücksichtnahme auf überforderte Kommunen?

Lernen von Heidelberg: Bundesinnenminister Thomas de Maizière (r.) in der Registrierstelle. F.: Rothe
Von Sören S. Sgries
Heidelberg/Stuttgart. Wer dabei war, kann sich noch gut erinnern: Bis zur "47. Kalenderwoche", wurde Mitte Oktober gebetsmühlenartig auf einer Pressekonferenz im Patrick-Henry-Village wiederholt, solle das Registrierzentrum am Rande Heidelbergs auf Hochtouren laufen. Bis zu 600 Flüchtlings-Registrierungen am Tag wurden versprochen. Heute, am Ende der 50. Kalenderwoche, sind es "nur" 350 täglich. Probleme im Vorbildprojekt?
"Es gibt in Heidelberg keine Anlaufprobleme", weist Michael Brandt, Sprecher der Lenkungsgruppe Flüchtlingsunterbringung, auf Anfrage der Rhein-Neckar-Zeitung entsprechende Vermutungen zurück. Vielmehr sei es so, "dass sich die Rahmenbedingungen, die der Bund vorgibt, ändern und die Prozesse in Heidelberg kontinuierlich angepasst werden". Schon jetzt seien "deutlich verbesserte Abläufe" festzustellen.
Zum Jahreswechsel erwarte man weitere Verbesserungen "der Quantität und der Qualität der Verfahren". "Die Registrierkapazität beträgt inzwischen 600 Flüchtlinge pro Tag", sagt Brandt. "Wir sind davon überzeugt, dass diese Zahl zum Jahresende erreicht wird." Brandt beteuert: "Heidelberg bleibt Vorbild." Und kündigt für kommenden Freitag an, dass Ministerpräsident Winfried Kretschmann gemeinsam mit Frank-Jürgen Weise, Chef des zuständigen Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge (BAMF), ein neues Pilotprojekt vorstellen werde. In Heidelberg.
Doch woran hapert es nun konkret im Patrick-Henry-Village? Glasklare Antworten dazu bleiben aus. Stattdessen wird diplomatisch formuliert. "Die vorhandene Registrierungskapazität wird nach Bedarf genutzt", heißt es seitens des Lenkungskreises. Eine ungewöhnliche Auskunft. Brachliegende Kapazitäten? Nachdem es doch so lange hieß, es müsse nur schneller und schneller registriert werden, um der Flüchtlingszahlen Herr zu werden?
Sicher ist: Bei insgesamt 8138 neu im Südwesten angekommenen Flüchtlingen während der ersten zehn Dezembertage und im gleichen Zeitraum durchschnittlich 350 Registrierungen täglich, ist man weit entfernt von dem Ziel, irgendwann einmal alle Registrierungen des Landes in Heidelberg vornehmen zu können. Das hatte Flüchtlingsstab-Leiter Hermann Schröder vor einer Woche noch als Vision angeführt.
Die Lenkungsgruppe dementiert zudem, dass Mitarbeiter fehlten. "Es ist ausreichend Personal vorhanden", heißt es. Die "tagesaktuellen Schwankungen in der Registrierungszahl" werden zwar teilweise mit Bauarbeiten bis Anfang der Woche erklärt. Der eigentliche limitierende Faktor scheint jedoch - neben der Umstellung aufs "Pilotprojekt"- die Weiterleitung der "registrierten und gesundheitsuntersuchten Flüchtlinge" an die Kreise zu sein.
"Dies ist ein komplexer Vorgang", erläutert Sprecher Brandt. Beispielhaft führt er aus, dass aus humanitären Gründen darauf geachtet werde, dass Flüchtlinge "im vollständigen Familienzusammenhang" verlegt werden. "Wenn beispielsweise von einer 9-köpfigen Familie nur ein Mitglied nicht registriert wird, kann die Familie noch nicht verlegt werden".
Fast entsteht der Eindruck, hier werde ganz bewusst ein wenig auf die Bremse getreten, um überforderten Kommunen entgegen zu kommen. Das würde zumindest zu den Klagen passen, die der Städtetag Anfang der Woche bezüglich der "Großbaustelle" in der Anschlussunterbringung erhoben hatte. "Wir sind dann ohne Puffer", hatte Verbandsgeschäftsführerin Gudrun Heute-Bluhm zu Protokoll gegeben.
Dass das "Vorbildprojekt" in Heidelberg nicht auf Hochtouren läuft, kommt manch einem ganz gelegen.