Entführung des Würth-Sohns: Täter oft männlich und aus der Umgebung
Experten halten die Entführer des Milliardärssohns für Insider und Profis

Auf diesem Hof in Osthessen lebt der 50-jährige Würth-Sohn. Hier wurde er entführt. F.: dpa
Von Ira Schaible und Sandra Cartolano
Schlitz/Frankfurt. Die meisten Entführer sind männlich, meistens stammen sie aus derselben Region wie ihre Opfer und arbeiten gemeinsam mit Komplizen. "Einer allein macht das selten", sagt der Wiesbadener Kriminologe Rudolf Egg mit Blick auf den Entführungsfall in der Unternehmerfamilie Würth. "Der Männeranteil bei den Tätern ist noch höher als bei anderen Gewaltdelikten." Fast 60 Prozent stammten aus der Umgebung, also derselben Gemeinde oder demselben Landkreis wie ihr Opfer, sagt der Experte.
Der 50-jährige Sohn der Milliardärs-Familie war am Mittwoch in Osthessen verschleppt und am Tag darauf unversehrt aufgefunden worden. Eine heiße Spur bei der Fahndung nach den Entführern gab es laut den Ermittlern am Freitag noch nicht. Eine Sonderkommission soll den oder die bisher unbekannten Täter aufspüren. Doch wo bei der Suche ansetzen?
Der Direktor des Kieler Instituts für Krisenforschung, Frank Roselieb, vermutet, dass es sich bei den Tätern um Insider handelt. Der Mann sei schließlich nicht auf der Straße vor seinem Elternhaus gekidnappt, sondern im Umfeld eines entlegenen Therapiezentrums entführt worden. Dass der 50-Jährige in der Behinderten-Einrichtung lebt, war nach Darstellung von Anwohnern in dem beschaulichen Ortsteil bekannt, in dem die Tat geschah. Doch bundesweit habe kaum ein Mensch überhaupt von der Existenz des Sohnes gewusst, sagt Roselieb.
Der Sohn des Schrauben-Unternehmers Reinhold Würth hatte Glück im Unglück, er wurde unverletzt in einem Wald bei Würzburg gefunden. Nicht alle Entführungen gehen so glimpflich aus. Zwar würden 90 Prozent der Geiseln befreit, manche allerdings mit schweren Verletzungen, unter denen sie ein ganzes Leben lang zu leiden hätten, sagt Egg.
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Dass eine Geisel sehr schnell freikomme, sei nicht ungewöhnlich, sagt Roselieb. Entführer stünden unter Zeitdruck. Neben dem Fahndungsdruck steige auch die Gefahr, vom Opfer identifiziert zu werden. Oft unterschätzten Täter den Betreuungsaufwand für die Geisel.
Roselieb zufolge werden die meisten Opfer daher schon nach der ersten gescheiterten Geldübergabe freigelassen. Das geschehe normalerweise nicht aus Mitleid, denn die Täter handelten meist kaltblütig. Vielmehr sei die Strafe im Fall einer Enttarnung dann einfach geringer. "Die Täter kriegen nicht so oft Geld, wie man glaubt", sagt Roselieb. Und selbst wenn sie Geld bekämen, hätten sie kaum etwas davon, sie würden meist gefasst.