Amtsinhaber Mergel hat zwei Herausforderer
Zur offiziellen Kandidaten-Vorstellung kamen 133 Interessierte. Die Briefwahl wird jetzt schon stark nachgefragt.

Von Brigitte Fritz-Kador
Heilbronn. Genau 133 pinkfarbene Bändchen waren es am Ende – so viele Besucher hatte die offizielle und so auch vorgeschriebene Kandidatenvorstellung zur Heilbronner OB-Wahl am 6. Februar. Theoretisch wären unter den augenblicklichen Corona-Bedingungen mehr erlaubt gewesen. Dass sich unter ihnen viele Mitglieder der jeweiligen "Fan-Clubs" befanden, gehört dazu, dass die Anhängerzahl von Amtsinhaber Harry Mergel überwog, gehört zu den Besonderheiten dieser Wahl.
Mergel wird bekanntlich unterstützt von einem Wahlbündnis der Fraktionen von SPD, CDU, Grünen, FDP, Freien Wähler und am Abend vor Ort unter anderem auch von der Grünen-Fraktionsvorsitzende Susanne Bay. Sie wurde anderntags aus dem Gemeinderat in ihr neues Amt als Regierungspräsidentin in Stuttgart verabschiedet. Auch Thomas Randecker (CDU) und Nico Weinmann (FDP) und weitere Stadträte – auch der AfD – waren gekommen. Deren Fraktionsvorsitzender Dr. Raphael Benner ist, neben der parteilosen Katharina Mikov, einer der beiden Gegenkandidaten von Mergel. Vorab: Für den OB war es ein Heimspiel.
Erster Bürgermeister Martin Diepgen leitete die Veranstaltung nach strengem Protokoll und mit einer einzigen privaten Bemerkung zum Schluss: der Bitte, zur Wahl zu gehen. In der Tat ist die OB-Wahl eher von der Frage bestimmt: Wie hoch wird die Wahlbeteiligung sein, beziehungsweise: Mit welchem Mandat kann Mergel in seine zweite Amtszeit gehen?
Eine Viertelstunde hatte jeder Bewerber, um sich und seine Ziele vorzustellen. Die Begründung Benners für seine Kandidatur ist bekannt: der Versuch der Verwaltungsspitze – mit dem "Segen" des Gesamtgemeinderates – eine neue Besetzung der Ausschüsse vorzunehmen, zuungunsten der AfD. Bekanntlich hatte deren Klage vor dem Verwaltungsgericht Erfolg. Insgesamt legte Benner ein Wahlprogramm mit 20 Punkten vor, einige davon auch in größerem Konsens, auf die er aber nur stichwortartig einging, beispielsweise Gewerbesteuersätze, Saarlandstraße oder EnBW-Kraftwerk. Einen Großteil seiner Redezeit verwendete der promovierte Chemiker stattdessen darauf, die Thematik "Impfen" aus der bekannt kritischen Sicht der AfD vorzutragen.
Wenig überraschend war, dass Mergel voll auf sein Alleinstellungsmerkmal "Heilbronn ist meine Heimatstadt" setzte. Sein allgemeines Eigenlob, seine eigene Bilanz und seine Pläne charakterisieren einen gewisser "Halbzeit-Status" in der Entwicklung der Stadt, ob beim Thema "Bildungscampus" oder Zukunft der Innenstadt ("Das Herz der Stadt muss kräftig schlagen"), bei dem nicht nur in Heilbronn eher Ratlosigkeit herrscht. Dafür sind auf seiner "To do"-Liste die Themen Mobilität, Klima, Wohnungsbau und Wirtschaftsentwicklung ("Wissenschaft schafft Wirtschaftskraft") durchweg positiv und zielorientiert ausgerichtet.
Zahlen zur Schul-Entwicklung, in der Heilbronn seit geraumer Zeit tatsächlich eine Vorreiterrolle spielt, stehen für die Erfolge in der Bilanz: Der Verzicht auf Kita-Gebühren entlaste Heilbronner Familien um bis zu 10.000 Euro im Jahr, und: In Heilbronn besuchen 70 Prozent der Grundschüler eine Ganztagsschule; landesweit sind es nur knapp 30 Prozent.
Konfliktfelder, etwa der Umbau des EnBW-Kraftwerkes, werden die Stadt im kommenden Halbjahr stark beschäftigen, kündigte Mergel an und schloss gleichzeitig aus, dass es auf städtischem Areal eine Windkraftanlage geben wird.
Warum und letztlich auch wofür die Logopädin Katharina Mikov kandidiert, das war auch am Ende ihrer Vorstellung nicht hinreichend nachvollziehbar. Die Ansammlung von Schlagworten zu den Themen Integration, Familie oder dem sozialen Leben in der Stadt enthielt nichts Neues beziehungsweise ging über bekannte Inhalte nicht hinaus. So sympathisch Mikov auch ihre Zuneigung zu Heilbronn aus ihrer Familiengeschichte schildert, ihre durchgängig mit "ich" beginnenden Statements und Absichtserklärungen allein und die fast kabarettreife Schilderung, warum sie keine Flyer und nur Plakate drucken lässt – nämlich um Müll zu vermeiden –, werden kaum ausreichen, um größere Wählerschichten zu überzeugen und den Anspruch des Amtes zu erfüllen, auch wenn sie sich selbst – so auch ausgesprochen – dafür für fähig und ehrgeizig genug hält.
Die anschließende, ebenso muntere wie auch von Partei-Interessen geleitete Diskussion, zeigte eines: Für viele Bürger sind die ihnen nächstliegenden Probleme die wichtigsten. Vorsorge und Entwicklungschancen für die Zukunft darzustellen und auszuloten, Erreichtes zu sichern, Masterpläne auch zu materialisieren, das ist auch in Wahlkämpfen nicht immer leicht zu vermitteln. Mergel wiederholte sich: OB von Heilbronn zu sein, sei das schönste Amt der Welt für ihn und solle es auch wieder sein.
Bei der AfD hofft man auf einen Stimmenanteil von 18 Prozent (der läge um zwei Prozent höher als bei der Bundestagswahl). Doch auch bei dessen tatsächlicher Umsetzung wäre ein zweiter Wahlgang nicht mehr nötig und Heilbronn hätte ab dem 6. Februar wieder einen, voraussichtlich den gleichen, Oberbürgermeister.
Die vollständige Aufzeichnung der Veranstaltung ist auch auf der Homepage der Stadt (www.heilbronn.de) zu sehen. Wie weit diese noch Einfluss auf Unentschieden hat, ist offen. Es gäbe jetzt schon sehr viele Briefwähler, war zu hören.



