OB Mergel ist im Wahlkampf angekommen
Mit "Versprochen & Gehalten" legt der Heilbronner OB eine ansehnliche Leistungsbilanz und auch gleich sein Wahlprogramm vor.

Von Brigitte Fritz-Kador
Heilbronn. Hausmannskost für Heilbronn? Wenn man den Speisezettel anschaut, der die ersten Wahlkampfauftritte von Oberbürgermeister Harry Mergel für seine angestrebte Wiederwahl begleiten – Linsen mit Spätzle und Saitenwürstchen auf Facebook, "Böckinger Feldg‘schrei" mit Journalisten – dann könnte man in Versuchung geraten, falsche Schlüsse zu ziehen. Das etwas kokette Kalkül, sich über ein "kulinarisches" Bekenntnis zu Heilbronn beliebt zu machen, muss nicht allen schmecken, es ist auch nur ein Vorgeschmack dessen, was Mergel inhaltlich so alles auftischt.
Sein Wahlprogramm ist eine Speisefolge für die Stadt, die sie über Jahrzehnte hinaus satt machen kann, oder, unfreundlich ausgedrückt, eine Gefahr, dass man sich daran auch überessen kann. Wie sehr dieses die Bürger mittragen, schätzen, davon profitieren werden, oder ob sie sich andererseits davon auch überfordert oder bevormundet fühlen, wird sich zeigen, wenn die Entwicklungsspielräume ausgelotet werden.
An erster Stelle steht dafür die Weiterentwicklung des Bildungscampus der Schwarz-Stiftung. Nicht zuerst von ihr oder vom Rathaus, sondern aus der überregionalen Presse war offiziell zu erfahren (unter der Hand wusste man schon davon), dass man dessen Fläche verdoppeln will und die hier angesiedelte Technische Universität München (TUM) im Boot mit der Schwarz-Stiftung und der Stadt am Neckar eine "Internationalisierung" anstrebt. Wenn das kein Wahlkampfknüller ist, was dann?
Dabei gilt aber auch: Was in Heilbronn gerade auch auf diesem Feld geschah oder noch geschehen wird, wirkt sich auch auf die Region und das Land aus. Bestes Beispiel dafür ist die Ansiedlung des KI-Parks des Landes, kofinanziert mit Millionen der Schwarz-Stiftung. Der Zuschlag für Heilbronn löste bei gleichfalls qualifizierten Kommunen im Land saures Aufstoßen aus. Das zeigt: Diese OB-Wahl ist auch eine, auf die man über die Stadtgrenze hinaus schauen wird. Mergel räumte von sich aus dazu ein, er verstehe sich sehr gut mit Dieter Schwarz. In seinem zurückliegenden Wahlkampf wurde er noch von einem breiten Bürgerbündnis mit mehr als 400 Namen unterstützt, unter ihnen auch die von Dieter von Franziska Schwarz. In diesem Jahr verzichtet er darauf. Die 30.000 Euro, die er in seine Wiederwahl investieren will, kämen ausschließlich aus seiner Privatschatulle und teils auch aus Parteispenden, sagt er.
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In Corona-Zeiten kann und muss man einen Wahlkampf auch bescheidener angehen, etwa so: Im Internet oder immer samstags, früh ab halb acht, vor den Bäckereien in den Stadtteilen, um den dortigen Bürgern zu den frischen Brezeln auch ein paar Zukunftsaussichten zu servieren. Danach geht es dann in die Fußgängerzone, in der AfD-OB-Kandidat Raphael Benner den Kiliansplatz schon seit Wochen für sich belegt hat. Dort wird Mergel unterstützt von jeweils einem Vertreter der Parteien, die sich im Wahlbündnis hinter ihm versammelt haben: SPD sowieso, CDU, Grüne, Freie Wähler und FDP. Welchen (personal)politischen Preis Mergel für dieses Wahlbündnis wird entrichten müssen, werden die nächsten acht Jahre zeigen, denn der fast 66-Jährige will, auch das kündigte er an, die volle Amtszeit über OB bleiben.
Schon Monate vor der öffentlichen Bekanntgabe seiner Kandidatur kursierte eine Bilanz der bisherigen Amtszeit unter den Mergel-Unterstützern, jetzt liegt sie auch öffentlich vor. "Versprochen und gehalten" überschrieben, umfasst sie 26 Seiten und listet den jeweiligen Erfüllungsstand der Projekte auf. Eine Art "Präambel" steht unter dem Titel "Es ist Zeit für eine neue Kultur des Miteinander". Dazu gehören auch jährliche Bürgerversammlungen in allen Stadtteilen und die intensive Präsenz in den Neuen Medien. Das Versprechen "Starke Wirtschaft – sichere Arbeitsplätze – das wird Chefsache" ist eines, das sich immer noch fortschreiben lässt, auch in die Richtung neuer Gewerbegebiete wie die "Steinäcker" für den KI-Park, von dem Mergel sagt, den hätte er sich nicht in seinen kühnsten Träumen vorstellen können.
Der "Zukunftspark Wohlgelegen", in dem schon früh viel "Schwarz"-Geld steckte, mit dem WTZ-Turm, der so gar nicht gut laufen will, wird durch seine direkte Anbindung an das Wohnquartier Neckarbogen und den dann erweiterten Bildungscampus mehr als eine Vitaminspritze erhalten. Dafür werden sich die Kunden des Media-Marktes örtlich umorientieren müssen. Zukunftsbranchen wie Life-Science, IT, Automotive Systems und Forschungszentren sind Säulen, auf denen auf dem Areal die "Gigabit-Stadt" Heilbronn weiter wachsen soll.
Ein weiteres Versprechen betrifft die schon bis 2030 aufgelegte Stadtkonzeption. Sie soll überprüft und aktualisiert werden. Ambitioniert ist man auch in Sachen Klima und Mobilität. Dafür ist nicht nur "autonomes Fahren" ein Stichwort, sondern auch "Verkehrsvermeidung" und "Verkehrsverlagerung". Ein ICE-Anschluss für Heilbronn? Schön wär’s, mal wieder was davon zu hören! Die "Solaroffensive Fotovoltaik" mit einem "500-Dächer-Programm" plus einer Machbarkeitsstudie für einen Solarpark, die Pflanzung von 50.000 neuen Bäumen und dazu die Einbeziehung der lokalen Akteure, diese schmackhaften Themen werden sicher auch über Parteigrenzen hinweg goutiert. Mergel verspricht, in jedem Jahr 500 neue Wohneinheiten zu schaffen, davon 30 Prozent im geförderten Wohnungsbau. Was noch so unter "Lebensqualität" für die "Wohlfühlstadt Heilbronn" subsumiert, das ist ein Wunsch-Menü, bei dem der Preis keine Rolle zu spielen scheint: Wasserspiele auf dem Hagenbuchersee, alles für Fahrradler, natürlich die Weinfeste und der Weinbau, die Wiederbelebung des "Lichterfestes" und des Gaffenberg-Festivals.
Wer denkt, dass das Thema Bildung mit dem Bildungscampus abgehakt wäre, dem bietet Mergel unter anderem dies: Beibehaltung der Beitragsfreiheit für Kinder über drei Jahre in der Betreuung, die "Vorbildliche Schule", zu der nicht nur der Raum, sondern auch ein qualifiziertes Ganztagsschulangebot für alle gehört, und 14 Millionen Euro für die digitale Ausstattung der Schulen in den nächsten vier Jahren. Solide Finanzen, die Demografie, neue und anders angepackte Aufgaben in der Verwaltung: Mergel hat kaum etwas ausgelassen – auch nicht die Kultur. Dem vormaligen Kulturdezernenten ist wohl auch aufgefallen, dass die Kulturkonzeption von 2018 inzwischen an Blutarmut leidet, die nicht nur mit den Allgemeinplätzen in seinem Programm behoben werden kann. Entsprechende Ansätze dazu sind aufgelistet. Was fehlt und deshalb Rückschlüsse auch auf jene zulässt, die an dem Programm mitwirkten: das Wort "Musik". Die ist nicht drin.



