Was bei der Unfallstatistik nicht positiv ist
Insgesamt gab es im Corona-Jahr 2020 zwar weniger Unfälle und Verkehrstote, in einigen Teilbereichen steigen die Zahlen aber stark - Zahl der Pedelec-Unfälle drastisch gestiegen

Von Armin Guzy
Landkreis Heilbronn. 39 Menschen sind im vergangenen Jahr im Stadt- und im Landkreis Heilbronn bei Verkehrsunfällen ums Leben gekommen, darunter ein Kind; 550 weitere Menschen wurden schwer verletzt. Das sind zwar deutlich weniger als die 46 Toten und 680 Schwerverletzten im Vorjahr, der Rückgang ist aber wenig aussagekräftig, weil im Corona-Jahr deutlich weniger Menschen auf den Straßen unterwegs waren. Der Heilbronner Polizeipräsident Hans Becker sprach daher auch von einer "begrenzten Vergleichbarkeit der Zahlen", als er nun die Unfallstatistik 2020 vorstellte, und er warnte davor, aus der überwiegend positiven Statistik "unrealistische Erwartungen abzuleiten".
Außerdem ist bei genauerem Blick längst nicht alles positiv: Trotz des geringeren Verkehrsaufkommens haben beispielsweise die Unfälle, an denen unter Drogen stehende Fahrer beteiligt waren, um stattliche 24,4 Prozent auf 56 Fälle zugenommen, während sie landesweit geringfügig um 0,5 Prozent zurückgegangen sind. Weitere 948 Fahrer wurden ohne Unfallbeteiligung mit Drogen am Steuer bei Kontrollen erwischt. Ebenfalls drastisch gestiegen – mutmaßlich teilweise wohl auch im Zusammenhang mit Corona – ist die Zahl der Pedelec-Fahrer, die in Unfälle verwickelt wurden, und zwar um 36,2 Prozent auf nun 158 Einzelfälle. Auch hierbei liegt der Präsidiumsbereich Heilbronn deutlich über dem Landesdurchschnitt: Die Gesamtzahl der Radunfälle ist im Land um 8,3 Prozent gestiegen, im Präsidiumsbereich Heilbronn hingegen sogar um 19,6 Prozent. Zwei Radfahrer und ein Pedelec-Fahrer verloren dabei ihr Leben; zwei von ihnen trugen keinen Helm, wie Becker ausdrücklich hervorhob.
Generell sieht die Polizei die hohen Zuwachszahlen bei den Pedelec-Verkäufen aus Sicht der Verkehrssicherheit kritisch, denn die elektrische Unterstützung macht das Radfahren zunehmend auch für nicht so routinierte Radler und Senioren attraktiv. "Viele Nutzer sind ungeübt mit den schnellen Rädern", betonte Becker und riet Käufern eines Pedelec, sich vor einer größeren Ausfahrt mit dem Gefährt vertraut zu machen.
Die Chance, außerhalb von Ortschaften in einen schweren oder gar tödlichen Unfall verwickelt zu werden, ist auch 2020 weiterhin hoch geblieben: Knapp die Hälfte der Unfälle, bei denen Menschen verletzt wurden, ereignete sich dort. Bei der Zahl der Toten ist die Aussage der Statistik noch deutlicher: 31 der 39 Getöteten starben außerorts, und bei 23,8 Prozent der Unfälle war zu hohe Geschwindigkeit die Ursache. "Jeder vierte Verkehrsunfall mit schwerem Personenschaden geht auf das Konto Geschwindigkeit. Sie ist hier die Ursache Nummer eins", hat die Polizei auch 2020 analysiert und weitere präventive Aufklärungsarbeit, aber auch konsequente Tempokontrollen angekündigt.
Auch interessant
"Wir wollen mit unseren Maßnahmen gezielt unverantwortliche Raser, die andere Menschenleben gefährden, aus dem Verkehr ziehen", verdeutlicht Polizeidirektor Thomas Lüdecke, der Leiter der Schutzpolizeidirektion. Vor allem im Stadtgebiet Heilbronn hatten im vergangenen Jahr mehrere schwere Unfälle mit deutlich überhöhter Geschwindigkeit, PS-starken Autos und jungen Fahren für Schlagzeilen gesorgt. Bei den Tempokontrollen der Polizei blitzte es 2020 insgesamt 142.000 Mal; in 3235 Fällen waren die Fahrer dabei so schnell, dass sie einen Monat oder länger auf ihren Führerschein verzichten mussten.
Und die Statistik zeigt noch einen gravierenden Anstieg: Die Zahl der getöteten Fußgänger war im vergangenen Jahr mit insgesamt vier vergleichsweise hoch. Ein Jahr zuvor war nur ein Fußgänger tödlich verletzt worden, in den Jahren 2017 und 18 waren es jeweils zwei, 2016 dagegen ebenfalls vier. Schwer verletzt wurden hingegen weniger Fußgänger, nämlich 44 statt, wie 2019, insgesamt 65. Von den insgesamt 219 Unfällen wurden 56 von den Fußgängern selbst verursacht.
Da im Corona-Jahr nicht nur weniger Autos, sondern auch weniger Motorräder unterwegs waren, wäre hier eigentlich ebenfalls mit weniger Unfällen zu rechnen gewesen. Diese Erwartung hat sich jedoch mit einem Minus von acht Prozent nur für den Landesdurchschnitt erfüllt. Im Bereich des Polizeipräsidiums Heilbronn ist die Zahl hingegen um drei Prozent gestiegen.
Bei den im vergangenen Jahr von der Polizei registrierten 555 Unfällen gab es hingegen eine deutlich geringere Zahl an Toten, und zwar ebenfalls gegen den Landestrend (minus 25 Prozent): Statt wie im Vorjahr 20 kamen 2020 lediglich sieben Biker ums Leben – ein Rückgang um 65 Prozent. Gleichwohl hat das Polizeipräsidium auch für die gerade beginnende Saison eine Kampagne vorbereitet, die auf Prävention und Kontrollen gleichermaßen setzt.