Kompromiss und neuer Vorstoß statt Klage
In diesem Jahr bleibt es bei zwei Verkaufssonntagen, im nächsten gibt es ausnahmsweise drei.

Von Brigitte Fritz-Kador
Heilbronn. Die Positionen haben sich inhaltlich nicht verändert, ein Kompromiss war trotzdem möglich: Das ist die gute Nachricht zur Auseinandersetzung um einen dritten verkaufsoffenen Sonntag in diesem Jahr in Heilbronn. Die Vereinigung der hiesigen Händler, die Stadtinitiative, hatte ihn als einen Akt des Ausgleichs für die Pandemie-Verluste gewünscht, war darin auch von Oberbürgermeister Harry Mergel unterstützt worden. Widerstand dagegen kam von der Gewerkschaft Verdi. Dort hätte man ein solches Vorgehen als Aufkündigung der bisherigen gegenseitigen Vereinbarung gesehen und, wie angekündigt, dann auch den Klageweg beschritten.
Das Ergebnis aus den offenbar nicht einfachen Verhandlungen zwischen Katharina Kaupp für Verdi und Johannes Nölscher für die Stadtinitiative sieht nun vor: In diesem Jahr bleibt es bei den vereinbarten zwei verkaufsoffenen Sonntagen am 3. April zu "Magie der Stimmen" und am 9. Oktober zu "Jazz & Einkauf"; dafür wird es im nächsten Jahr ausnahmsweise drei davon geben. Warum es Nölscher gar nicht so schlecht findet, diesen dritten Sonntag auf das nächste Jahr zu verschieben, trotz der gerade jetzt drängenden Probleme des Einzelhandels, begründet er mit Planungssicherheit: Noch wisse man nicht, wie es mit der Pandemie weitergehe. Er kündigte aber auch an, die Stadtinitiative werde sich darum bemühen, dass zu den verkaufsoffenen Sonntagen landesweit einheitliche und verbindliche Regelung geschaffen werden, auch im Sinne der Chancengleichheit für alle Kommunen.
Unterstützung für eine einheitliche Lösung signalisierte bereits Nico Weinmann. Der Heilbronner Landtagsabgeordnete (FDP) wies auf RNZ-Nachfrage aber auch auf die schwierige rechtliche Ausgangslage und die Komplexität eines solchen Vorstoßes hin: "Aufgrund des Verfassungsrangs von Sonn- und Feiertagen hat die Rechtssprechung des Verfassungsgerichts und der Verwaltungsgerichte der Zulässigkeit und Ausgestaltung verkaufsoffener Sonntage enge Grenzen gesetzt und den Anlassbezug festgelegt. Eine rechtssichere Lösung wäre daher nach vorläufiger Einschätzung nur durch eine Verfassungsänderung möglich."
Auch wenn mit einer solchen in absehbarer Zeit nicht zu rechnen sei, sieht Weinmann "ein dringendes öffentliches Interesse, beispielsweise zur Wiederbelebung der Stadtgesellschaft, gegeben" – dies auch durch "eine ausnahmsweise anlasslose" Zulassung (bisher ist ein Anlass gefordert). Wie Nölscher sieht auch er verkaufsoffene Sonntage als eine Möglichkeit, ausgefallene Umsätze nachzuholen, und kritisiert deshalb auch die Landesregierung: "Allerdings vermisse ich im Ministerium wie auch im Parlament den Mut, im Sinne der Einzelhändler und der betroffenen Arbeitsplätze hier gegebenenfalls auch rechtspolitisch Neuland zu betreten."
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Wäre es zur nun vermiedenen Klage gekommen, wäre dieses "rechtspolitische Neuland" auch geklärt worden – in wessen Sinne, das ist allerdings offen. Gute Argumente hatten beide Seiten und auch der Vertreter der Kirchen, der katholische Dekan Roland Rossnagel. Er hatte sich in der Diskussion schon früh und grundsätzlich zu Wort gemeldet, vertrat nun auch die ihm zugekommenen Stimmen, dass ein verkaufsoffener Sonntag den Einzelhandel nicht rette und auch keine höheren Umsätze generiere. Nölscher hielt aber auch hier entschieden dagegen: Nach seinen Erfahrungen und Kenntnissen sei dies doch der Fall.
Eine weitere Kontroverse ergab sich in der Pressekonferenz zur Thematik, wie Sonntagsarbeit entlohnt wird. Nölscher verwies auf die dann gegebene Verdoppelung der Entlohnung, Kaupp erwiderte, dass dies nur bei einer Minderheit der Fall sei, nämlich bei jenen Beschäftigten, die in einem tarifgebundenen Betrieb arbeiten. Gleichzeitig wies sie auch den Vorwurf scharf zurück, die Gewerkschaft unternehme nichts gegen die sonstige (Sonntags-)Beschäftigung im Onlinehandel: Man habe schon "unzählige Prozesse" geführt, vor allem auch gegen Amazon.
Wie sehr sich gegenwärtig ein Wertwandel in der Gesellschaft vollzieht, das zeigt sich auch darin, welchen Wert der Sonntag noch als arbeitsfreier Tag für alle, besonders für die Familie hat. Das war für Rossnagel ("Unsere Werte stehen auf dem Spiel!") ein Thema: "Die Menschen brauchen einen Rhythmus, Tag, Woche, Jahr." Der arbeitsfreie Sonntag sei ein Kulturgut, und es gebe auch andere Konzepte für die Händler und die Innenstadt. Diese wollte auch Kaupp nicht nur als Kritik sehen und stehenlassen: Sie sehe hier auch viel Positives.



