Hat das Land 1,2 Milliarden Euro für den Nahverkehr zu viel gezahlt?

Neuer Streit um Nahverkehr - Gutachten sehen massive "Überzahlung" bei Vertrag mit der Bahn

15.04.2015 UPDATE: 16.04.2015 06:00 Uhr 1 Minute, 32 Sekunden

Symbolbild: dpa

Von Andreas Böhme, RNZ Stuttgart

Stuttgart. Für den im kommenden Jahr auslaufenden Vertrag mit der Bahn über den Nahverkehr hat das Land angeblich bis zu 140 Millionen Euro jährlich zu viel bezahlt. Jetzt wurde der Landesrechnungshof eingeschaltet.

Der sogenannte Große Verkehrsvertrag war die erste derartige Vereinbarung, mit der das Land Schienennahverkehr vornehmlich bei der Regionaltochter Deutschen Bahn bestellte und bezahlte. Das von der damals CDU-geführten Landesregierung gilt dem mittlerweile grün geführten Verkehrsministerium aber als überteuert. Schon seit Längerem hält Verkehrsminister Winfried Hermann deshalb eine Summe von 140 Millionen Euro zurück. Der Streit, ob das Geld der Bahn zusteht oder nicht, darüber ist nicht entschieden. Noch immer wird geprüft, ob sich die Rückförderung gerichtlich durchsetzen ließe.

Doch dieser Betrag ist angeblich nur ein kleiner Teil im Vergleich zu den Summen, über die jetzt die "Stuttgarter Zeitung" berichtet. Über die gesamte Laufzeit des Verkehrsvertrages zwischen 2003 und 2016 hätten sich Überzahlungen von 700 Millionen bis zu 1,2 Milliarden Euro ergeben. Keiner von zwei unabhängig voneinander arbeitenden Gutachtern hatte bei seiner Expertise für den Verkehrsminister aber Einblick in die Zahlen der Bahn.

Die FDP-Opposition im Landtag fordert deshalb zunächst mehr Transparenz über die Gutachten selbst und moniert, dass es auch nach Ablauf des alten Vertrages erstmal keinen neuen gibt, sondern lediglich Übergangsregelungen. Hermann habe im Kampf gegen Stuttgart 21 zu viel Zeit vertan und die Neuvergabe dadurch verzögert.

Die Grünen hatten ursprünglich versprochen, durch günstigere Verträge und mehr Konkurrenz zur DB-Regio Geld zu sparen und damit das Angebot im Schienennahverkehr ausweiten zu können. Bis dahin gehe man davon aus, so Fraktionschef Hans-Ulrich Rülke, "dass der Große Verkehrsvertrag insgesamt betrachtet aus der damaligen Zeit heraus für Baden-Württemberg ein gutes Ergebnis war."

Auch die Vorsitzende des Arbeitskreises Verkehr und Infrastruktur der CDU-Fraktion, Nicole Razavi, hält die Gutachten für ein Ablenkungsmanöver. Die Ergebnisse seien nicht belastbar und beriefen sich auf Annahmen: "Minister Hermann streut wilde Zahlen, die er nicht belegen kann." Außerdem habe Hermann erneut alte Bekannte als Gutachter beauftragt, die bereits im Rahmen der Schlichtung für die Grünen aktiv geworden waren. "Das alles riecht schon sehr nach Gefälligkeitsgutachten", moniert Razavi. Wenn Hermann allerdings den Zahlen glaube, "muss er in logischer Konsequenz alle Zahlungen an die DB sofort einstellen und gegen die Bahn vor Gericht ziehen." Die umstrittene, sogenannte doppelte Dynamisierung müsse juristisch geklärt werden. Zunächst jedoch hat das Verkehrsministerium den Rechnungshof vom Inhalt der Gutachten informiert.

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