Festival Digitale Bildung in Heidelberg

Medienwissenschaftler warnt vor Risiken für Kinder

Gerald Lembke übt im Interview Kritik - Digitale Medien könnten sich negativ auswirken

29.06.2018 UPDATE: 01.07.2018 06:00 Uhr 2 Minuten, 44 Sekunden

Symbolfoto: dpa

Von Denis Schnur

Heidelberg. Unter dem Motto "Bildung ist Zukunft und Zukunft ist digital" lädt die Landesregierung am Mittwoch, 4. Juli, zum "Festival für digitale Bildung" in Heidelberg. Schon bevor der Gipfel startet, kommt heftige Kritik vom "Bündnis für humane Bildung". Gerald Lembke, Professor für Digitale Medien an der Dualen Hochschule Mannheim, hat das Bündnis mitinitiiert. Im RNZ-Interview erklärt er, warum er das "Festival" für zu einseitig hält und welche Gefahren die Digitalen Medien mit sich bringen.

Herr Lembke, im Bundestagswahlkampf hieß es immer, Deutschland müsse endlich die Digitalisierung nachholen, vor allem in der Bildung. Jetzt lädt die Landesregierung zu Gesprächen - und Ihr Bündnis kritisiert das vehement. Warum?

Weil wir gesehen haben, dass dies vor allem eine Digitalrhetorik ist, nach der Schulen flächendeckend mit der neuesten Technologie ausgestattet werden müssen, um die sogenannte Digitale Bildungsrevolution zu erreichen. Die Landesregierung will sich nun offenbar besonders profilieren und Baden-Württemberg zum Vorzeigeland machen - ohne dass die Umsetzbarkeit, der zu erwartende Nutzen und die damit verbundenen Risiken betrachtet werden.

Aber ist eine Debatte über die Digitalisierung nicht längst überfällig?

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Natürlich soll darüber geredet werden, aber nicht so einseitig wie das am Mittwoch geschehen wird. Die Vertreter, die dort zu Wort kommen, sind alle euphorisch und predigen eine alternativlose Digitalisierung auf allen Schulebenen. Schaut man sich das genauer an, steht dahinter vor allem die Forderung, alle Schulen möglichst schnell mit WLan, Tablets und PCs auszustatten. Auch die Forschung wird nur einseitig dargestellt - obwohl es unzählige Studien gibt, die negative Auswirkungen Digitaler Medien auf Schüler nachweisen.

Welche Auswirkungen meinen Sie?

Das spielt sich auf zwei Ebenen ab: Einmal wurde gezeigt, dass die dauerhafte Strahlung der Geräte negative Auswirkungen hat, vor allem auf die physische und kognitive Entwicklung von Kleinkindern bis zehn Jahre. Außerdem gibt es Studien, die zeigen, dass der Konsum von Digitalen Medien, wenn er länger als eine Stunde dauert - und zwar egal in welcher Anwendung -, zu Verhaltens- und Aufmerksamkeitsstörungen bei Kindern führen kann. Wenn Digitale Medien also zu früh und in zu großem Umfang genutzt werden, hat das nicht nur Folgen für die physische Gesundheit, sondern auch für die Leistungsfähigkeit. Setzt man das flächenmäßig um, könnte sich das negativ auf die Leistungsfähigkeit der Gesellschaft in Zukunft auswirken.

Der Alltag ist aber durch Digitale Medien geprägt. Wie sollte man Kinder Ihrer Meinung nach darauf vorbereiten?

Da bringt es nichts, wenn man alle Schulen mit allem ausstattet, was irgendwie geht. Das ist ja auch finanziell gar nicht machbar. Stattdessen sollten Digitale Medien als eine weitere didaktische Methode und vor allem altersabhängig nach Schulklassen eingeführt werden. Je jünger, desto weniger Digitale Medien sind notwendig. Ab einem Alter von zehn bis zwölf Jahren ist dann ein konstruktiver Einsatz sinnvoll. Ab diesem Alter sollten Digitale Medien nicht kategorisch ausgespart werden. Nur sollte der Einsatz eben nicht flächendeckend, sondern intelligent fachdidaktisch dort geschehen, wo Digitale Medien tatsächlich zum Verständnis beitragen.

Wie könnte das aussehen?

In den Naturwissenschaften gibt es Themen, bei denen man sie einbauen kann. In der Oberstufe kann das einen größeren Raum einnehmen. Man will ja jene, die Interesse haben, nicht abhalten, sondern spielerisch heranführen. An manchen Schulen könnte man zudem Innovationsklassen einrichten, in denen ein Schwerpunkt auf Digitales gelegt wird. Das wäre finanziell machbar, außerdem könnte man diese Klassen wissenschaftlich begleiten und dabei tatsächlich Erkenntnisse gewinnen.

Ihr Bündnis wollte sich am Digitalgipfel beteiligen. Wieso kam es nicht dazu?

Wir haben früh davon erfahren und uns auch an das Innenministerium gewandt. Aber wir wurden nicht eingeladen. Dabei geht es jetzt gar nicht um unsere persönlichen Eitelkeiten, sondern darum, dass Gegenpositionen in keinster Weise berücksichtigt werden. Die Landesregierung will sich in dieser Legislaturperiode offenbar ein Denkmal der Digitalisierung setzen. Das ist die Triebfeder der Veranstaltung, nicht die diskursive Auseinandersetzung.

Sie sind als Einzelperson aber dabei.

Ich bin tatsächlich auf einem Podium. Aber eingeladen wurde ich nicht von der Landesregierung, sondern von einem Kollegen, Prof. Christian Spannagel von der Pädagogischen Hochschule Heidelberg. Er hat gefragt, ob ich bei einem Streitgespräch dabei sein möchte. Da habe ich gerne zugesagt, auch wenn ich mir sicher bin, dass ich mit meinen Ansichten recht alleine auf dem Gipfel sein werde. Ich glaube, ich werde dort ein Exot sein. Das kann aber auch Spaß machen.

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