Innenminister Strobl besucht Polizisten (Update)
Wieder am Rande einer Eritrea-Veranstaltung in Stuttgart zu Krawallen: Steine und Flaschen fliegen auf Polizisten, Schläge mit Holzlatten. Die CDU fordert sofortige Ausweisungen.

Stuttgart. (dpa) Nach den massiven Ausschreitungen am Rande einer Eritrea-Veranstaltung in Stuttgart sind die Personalien aller 228 zwischenzeitlich festgenommenen mutmaßlichen Krawallmacher von der Polizei aufgenommen worden. 227 von ihnen seien wieder frei, sagte eine Polizeisprecherin am Montagmorgen. Ein weiterer Verdächtiger sitze in Haft, weil er bereits bei einer ähnlichen Auseinandersetzung im hessischen Gießen auffällig geworden sei. Der Haftbefehl gegen den Mann war am Sonntag erlassen worden.
Gegen die Verdächtigen wird wegen des Verdachts des Landfriedensbruchs, schweren Landfriedensbruchs, tätlichen Angriffs, wegen Sachbeschädigung und Körperverletzung sowie gefährlicher Körperverletzung und Diebstahl ermittelt. Sie sollen am Samstag am Rande einer Veranstaltung von Eritrea-Vereinen in Stuttgart an heftigen Ausschreitungen beteiligt gewesen sein. Gegner der Veranstaltung hatten Teilnehmer und vor allem Polizeibeamte angegriffen. Dabei waren 27 Polizisten verletzt worden. Stuttgarts Polizeivizepräsident Carsten Höfler sprach von einem "Gewaltexzess".
Landesinnenminister Thomas Strobl will an diesem Montag mit Stuttgarter Polizisten sprechen, sich über den Einsatz am Wochenende informieren und nach dem Gesundheitszustand der verletzten Beamten erkundigen. Gemeinsam mit Landespolizeipräsidentin Stefanie Hinz wird der CDU-Politiker nach Angaben der Landesregierung um die Mittagszeit das Polizeipräsidium Stuttgart besuchen. Am Dienstag informiert Strobl zudem das Kabinett. Er hat auch angeboten, am Mittwoch dem Innenausschuss des Landtags über die Ereignisse zu berichten.
Update: Montag, 18. September 2023, 10.04 Uhr
Polizei sieht sich als "Prellbock" und will sich nicht "zum Affen machen"
Auch interessant
Stuttgart. (dpa) Die Polizei ist aus eigener Sicht bei den Ausschreitungen in Stuttgart zwischen die Fronten von Anhängern und Gegnern des eritreischen Regimes geraten. "Wir waren heute der Prellbock für einen eritreischen Konflikt, der auf Stuttgarter Straßen mit massiver Gewalt ausgetragen wurde", teilte der Stuttgarter Polizeivizepräsident Carsten Höfler in der Nacht zum Sonntag mit Blick auf die Ausschreitungen vom Samstag mit.
26 Polizeibeamte seien verletzt worden, zudem vier Teilnehmer der regimenahen Veranstaltung und zwei Oppositionelle. Sechs Beamte mussten im Krankenhaus behandelt werden. Fünf Polizisten könnten ihren Dienst nicht weiter ausführen. 300 Beamte seien insgesamt am Samstag im Einsatz gewesen.
Hintergrund
Eritrea mit seinen gut drei Millionen Einwohnern liegt im Nordosten Afrikas am Roten Meer und ist international weitgehend abgeschottet. Seit einer in einem jahrzehntelangen Krieg erkämpften Unabhängigkeit von Äthiopien vor 30 Jahren regiert Präsident Isaias
Eritrea mit seinen gut drei Millionen Einwohnern liegt im Nordosten Afrikas am Roten Meer und ist international weitgehend abgeschottet. Seit einer in einem jahrzehntelangen Krieg erkämpften Unabhängigkeit von Äthiopien vor 30 Jahren regiert Präsident Isaias Afewerki in einer Ein-Parteien-Diktatur das Land. Andere Parteien sind verboten, die Meinungs- und Pressefreiheit ist stark eingeschränkt. Es gibt weder ein Parlament noch unabhängige Gerichte oder zivilgesellschaftliche Organisationen. Zudem herrscht ein strenges Wehrdienst- und Zwangsarbeitssystem, vor dem viele Menschen ins Ausland fliehen.
Die Polizei hat nach eigenen Angaben die Personalien fast aller Tatverdächtigen abgeklärt. Überwiegend kämen die Verdächtigen aus um dem Umland von Stuttgart. Nur wenige seien aus Stuttgart selbst.
63 mutmaßliche Gegner des Regimes in Eritrea seien aus der Schweiz angereist. "Das hat uns überrascht", sagte Höfler. Teils seien auch Personen aus dem hessischen Gießen angereist. 212 der Verdächtigen hätten die eritreische Staatsbürgerschaft, sieben Verdächtige seien deutsch mit eritreischen Wurzeln. Vereinzelt müssten Identitäten noch geklärt werden. Insgesamt gibt es 228 Verdächtige.
227 der 228 festgenommenen mutmaßlichen Krawallmacher wieder frei. Das teilte der Stuttgarter Polizeivizepräsident Carsten Höfler am Sonntag in Stuttgart mit. Gegen die Personen liefen Strafverfahren wegen schweren Landfriedensbruchs. Ein mutmaßlicher Täter werde am Sonntag dem Haftrichter vorgeführt, weil er schon häufiger polizeilich in Erscheinung getreten sei.
Im Juli war es bereits in der hessischen Stadt Gießen zu Ausschreitungen bei einem Eritrea-Festival gekommen.
Aus Sicht der Deutschen Polizeigewerkschaft haben die Krawalle die personellen Probleme der Polizei verdeutlicht. "Gut, dass wir dort Hilfe aus anderen Polizeipräsidien und der Bundespolizei bekommen haben", teilte Landeschef Ralf Kusterer am Sonntag mit. Aber das dauere oft sehr lange. "Wir erleben viel zu viel schwacher Staat. Das müssen wir ändern. Auch weil ein demokratischer Staat durch diesen schwachen Staat gefährdet ist." Der öffentliche Dienst und die Polizei müssten endlich gestärkt werden.

Kusterer kritisierte, dass die unangemeldete Gegendemonstration zu dem Eritrea-Treffen eine Demonstrationsfläche zugewiesen bekommen habe, sich aber nicht daran gehalten habe. "Wir machen uns hier zum Affen. Dabei müssten wir unser Demonstrations- und Versammlungsrecht schützen und stärken. Dazu müssen wir konsequent durchgreifen. Wer sich nicht daran hält, verwirkt sein Recht darauf."
Auch zeigte sich der Gewerkschaftschef irritiert darüber, dass Unbeteiligte sich nicht von den Einsatzplätzen ferngehalten hätten und Schaulustige sich für Handy-Videos selbst in Gefahr gebracht hätten. "Das macht einen solchen Einsatz mit Gewaltbereiten und auf eine unfriedliche Störungsaktion angelegte Menschenmenge noch schwieriger."
Landesinnenminister Thomas Strobl will am Montag mit Stuttgarter Polizisten sprechen und sich über den Einsatz informieren. Gemeinsam mit Landespolizeipräsidentin Stefanie Hinz will der CDU-Politiker um die Mittagszeit das Polizeipräsidium Stuttgart besuchen, wie die Landesregierung am Sonntag mitteilte.
Dort wolle Strobl mit der Polizeiführung und Polizisten über die Ausschreitungen sprechen und sich nach dem Gesundheitszustand der verletzten Beamten erkundigen. Am Dienstag werde er zudem das Kabinett informieren. Strobl hatte zudem angeboten, am Mittwoch dem Innenausschuss des Landtags über die Ereignisse zu berichten.
Update: Sonntag, 17. September 2023, 18 Uhr
Schwere Ausschreitungen am Rande eines Eritrea-Treffens
Stuttgart. (dpa) In Stuttgart ist es am Rande einer Eritrea-Veranstaltung zu heftigen Ausschreitungen gekommen. Bis zu 200 Personen hätten Teilnehmer des Treffens und Polizisten mit Steinen, Flaschen und Holzlatten angegriffen, teilte ein Polizeisprecher am Samstag der Deutschen Presse-Agentur mit. 24 Beamte seien verletzt worden.
Die Polizei kesselte am Abend 170 Personen ein. Sie würden des schweren Landfriedensbruchs beschuldigt, sagte der Sprecher. Auf Videos in sozialen Medien ist zu sehen, wie Männer mit Holzlatten und Flaschen auf Polizisten losgehen.
Rund 200 Menschen versammelten sich nach Polizeiangaben am Samstagnachmittag zu einer Veranstaltung des Verbands eritreischer Vereine in Stuttgart und Umgebung. Die Vereine sympathisierten mit der Regierung in Eritrea, so der Polizeisprecher.
Zur Mittagszeit hätten sich dann mehrere Kleingruppen von Oppositionellen am Bahnhof Bad Cannstatt und am Stuttgarter Hauptbahnhof versammelt. Sie seien am Stuttgarter Römerkastell auf die Beamten losgegangen, hätten sie mit Flaschen und Steinen beworfen. Auch mit Holzlatten hätten sie Teilnehmer des Treffens und Polizisten attackiert.
Die Polizei sei mit Schlagstöcken und Pfefferspray gegen die Angreifer vorgegangen, so der Sprecher. Kräfte wurden aus umliegenden Polizeipräsidien und vom Polizeipräsidium Einsatz und der Bundespolizei beordert. Auch mit dem Hubschrauber wurden Polizisten eingeflogen.
Die Lage war lange unübersichtlich. Die Beamten baten Bürger darum, das Gebiet zu meiden. Anwohner wurden dazu aufgerufen, zuhause zu bleiben. Am Abend berichtete die Polizei dann, dass die Lage weitgehend stabil sei. Sie nahm die Personalien von 170 mutmaßlichen Angreifern auf.
Im Juli dieses Jahres war es im hessischen Gießen zu Ausschreitungen bei einem Eritrea-Festival gekommen. Mindestens 26 Polizisten wurden verletzt, als Gegner der Veranstaltung Sicherheitskräfte mit Stein- und Flaschenwürfen attackierten und Rauchbomben zündeten. Die Beamten hatten unter anderem Schlagstöcke gegen sie eingesetzt.
Die Organisatoren des Events in Gießen standen der umstrittenen Führung des ostafrikanischen Landes nahe. Knapp ein Jahr zuvor war es im August 2022 bei gleicher Gelegenheit zu Krawallen gekommen. In Stockholm kam es vor wenigen Wochen im bei einem Eritrea-Festival zu gewalttätigen Ausschreitungen mit mehr als 50 Verletzten.
Bundesagrarminister Cem Ödzemir (Grüne) schrieb auf der Plattform X, dass die Gewalttäter schnell zur Rechenschaft gezogen werden müssten.
Der CDU-Fraktionschef im baden-württembergischen Landtag, Manuel Hagel, sprach von "Gewaltausbrüchen", die "ungeheuerlich" seien. "Das können wir auf unseren Straßen nicht akzeptieren! Diese Leute, die so brutal gegen andere Menschen, gegen unsere Polizisten vorgehen, haben ihr Recht, bei uns Schutz und Zuflucht zu finden, verwirkt." Hagel forderte sofortige Ausweisungen. Notfalls müsse dafür das Aufenthaltsgesetz verschärft werden.
Der Landesvorsitzende der Jungen Union Baden-Württemberg, Florian Hummel, sagte, die Ausschreitungen seien Ausdruck staatlichen Kontrollverlusts. "Diesen Kontrollverlust dürfen wir nicht weiter hinnehmen und müssen uns vor allem in der Migrationspolitik ehrlich machen: Es kann nicht sein, dass importierte Konflikte auf deutschen Straßen ausgetragen werden."
Info: Nähere Informationen gibt es im Newsblog der Stuttgarter Nachrichten.
Update: Samstag, 16. September 2023, 21.25 Uhr