Ein "Blutbad" drohte
CDU-Innenminister Thomas Strobl lobt die Einsatzkräfte nach den Eritrea-Krawallen.

Von Axel Habermehl, RNZ Stuttgart
Stuttgart. Valentino Tosto will eigentlich nicht mehr über die Krawalle reden. Aber je länger er dann doch erzählt, desto wütender wird der Besitzer der Eisdiele im Stuttgarter Römerkastell, einem großen Veranstaltungsareal auf dem Gebiet einer alten Kaserne. Deren Außenbereich wurde am Samstag zur Kampfzone zwischen randalierenden Eritreern und offenbar völlig überraschten Polizisten.
Tostos Tische und Stühle wurden zu Wurfgeschossen, als gut 200 angereiste Männer versuchten, ein "Eritrea-Seminar" zu stürmen, das offenbar von Unterstützern der dortigen Militärdiktatur veranstaltet wurde. 31 Polizisten, mindestens vier Teilnehmer und 21 Angreifer wurden verletzt, Autos und Gebäude beschädigt.
Auch einige von Tostos Möbeln wurden ramponiert, vor allem aber beklagt der junge Gastwirt den Verlust des Umsatzes eines sonnigen Samstags. "Die Politiker müssen nur eines wissen", sagt er mit Blick auf Kamerateams, die sich gerade auf den Auftritt von Innenminister Thomas Strobl (CDU) vorbereiten. "Die Leute, die das gemacht haben, müssen sofort in ihre Heimat geschickt werden. Wir arbeiten hier jeden Tag, aber die leben alle vom Staat und machen sowas. Das ist respektlos."
So oder so ähnlich reden viele hier im Hallschlag, einem stark von Migranten geprägten Viertel in Bad Cannstatt, wenn man sie auf die Randale anspricht. Einige finden auch: Solche Veranstaltungen, bei denen für das eritreische Regime geworben werde, sollte man gar nicht zulassen.
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Was war das für eine Veranstaltung? Laut Polizei ein "politisches Seminar" für etwa 80 Besucher. Strobl sagt, es war das dritte dieser Art im laufenden Jahr, 2022 habe es fünf gegeben. Da sei es bisher "im Grunde genommen friedlich zugegangen", bis auf kleinere Störungen. Am Samstag seien 20 Beamte zum Schutz der Veranstaltung im Einsatz gewesen, die sich mutig dem "plötzlichen und unerwarteten Gewaltexzess eines wütenden, gewaltbereiten und bewaffneten Mobs" entgegenstellten. "Die Polizei hat ein Blutbad verhindert", sagt er.
Waren zu wenige Polizisten da? Stuttgarts Vize-Polizeipräsident Carsten Höfler sagt: "Die Anzahl der Störer war so nicht vorherzusehen und der Gewaltrausch ebenfalls nicht." Er hatte am Sonntag erklärt, man habe Samstagvormittag in Bad Cannstatt und am Hauptbahnhof die Anreise vieler Eritreer bemerkt. Doch nach der ersten Eskalation am Mittag dauerte es noch, bis die Polizisten Verstärkung erhielten. "Man kann natürlich nicht jedes Mal mit 200 Einsatzkräften eine solche Versammlungslage, die über anderthalb Jahre friedlich ist, begleiten", sagt Strobl.
Wie geht es weiter? Kommenden Samstag dürfte mehr Polizei vor Ort sein – da ist laut einer Sprecherin der Stadt eine ähnliche Veranstaltung im Römerkastell geplant. Die entsprechende Halle sei schon vor längerem vom Schulverwaltungsamt an einen eritreischen Verein vergeben worden.
Warum kein Verbot? Nach Informationen dieser Zeitung prüft die Stadt inzwischen ein Verbot. Auf die Begründung darf man gespannt sein. Verbote solcher Veranstaltungen in geschlossenen Räumen sind nicht einfach. Weder sind die Organisatoren verboten, noch haben die Teilnehmer Straftaten begangen. Grundsätzlich muss die Polizei solche Treffen ermöglichen und schützen. Eine Anfrage, etwa zu bisherigen Mieteinnahmen der Stadt durch die Veranstaltungen und zum bisherigen Sicherheitskonzept, beantwortet die Sprecherin zunächst nicht.
Sie betont aber, die Stadt habe sich gekümmert. Nachdem bei einer ähnlichen Veranstaltung 2022 vier Personen das Treffen gestört hätten, habe man die Lage mit der Polizei erörtert. Daraufhin habe der Landes-Verfassungsschutz eine "Unbedenklichkeitserklärung" abgegeben. Auch sei keine Gegen-Demo angemeldet gewesen. Es habe lediglich zuvor eine Ankündigung eines Protests gegeben, die aber zurückgenommen worden sei.
Der städtische Integrationsbeauftragte Gari Pavkovic erklärt, Stuttgart dulde "keine Auseinandersetzungen und Ausschreitungen zu den Konflikten in den Herkunftsländern". Er kündigte, an sofort mit den in Stuttgart ansässigen Vereinen das Gespräch zu suchen.
Welche Konsequenzen stehen im Raum? Laut Strobl wird gegen alle 228 Tatverdächtigen, die die Polizei am Samstag eingekesselt hat, ermittelt. Man werde "die Täter zur Rechenschaft ziehen", kündigte der Innenminister an. Im Raum steht vor allem der Vorwurf des besonders schweren Landfriedensbruchs, für den das Strafgesetzbuch Freiheitsstrafen von sechs Monaten bis zu zehn Jahren vorsieht. Ausländer, die schwere Straftaten begehen, müssen mit Ausweisung und Abschiebung rechnen. Doch die Verfahren sind kompliziert und langwierig.