Was kann die Spitzenkandidatin vom Verlierer lernen?
Ihr ersten Termine als CDU-Spitzenkandidatin führten Susanne Eisenmann in den Wahlkreis von Guido Wolf

"Ein langer, harter Weg, wer weiß es besser als ich": Guido Wolf (r.), CDU-Spitzenkandidat von 2016, und Eisenmann mit dem Nachtwächter von Mühlheim. F.: Muschel
Von Roland Muschel, RNZ Stuttgart
Mühlheim. Als Susanne Eisenmann in Mühlheim an der Donau vorfährt, warten über 100 Neugierige. Das Gasthaus Krone hat seine Außenbestuhlung erweitert, auf Tischen stehen Deutschlandfähnchen mit CDU-Aufdruck. Eisenmann geht durch die Reihen, gibt jedem die Hand. CDU-Kreischefin Maria-Lena Weiss begrüßt "unsere Kultusministerin und Spitzenkandidatin", dann greift Eisenmann zum Mikrofon. "Ich will Sie nicht durch eine lange Rede beschallen", sagt sie. Lieber gehe sie auf Fragen ein.
Ihre kurze Ansprache und die Fragen der Besucher drehen sich vor allem um Bildung, darum, was Gesellschaft von Schule erwarten kann und was nicht. Ein CDU-Mitglied will wissen, wie es "mit unserer Partei" weitergeht. "Ich will ein Wort dazu hören, wie man nicht nur eine fachkompetente Bildungsministerin im Glied von Herrn Kretschmann bleibt. Jetzt bin ich gespannt, wie Sie sich als Ministerpräsidentin präsentieren."
Es ist Eisenmanns erster öffentlicher Auftritt seit ihrer Kür zur Spitzenkandidatin am 27. Juli. Er führt sie in den Wahlkreis von Guido Wolf, dem Hoffnungsträger von 2016. Wolf hat ein tagfüllendes Programm organisiert, Tierheim, Ökoprojekt, Bürgermeister-Runde, Museums-Baustelle, Biathlonzentrum.
"Vielleicht kann ich aus meiner Erfahrung ganz gut bewerten, was jetzt angesagt ist", sagt Wolf. Auch ihm hätten Parteifreunde Türen geöffnet, ihn mit Menschen und Themen bekannt gemacht. "Die Geschlossenheit, die heute besteht, die muss bis zum Wahltag halten!", sagt der Justizminister am Ende des Abends. "Wir im Wahlkreis Tuttlingen werden unseren Beitrag leisten", gibt er Eisenmann mit auf den Heimweg.
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Die Spitzenkandidatin erkundet die Stimmung an der Basis - und ihr Vorgänger steht ihr zur Seite. Das ist in der Politik keine Selbstverständlichkeit. In diesem Fall schon gar nicht. 2015 hatte Wolf den Mitgliederentscheid um die Spitzenkandidatur gegen CDU-Landeschef Thomas Strobl gewonnen. Nach der verlorenen Landtagswahl indes hatte Strobl die Führungsrolle übernommen und der CDU als Vize-Ministerpräsident den Weg in die Koalition mit den Grünen gewiesen. Die Mehrheit der Fraktion aber hatte Strobl von Anfang an gegen sich - auch aufgrund der Berufung von Eisenmann zur Kultusministerin. Vielen Abgeordneten erschien die langjährige Stuttgarter Schulbürgermeisterin als zu liberal. Strobl, so die Lesart, hatte an Ansprüchen von Fraktionären vorbei eine Vertraute ins Amt gehievt.
"Als sie vor drei Jahren kam, war uns nicht so ganz klar, was das für den ländlichen Raum bedeutet", bekennt Wolf beim Mittagessen mit Bürgermeistern in Immendingen. "Er hat zu mir gesagt: Kannst Du überhaupt ländlichen Raum?", ergänzt Eisenmann und lacht. Anders als Strobl hat sie es in der Folge verstanden, die Fraktion von sich zu überzeugen. So sehr, dass die Rufe lauter wurden, sie solle die Partei in die Wahl führen.
In Strobls Umfeld wird mit bitterem Unterton gefragt, wie sehr sich Eisenmann auf ihre "neuen Freunde" verlassen könne, wenn mal Wolken aufziehen. "Es geht nicht um neue oder alte Freunde", sagt Eisenmann auf der Fahrt nach Mühlheim. "Es geht um Geschlossenheit!" Die CDU müsse die Grabenkämpfe endlich hinter sich lassen.
Wolf war wie Eisenmann mit rund 95 Prozent zum Spitzenkandidaten gekührt worden. Die Eintracht hielt nicht bis zum Wahltag. "Wir haben einen langen, harten Weg vor uns, wer weiß es besser als ich", sagt Wolf. Am Zusammenfluss von Brigach und Breg in Donaueschingen, der ökologisch umgebaut werden soll, sagt er: "Jetzt halten wir mal fest: An diesem Ort gibt es nur Gewinner!"
Seine Niederlage von 2016 soll etwas Gutes haben. Seine Erfahrungen, im Guten wie im Schlechten, sollen Eisenmann zum Sieg verhelfen. Sie wird etwa darauf verzichten, als kooptiertes Mitglied in den CDU-Bundesvorstand einzuziehen, um im Wahlkampf nicht für Berliner Beschlüsse haftbar gemacht zu werden.
Im Mühlheim ziehen Gewitterwolken auf, die Veranstaltung wandert nach drinnen. "Es geht nicht darum, dass man ein paar Thesen raushaut", sagt Eisenmann zur Zukunft der CDU. Die Partei müsse sich kritisch hinterfragen, mit der jungen Generation etwa habe die CDU ein massives Kommunikationsproblem. "Beantworten wir die Fragen, die die Bürger uns stellen oder reden wir mit uns selbst?" Es geht nicht nur um ihre Person, "es geht um uns alle. Die Bitte wäre, dass wir da gemeinsam an einem Strang ziehen". Sie klingt nun sehr präsidial.
Wolf greift nochmal zum Mikrofon, er übernimmt die Abteilung Attacke. Nach einer Statistik des Bundestags seien die Abgeordneten der Grünen 2018 am meisten geflogen. "Wasser predigen und Wein saufen - das sind die Grünen! Und dagegen müssen wir Wahlkampf machen!"