Baden-Württemberg

Wie der Staatssekretär wieder Begeisterung für Kultur wecken will

"Das Ausgehverhalten hat sich total verändert": Arne Braun im RNZ-Interview.

21.10.2022 UPDATE: 21.10.2022 06:00 Uhr 2 Minuten, 37 Sekunden

Die Staatsgalerie in Stuttgart. Archivfoto: dpa

Interview
Interview
Arne Braun
baden-württembergischer Kultur-Staatssekretär

Von Roland Muschel, RNZ Stuttgart

Stuttgart. Arne Braun (57) hat lange Jahre als Pressesprecher gearbeitet, zuletzt als Regierungssprecher für Baden-Württembergs grünen Ministerpräsidenten Winfried Kretschmann. Nun hat Braun selbst einen Sprecher neben sich sitzen. Es ist sein erstes Interview in der neuen Funktion als Kultur-Staatssekretär des Landes – und sein erstes politisches Amt.

Herr Braun, was qualifiziert einen Regierungssprecher, der nie Politik gemacht hat, für dieses politische Amt?

Ich habe schon als Regierungssprecher eine Idee von politischer Kommunikation verfolgt, die über die reine Pressearbeit hinausging. Zum Beispiel haben wir den Park der Villa Reitzenstein mit einem Kulturprogramm bespielt – vom Opernchor über Fridays for Future bis hin zur bayerischen Band La BrassBanda. So haben wir die Regierungszentrale für Menschen erschlossen, die dort sonst nicht hindürfen, das ist Sicherheitszone. Solche Angebote können Hebel sein, um Bürger zu erreichen, die sonst vielleicht eher Distanz zu Kultur oder Politik haben. Mir geht es darum, neue Zugänge zu ermöglichen, Begegnungsorte zu schaffen. Dazu kommt, dass ich beruflich und privat schon immer mit der Kultur verbunden bin.

Wo steht die Kultur im Land nach zwei Jahren Corona?

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Die Kultur im Land ist leider nicht ganz unbeschadet aus der Corona-Krise herausgekommen. Im Großen und Ganzen haben die Initiativen und Förderungen der Landesregierung eine gute Wirkung erzielt. Mit dem fiktiven Unternehmerlohn für Kreative und Kunstschaffende haben wir bundesweit ein ganz wichtiges Zeichen gesetzt. Das Gefühl im vergangenen Sommer mit Festivals und Konzerten war ja voller Optimismus: Es geht wieder los! Aber insgesamt sind die Besucherzahlen vielerorts zurückgegangen, und der Trend setzte sich fort. Das ist ein Riesenproblem.

Liegt das allein an Corona?

Es ist eine Kombination aus verschiedenen Gründen. Die Inflation sorgt dafür, dass sich die Leute bei den Ausgaben zurückhalten. Und es gibt weiter die Angst, sich anzustecken. Das Ausgehverhalten hat sich total verändert. Diejenigen, die kulturaffin sind, aber jetzt zu Hause bleiben, müssen wir zurückgewinnen. Und immer wieder neue junge Zielgruppen erschließen.

Was kann das Land da tun?

Wir können den Kultureinrichtungen Vertrauen geben und Stärke vermitteln, indem wir sagen: Ihr seid wahnsinnig wichtig! Aber auch die Kultureinrichtungen selbst müssen ihren Teil beitragen mit Disruption und neuen Ideen, wie man die Menschen zurückerobern kann. Die Einnahmeausfälle, die entstehen, können wir als Land ja nicht 1:1 ersetzen. Die Corona-Zeit hat gezeigt, dass solche Krisen auch ganz viel kreatives Potenzial für neue Formate und experimentelle Herangehensweisen freisetzt.

Mit den steigenden Energiekosten steht den Kultureinrichtungen bereits die nächste Krise ins Haus.

Die gute Nachricht ist: Der Gaspreisdeckel soll auch für die Kultureinrichtungen gelten. Das gibt Sicherheit. Zweitens hat die Ministerpräsidentenkonferenz beschlossen, dass Kultur systemrelevant ist. Das war in der ersten Corona-Hochphase anders, da wurde die Kultur zeitweise mit den körpernahen Dienstleistungen gleichgestellt. Dieses Signal, die richtige Verortung war dringend nötig.

Davon kann sich erst einmal kein Kulturschaffender etwas kaufen.

Ein weiteres, wirkungsstarkes Signal ist, dass die verbliebenen Corona-Mittel des Bundes für Kultur in Höhe von weit mehr als einer Milliarde Euro weiter zur Verfügung stehen. Das wollen und werden wir klug einsetzen.

Und wo setzen Sie an?

Wir sind im intensiven Dialog mit den Kultureinrichtungen. Für kommende Woche habe ich zu einem informellen Runden Tisch mit Vertretern aus jedem Segment eingeladen. Ich will erfahren: Was erwartet ihr mit Blick auf den Winter? Wie wollt ihr gegensteuern? Was erwartet ihr von der Politik? Ich habe ganz bewusst auch die reingenommen, die oft durch den Rost fallen wie Pop- und Rock-Veranstalter, Tournee-Orchester oder Clubs.

Welche inhaltlichen Akzente wollen Sie setzen?

Green Culture, also die Anpassung der Kultureinrichtungen auf grüne Belange wie Energiesparen und Nachhaltigkeit, steht bei einem grünen Kultur-Staatssekretär natürlich oben auf der Agenda. Da hat das Ministerium mit den staatlichen Kultureinrichtungen bereits einen sehr guten Leitfaden vorgelegt. Diesen Prozess bringen wir weiter voran.

Was noch?

Ich möchte auch den Pop-Dialog vorantreiben, die Vernetzung der Pop-Initiativen und -Büros im Land. Rock und Pop wird von der klassischen Kulturpolitik oft argwöhnisch beäugt, nach dem Motto: Das sind die Schrammelbrüder vom Land, die brauchen wir nicht in unserem Kulturprogramm. Im Gegenteil: Kultur braucht die Gegensätze, den Bruch, die Irritation. Sie muss immer wieder ausbrechen aus dem, was wir kennen.

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