Wer sich der Abschiebung widersetzt, soll in Haft
Strobl appelliert an Bundesinnenminister Seehofer - Kritik von Grünen, FDP und SPD

Von Sönke Möhl
Stuttgart. Migranten, die sich einer Ausweisung in europäische Staaten widersetzen, sollen aus Sicht von Innenminister Thomas Strobl (CDU) direkt am Flughafen in Haft genommen werden können. Immer wieder scheiterten Sicherheitsbehörden daran, Flüchtlinge in Staaten zu bringen, in denen sie bereits registriert sind, schrieb Strobl in einem Brief an Bundesinnenminister Horst Seehofer (CSU). Es sei dringend nötig, eine ausreichende Zahl von Haftplätzen zu schaffen, am besten in Flughafengebäuden, heißt es darin. Von der Opposition und auch vom Koalitionspartner kam einhellige Kritik für Strobls Vorstoß.
Strobl bat Seehofer in dem Schreiben, sich bei den Verhandlungen über die Reform des gemeinsamen Europäischen Asylsystems auch dafür einzusetzen, dass die Aberkennung des Schutzstatus bei straffällig gewordenen Ausländern erleichtert wird. "Menschen, die vor Gewalt fliehen, in einem Land um Leib und Leben fürchten müssen, denen müssen wir helfen, ohne Wenn und Aber", teilte Strobl am Montag mit. "Wenn jemand aber schwere Straftaten begeht, die Sicherheit der Menschen im Land gefährdet, dann muss es auch Möglichkeiten geben, den Schutzstatus zu entziehen und ihn auszuweisen."
Hintergrund ist Strobl zufolge auch die mutmaßliche Gruppenvergewaltigung einer jungen Frau in Freiburg. Der Hauptverdächtige, ein Flüchtling, war zuvor mehrfach straffällig geworden. Gegen ihn lag bereits ein Haftbefehl vor.
Strobl bemängelte, dass selbst bei massiven Straftaten europarechtliche Hürden in vielen Fällen eine Aufhebung des Schutzstatus verhinderten. "Es ist schwer erträglich, dass Ausländer, die vordergründig in der Bundesrepublik Schutz suchen, unser Land nicht oder nur unter sehr engen Voraussetzungen wieder verlassen müssen, obwohl sie schwere Straftaten begehen", schrieb Strobl an Seehofer. "Dies ist der Bevölkerung verständlicherweise kaum vermittelbar."
Für den Koalitionspartner wies der migrationspolitische Sprecher der Grünen-Landtagsfraktion, Daniel Lede Abal, den Vorschlag zurück. "Eine Abschiebehaft-Light ohne richterlichen Beschluss lehnen wir entschieden ab", betonte er. Abschiebehaft sei das teuerste Mittel, Haftbefehle würden immer wieder von Gerichten aufgehoben. "Der Fokus muss auf dem Einsatz milderer Mittel wie beispielsweise der Rückkehrberatung und einer grundsätzlichen Reform des Dublin-Systems im Sinne eines echten europäischen Lastenausgleichs gerichtet werden."
Auch der stellvertretende SPD-Fraktionsvorsitzende Sascha Binder übte scharfe Kritik. "Herr Strobl nimmt den Mund wieder sehr voll, und zum Schluss wird er erneut mit leeren Händen dastehen", so Binder. Aus seiner Sicht beseitige Strobls Vorschlag keine der bestehenden Schwierigkeiten, Migranten abzuschieben, die bereits in einem andren EU-Land registriert sind. "Weder gibt es die erforderliche Rechtsgrundlage für die von Strobl vorgeschlagene Spontanhaft in der Nähe von Flughäfen, noch die erforderlichen Haftplätze", so Binder. "Dass der Minister dazu noch den Richtervorbehalt aushebeln will, ist rechtsstaatlich höchst bedenklich."
FDP-Fraktionschef Hans-Ulrich Rülke betonte mit Blick auf den Dissens in der Koalition, dass Defizite im Asylsystem so nicht beseitigt und die innere Sicherheit nicht verbessert würden.