Baden-Württemberg

Grundschüler können weniger als 2016 und 2011

Neue Bildungsstudie: Viele Grundschüler sind beim Lesen schwach.

18.10.2022 UPDATE: 18.10.2022 06:00 Uhr 2 Minuten
Schüler lernen an einer Grundschule in Baden-Württemberg. Nach einer neuesten Studie sackt aber das Leistungsniveau der Südwest-Grundschulen weiter ab. Die Viertklässler sind beim Lesen und Zuhörern schlechter geworden. Foto: Marijan Murat/dpa

Von Axel Habermehl, RNZ Stuttgart

Stuttgart. Die schulischen Leistungen von Grundschülern in den Fächern Deutsch und Mathematik sind erneut deutlich gesunken. Das geht aus den "Bildungstrends 2021" des Instituts zur Qualitätsentwicklung im Bildungswesen (IQB) hervor, die am Montag vorgestellt wurden. In allen getesteten Bereichen – Lesen, Zuhören, Rechtschreibung und Mathematik – sowie in fast allen Ländern verzeichnen sie "deutlich negative Trends". Ein Überblick.

Was kam raus? Es geht massiv bergab: Die Kinder können im Schnitt weniger als 2016 und deutlich weniger als 2011. Außerdem steigt der Anteil der Schüler, die Forscher als "Risikogruppe" bezeichnen, weil sie Mindeststandards nicht erreichen. Dies bedeutet, dass sie in der Regel nicht die Kompetenzen haben, um den nächsten Lernschritt zu machen.

Hintergrund

Seit 2009 lassen die Kultusminister die Schulleistungen in den Bundesländern testen - abwechselnd in der 4. Grundschulklasse und in der 9. Jahrgangsstufe der Sekundarstufe I. Für den Bundesländer-Vergleich ist das ländereigene "Institut für Qualitätsentwicklung im

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Seit 2009 lassen die Kultusminister die Schulleistungen in den Bundesländern testen - abwechselnd in der 4. Grundschulklasse und in der 9. Jahrgangsstufe der Sekundarstufe I. Für den Bundesländer-Vergleich ist das ländereigene "Institut für Qualitätsentwicklung im Bildungswesen" (IQB) an der Humboldt-Universität in Berlin hauptverantwortlich. Jetzt ging es um die Kenntnisse der Neuntklässler in Mathematik und in Naturwissenschaften. Dafür wurden bundesweit rund 50.000 Schüler aus rund 1500 Schulen getestet.

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Wie sehen die Ergebnisse im Detail aus? Die Leistungen der Südwest-Kinder weichen kaum vom Bundesschnitt ab. Die Regelstandards erreichten in Baden-Württemberg im Lesen und Zuhören 57 Prozent, in der Rechtschreibung 47 und in Mathematik 56 Prozent. An den Mindeststandards scheiterten im Südwesten 19 Prozent beim Lesen und Zuhören, 28 Prozent in der Orthografie und 20 Prozent in Mathematik.

Welche Trends gibt es? Wie in fast allen Ländern lassen die Leistungen im Südwesten nach. Die Studie stellt im Vergleich mit 2016 und 2011 "ungünstige Veränderungen in allen Kompetenzbereichen" fest. Diese seien "durchgängig substanziell". Das IQB spricht daher für Baden-Württemberg von "bedeutsamen negativen Trends". Von einer Stabilisierung könne nicht die Rede sein.

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Wo liegen Ursachen und Gründe? Darüber macht die Studie keine definitiven Aussagen. Sie legt aber nahe, dass gesellschaftliche Unterschiede und Benachteiligungen eine große Rolle für schlechte Leistungen sind. So stellten die Forscher erhebliche soziale Disparitäten fest. Die Kompetenzen der Kinder unterschieden sich systematisch in Abhängigkeit vom sozioökonomischen Status ihrer Familien sowie von der Anzahl der Bücher, die in ihrem Haushalt vorhanden sind. "Besonders ungünstig fallen die Ergebnisse für Kinder mit Zuwanderungshintergrund und aus sozial benachteiligten Familien aus. Sie erreichen im Jahr 2021 in allen untersuchten Kompetenzbereichen und in den meisten Ländern im Durchschnitt nicht nur ein niedrigeres Kompetenzniveau, sondern sind von den negativen Trends überwiegend auch deutlich stärker betroffen als ihre Mitschüler:innen", heißt es im Bericht. Da in Baden-Württemberg rund 50 Prozent der getesteten Kinder – der zweithöchste Wert bundesweit – einen Migrationshintergrund hat, wirkt sich dies entsprechend stark aus.

Welche Rolle spielt Corona? Schulschließungen, Fern- und Wechselunterricht werden den Leistungen wohl nicht zuträglich gewesen sein. Viel mehr kann man nicht sagen. "Auch wenn aufgrund der Anlage des Bildungsmonitorings nicht mit Sicherheit bestimmt werden kann, worauf die ausgesprochen ungünstigen Entwicklungen zurückzuführen sind, spricht einiges dafür, dass die pandemiebedingten Einschränkungen des Schulbetriebs eine Rolle gespielt haben", schreiben die Autoren.

Welche Reaktionen gab es? Südwest-Kultusministerin Theresa Schopper (Grüne) befand, die Ergebnisse seien "wenig überraschend und ernüchternd zugleich". Sie nannte den hohen Migrantenanteil unter den Kindern als Teilursache und kündigte an, die Sprachförderung in Kindergärten auszubauen. Die Opposition warf der Landesregierung Versäumnisse vor. "Es rächt sich, dass die grün-schwarze Landesregierung der Bildung zwar Priorität verspricht, ihr aber keine Priorität verschafft", erklärte SPD-Landtagsfraktionschef Andreas Stoch. Der FDP-Fraktionsvorsitzende Hans-Ulrich Rülke befand: "Diese Regierung verspielt die Zukunft dieses Landes, indem sie peu à peu unser Bildungswesen systematisch ruiniert."

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