Das Gas im Südwesten kommt nur zu 10 Prozent aus dem Osten
Aus dem Norden kommt es an: Das Land setzt auf zwei Speicher und Flüssiggas.

Von Theo Westermann, RNZ Stuttgart
Stuttgart. Die gute Nachricht: Nur ein relativ kleiner Teil des Erdgases, das in Baden-Württemberg verbraucht wird, kommt aus dem Osten. Doch sollte es wegen eines möglichen russischen Lieferstopps zu einer allgemeinen Gasverknappung, gar einer Gasmangellage, kommen, dann wird das insgesamt knapper werdende Gut nach den dann geltenden Regeln der Bundesnetzagentur in Deutschland verteilt. Die Zufuhr von Gas ist im Südwesten allerdings stark differenziert und schließt auch den Zufluss von Flüssiggas (LNG) ein. Baden-Württemberg wird aktuell aus drei Richtungen mit Gas versorgt, nämlich zu ca. 40 Prozent aus dem Westen, zu 50 Prozent über den Norden und zu zehn Prozent aus dem Osten. Dies ist einer Antwort des Landesumweltministeriums an die nachfragende SPD-Landtagsfraktion zu entnehmen.
In den vergangenen Tagen hat sich die Situation am Gas-Markt weiter zugespitzt, da Russland die Gaslieferungen über die Leitung Nord Stream 1 zuletzt auf 40 Prozent der Maximalleistung gedrosselt hat, noch gilt die Gasversorgung laut Bundesnetzagentur aber als gesichert. Mit Tempo treibt der Bund deshalb den Bau eigener Terminals vor allem an der Nordseeküste voran, um Flüssiggas (LNG) auch direkt nach Deutschland bringen zu können. Baden-Württemberg ist aber bereits jetzt indirekt an eines der größten niederländischen Flüssiggas-Terminals angebunden, nämlich dem "Gate Terminal" in Rotterdam, so der Verweis der Landesregierung. Demnach erfolgt von Norden aus die Versorgung über die Nord- und Mittelrheinische Erdgastransportleitungen (NET und MET) bis nach Lampertheim unweit der Landesgrenze zu Baden-Württemberg. Das Netz des Fernleitungsnetzbetreibers terranets bw ist über Lampertheim angeschlossen – das umfasst zudem den Anschluss von terranets bw über weitere Pipelines an das belgische LNG-Terminal Zeebrugge und drei weitere französische Flüssiggas-Terminals.
Von Westen aus erfolgt die Versorgung maßgeblich über die Trans-Europa-Naturgas-Pipeline (TENP), die ebenfalls an Flüssiggasterminals in Belgien und Frankreich angeschlossen ist. Von Osten aus ist Baden-Württemberg an die Fernleitungsnetzbetreiber bayernets und Open Grid Europe (OGE) gekoppelt. Bayern und damit indirekt Baden-Württemberg werden über die Mittel-Europäische Gasleitung versorgt, Übergabepunkt für Gas aus Russland ist dabei Waidhaus an der deutsch-tschechischen Grenze. Dort ist die Zulieferung zuletzt massiv eingebrochen.
Relevant ist bei einem Gasengpass auch die Frage der Gasspeicher. 47 gibt es bundesweit an 33 Standorten. Im Land befinden sich zwei größere unterirdische Gasspeicher. Einer davon ist in Sandhausen im Rhein-Neckar-Kreis, betrieben von terranets bw mit einer Kapazität von 30 Millionen Kubikmetern. Er unterstützt das Gastransportnetz im Land und gleicht normalerweise temperaturabhängige, saisonale und tageszeitliche Schwankungen aus. Der Speicher in Sandhausen ist bereits nahezu 100-prozentig gefüllt, teilte das Unternehmen mit.
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Der zweite Speicher befindet sich bei Wilhelmsdorf (Kreis Ravensburg), betrieben vom Unternehmen Storengy. Mit einem Arbeitsgasvolumen von ca. zehn Millionen Kubikmetern trägt er zum Ausgleich des Nachfragegefälles zwischen Sommer- und Wintermonaten und zur Sicherung der Gasversorgung von Stuttgart bei, informiert das Unternehmen. Er ist aktuell zu 47 Prozent gefüllt (Stand 17. Juni). Im Durchschnitt liegen die Füllstände aller Speicher in Deutschland aktuell bei 57,03 Prozent.
Hinzu kommen noch vor Ort auf der Ebene der Verteilnetzbetreiber eine Vielzahl von kleineren Speichern, die mit einem Gesamtvolumen von rund 1,2 Gigawattstunden in Baden-Württemberg ebenfalls für mehr Stabilität im Gasnetz sorgen können. Der Energiekonzern EnBW verfügt übrigens im niedersächsischen Salzstock Etzel unweit von Wilhelmshaven über zwei unterirdische Gaskavernen mit einem Fassungsvermögen von 400 Millionen Kubikmetern. Dort gibt es insgesamt rund 50 mit Gas gefüllte Kavernen, betrieben von weiteren Energieunternehmen.
Die SPD wollte zudem wissen, wie es um den Ausbau weiterer Leitungen im Land bestellt ist. Die Antwort: Zur Sicherstellung von Erdgastransportkapazitäten von Niedersachsen nach Baden-Württemberg dient künftig die Süddeutsche Erdgasleitung (SEL) von Lampertheim in Hessen über Heidelberg, Heilbronn, Ludwigsburg, Esslingen, Göppingen, Heidenheim bis nach Bissingen in Bayern. Der Bau ist in Teilen schon planfestgestellt, die Bauvorbereitungen laufen. Voraussetzung ist wiederum der Bau der Spessart-Odenwald-Leitung (SPO), beide Projekte werden durch terranets bw durchgeführt und sollen bis 2028 umgesetzt sein. Die Leitungen sollen den Bezug zusätzlicher Kapazitäten aus Norddeutschland und Westeuropa ermöglichen, heißt es in der Antwort. Dabei hat man aber auch das von der Landesregierung stark geförderte Ziel Wasserstoff im Blick. Sie sollen auch auf den Transport von Wasserstoff vorbereitet sein.



