Christiane Schönefeld ist die Herrin des Mindestlohns
Die 65-Jährige leitet die zuständige Kommission. Die künftige Höhe setzte sie gegen Widerstand der Gewerkschaften durch.

Von Daniel Bräuer
Berlin. Zweimal 41 Cent – diese Zahl ist nun mit dem Namen Christiane Schönefeld verbunden. Um so viel steigt der gesetzliche Mindestlohn in Deutschland, ab Januar 2024 beträgt er 12,41 Euro, ein Jahr später dann 12,81 Euro. So hat es die Mindestlohnkommission am Montag, 26. Juni, empfohlen. Schönefeld ist deren Vorsitzende, sie hat das Modell vorgeschlagen – und mit ihrer eigenen Stimme erst zur Mehrheit verholfen, weil Arbeitnehmer und Arbeitgeber sich nicht einigen konnten. Ein noch nie dagewesener Vorgang.
Es müssen harte Verhandlungen gewesen sein. Um 15 Uhr am Sonntagnachmittag, 25. Juni, begann das Treffen der Kommission, die der Bundesregierung alle zwei Jahre eine Anpassung des Mindestlohns vorschlägt. Erst nachts um 4.30 Uhr stand die "Einigung" – wobei die drei Arbeitnehmervertreter diese weiter ablehnten.
Eine einvernehmliche Lösung sei zu ihrem "großen Bedauern" nicht möglich gewesen, sagte Schönefeld am Morgen danach vor der Hauptstadtpresse. "Mit dem heutigen Beschluss erhalten die Beschäftigten und die Betriebe Planungssicherheit für die nächsten zwei Jahre", sagte sie.
Der Tarifindex des Statistischen Bundesamtes, den die Kommission berücksichtigen sollte, hat in den vergangenen zwölf Monaten eine Steigerung von 7,8 Prozent ergeben. Da der Mindestlohn zuletzt im Oktober per Gesetzesbeschluss auf zwölf Euro stieg, wollten die Arbeitgeber nur die Steigerungen seither berücksichtigen, das wäre deutlich weniger. Das nun vorgeschlagene Modell laufe auf ein Plus von 5,1 Prozent über zwei Jahre hinaus, so Schönefeld. Gewerkschaften ist das angesichts der hohen Inflation zu wenig.
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Schönefeld überstimmte sie. Sie habe eine "Gesamtabwägung" vorgenommen, erklärte sie, die den Schutz der Arbeitnehmer garantiere, ohne Beschäftigung zu gefährden. Der Vorschlag mit zwei Erhöhungsstufen "stabilisiert die Lohneinkommen für Beschäftigte im unteren Einkommensbereich und hilft zugleich, Lohnkostensteigerungen in Grenzen zu halten."
Die 65-Jährige aus Lüdenscheid, Mutter zweier erwachsener Töchter, ist eine erfahrene Arbeitsmarktexpertin. Nach einem Jurastudium in Köln und dem Referendariat kam sie 1986 zur damaligen Bundesanstalt für Arbeit – ironischerweise von dieser selbst in einem Programm für arbeitslose Akademiker vermittelt. Sie stieg auf zur Direktorin des Arbeitsamtes Duisburg, wurde Vize beim Landesarbeitsamt und leitete ab 2004 die Regionaldirektion NRW der umbenannten "Bundesagentur".
2019 zog sie in den Bundesvorstand ein, auf Vorschlag der Arbeitgeber, zuständig für Personal und Finanzen. Zu einer ihrer wichtigsten Aufgaben erklärte sie den Umbau von der Stellenvermittlung aus Zeiten der Massenarbeitslosigkeit hin zum beratenden Dienstleister in Zeiten des Fachkräftemangels. Im selben Jahr wurde sie Vorsitzende der Mindestlohnkommission, als einvernehmlicher Vorschlag beider Seiten.
Als sie im Oktober 2022 den BA-Vorstand verließ, sprach sie sich zum Abschied für eine gestufte Einführung des neuen Bürgergeldes aus oder für ein dauerhaft flexibler geregeltes Kurzarbeitergeld. Dem Bonner General-Anzeiger sagte sie damals: "Ich freue mich, endlich Zeit zu haben – für die Kunst, für das Reisen und fürs Spanisch lernen." An Nachtsitzungen in Sachen Mindestlohn hatte sie dabei wohl nicht gedacht.