Mit dem Segen der Kanzlerin
Angela Merkel unterstützt die Proteste "Fridays for Future" - Und verstört damit ihre Partei

Von Andreas Herholz, RNZ Berlin
Berlin. Jetzt auch Unterstützung von ganz oben: Die Kanzlerin stellt sich hinter die wöchentlichen Schülerproteste unter dem Motto "Fridays for Future". "Ich unterstütze sehr, dass Schülerinnen und Schüler für den Klimaschutz auf die Straße gehen und dafür kämpfen", erklärte Merkel in ihrem am Wochenende veröffentlichten Video-Podcast und lobte die "sehr gute Initiative". Um die Klimaschutzziele zu erreichen, brauche es einen breiten Rückhalt in der Gesellschaft. Die Kanzlerin verwies jedoch mit Blick auf den Kohleausstieg 2038 darauf, dass man "Arbeitsplätze und Wirtschaftskraft auf der einen Seite mit den Zielen des Klimaschutzes versöhnen" müsse.
Auf die Verletzung der Schulpflicht ging Merkel dabei nicht ein. Die Freitagsproteste in verschiedenen Ländern finden während der Unterrichtszeit statt. Am Freitagmorgen hatten Tausende Schüler in Hamburg demonstriert. Daran hatte auch die junge schwedische Klimaaktivistin Greta Thunsberg teilgenommen.
Rückendeckung für die Schüler-Initiative von der Klimakanzlerin, aber auch von Bundesjustizministerin Katarina Barley und Umweltministerin Svenja Schulze (beide SPD). Barley hatte die "Fridays for Future"-Demonstrationen ausdrücklich gelobt und sich für die Einführung eines Wahlrechts ab 16 Jahren auch bei Bundestagswahlen ausgesprochen. "Dass die Jugendlichen jetzt für den Klimaschutz demonstrieren und sich so engagieren, ist doch großartig. Das räumt mit dem Vorurteil auf, dass junge Leute nicht aktiv genug wären und sich nicht politisch engagieren", sagte Barley im Gespräch mit unserer Berliner Redaktion. Die Proteste verdienten hohen Respekt. "Solche jungen Leute wünschen wir uns", sagte die SPD-Politikerin. Doch die Jugendlichen hätten noch kein Wahlrecht, das sie ausüben könnten. "Wir sollten ein Wahlrecht ab 16 Jahren einführen", forderte Barley. Grünen-Fraktionschef Anton Hofreiter signalisierte Unterstützung und sprach sich für eine Änderung noch vor der nächsten Bundestagswahl aus.
Auch Umweltministerin Schulze lobte die Demonstrationen, hält sie allerdings wegen der in Deutschland bestehenden Schulpflicht während der Unterrichtszeit nicht auf Dauer für machbar.
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Merkels Unterstützung für den Schülerprotest während der Schulzeit stößt allerdings in der eigenen Partei auf Widerspruch. Bundesbildungsministerin Anja Karliczek (CDU) hatte sich kritisch dazu geäußert, dass die Schülerinnen und Schüler den Unterricht schwänzen, um an den Protesten teilzunehmen, und auf die Einhaltung der Schulpflicht gedrängt. Auch Wirtschaftsminister Peter Altmaier (CDU) meldete Bedenken an: "Politisches Engagement von Schülerinnen immer gut. Schuleschwänzen fast immer schlecht. Je öfter, desto dümmer", schrieb er auf Twitter und appellierte indirekt, die Demos während des Unterrichts einzustellen. Heftige Kritik an Merkel und ihrer Unterstützung für die Proteste kam aus der konservativen "Werteunion". Wenn die Kanzlerin Demonstrationen, die gegen die Schulpflicht verstoßen, als "sehr gute Initiative" bezeichne, sei dies "verantwortungslos", warf der Schwetzinger Vorsitzende Alexander Mitsch (CDU) Merkel vor, der Bildungsministerin und der Lehrerschaft in den Rücken zu fallen.
Merkels Unterstützung für die Schülerproteste ist neu. Offenbar hat es bei der Kanzlerin einen Sinneswandel gegeben. Erst vor wenigen Wochen hatte sie sich auf der Münchener Sicherheitskonferenz skeptisch zu der Initiative geäußert und gemutmaßt, dass es "äußere Einflüsse" für diese Bewegung geben müsse. Die Äußerungen der Kanzlerin waren so verstanden worden, dass sie auf die hybride Kriegsführung Russlands anspielte, die gezielt auf Propaganda und Desinformation setze. "Aber dass plötzlich alle deutschen Kinder - nach Jahren ohne jeden äußeren Einfluss - auf die Idee kommen, dass man diesen Protest machen muss, das kann man sich auch nicht vorstellen", hatte Merkel damals noch erklärt.