Verfassungsfeinde in Uniform
Polizei in Essen entdeckt rechtsextremes Netzwerk - Innenminister will hart durchgreifen

Von Frank Christiansen und Andreas Herholz, RNZ Berlin
Düsseldorf/Berlin. Herbert Reul ist erschüttert. Hitler-Fotos, Hakenkreuze, Reichskriegsflaggen und ein Flüchtling in der Gaskammer – der nordrhein-westfälische Innenminister und seine Mitarbeiter werden sehr deutlich bei der Bewertung dessen, was in fünf Chat-Gruppen mit fast 30 Polizisten entdeckt wurde: Da hätten sich "Abgründe aufgetan", so Reul. Es sei "eine Schande für die Polizei" und treffe sie "ins Mark".
Nun sind alle 29 Beamte vom Dienst suspendiert, müssen Ausweise und Waffen abgeben, dürfen ihre Uniformen nicht mehr tragen und ihre Dienststellen nicht mehr betreten. Reul: "Ich habe gehofft, es sind nur Einzelfälle, aber es sind nicht nur einzelne Fälle".
Es war eher ein Zufall, der den Skandal ans Licht brachte. Gegen einen 32-jährigen Polizisten war ermittelt worden, weil er Dienstgeheimnisse an einen Journalisten verraten haben soll. Als die Ermittler sich sein Handy ansahen, stießen sie auf Whats-App-Gruppen mit einem Sammelsurium neonazistischer, rassistischer, rechtsextremer Dateien.
14 Beamte, die als Absender auftauchen, sollen nun für immer aus dem Dienst entfernt werden. 15 Empfänger der braunen Post, die dazu schwiegen, müssen sich Disziplinarverfahren stellen. Gegen mehrere Beamte wird auch strafrechtlich ermittelt: wegen Verbreitung verfassungsfeindlicher Symbole und Volksverhetzung.
Auch interessant
Fast alle Verdächtigen seien Polizistinnen und Polizisten in Mülheim/Ruhr, unter ihnen ist auch ein Dienstgruppenleiter. Bei einer großen Durchsuchung am Mittwoch wurden weitere, noch nicht ausgewertete Mobiltelefone sichergestellt. Der Fall könnte sich also noch deutlich ausweiten.
Reul kündigte eine Sonderinspektion für das Polizeipräsidium Essen an, zu dem Mülheim gehört. Dort ist der ehemalige Landeschef der Polizeigewerkschaft GdP, Frank Richter, Polizeipräsident – und seine Ehefrau Extremismusbeauftragte der Polizei. Es habe keine Hinweise und keine Auffälligkeiten gegeben, beteuert Richter. So etwas habe "außerhalb meiner Vorstellungskraft gelegen", bekannte er.
Alle Geräte mit verfassungsfeindlichen Inhalten seien Privatgeräte. "Ich werde alles in meiner Macht stehende tun, diese Menschen aus dem Dienst zu entfernen. Da darf es kein Mitleid, keine falsch verstandene Kameradschaft geben. Das dürfen die Verfassungsfeinde in unseren Reihen durchaus als Drohung empfinden", kündigte Minister Reul an. "Diese Menschen haben das Recht verspielt, diese Uniform mit Landeswappen zu tragen".
Die auch für den sprachgewaltigen Reul ungewöhnlich martialischen Worte gelten etwaigen weiteren Mitläufern, die von ähnlichen Umtrieben wissen und sich bislang noch nicht offenbart haben. Nun sei es höchste Zeit für sie, ihren "falsch verstandenen Korpsgeist" aufzugeben.
Reul kündigte ein ganzes Bündel von Maßnahmen an. Noch am Mittwoch habe er alle Führungskräfte ins Ministerium gebeten. Zudem berief er einen Sonderbeauftragten für rechtsextremistische Tendenzen in der nordrhein-westfälischen Polizei: den bisherigen Vize-Chef des Verfassungsschutzes, Uwe Reichel-Offermann.
Der sagte, das gefundene Material sei "Hardcore". Es kursiere in der rechten Szene auch nicht viel Schlimmeres. Es habe ihn überrascht, dass kein Polizist in einer der Chat-Gruppen gesagt habe: "Da steige ich aus, da mache ich nicht mehr mit."
Die Ermittler in eigener Sache wurden am Mittwoch in Duisburg, Essen, Moers, Mülheim und Oberhausen vorstellig. Hinweise dafür, dass die mutmaßlich rechtsextreme Gesinnung der Beamten auch im Dienst sichtbar wurde, gebe es bislang nicht. Eine der Chatgruppen sei wahrscheinlich bereits im Jahr 2012 gegründet worden, spätestens im Mai 2015. Unter den betroffenen Beamten seien auch Frauen und welche mit Migrationshintergrund.



